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Spanien: Solidarität mit dem LIDL-Streik
In Madrid streiken die Arbeiter*innen von Lidl in Alcalá de Henares. Auch die Belegschaft von Narón (A Coruña, Galizien) schließt sich dem Streik an, obwohl die Stadtverwaltung versucht hat, zu schlichten.
„Sie haben Streikbrecher angeheuert, um den Mangel an Arbeitskräften auszugleichen, und das werden wir nicht zulassen.“
Internationalismus ist unsere Stärke!
Quelle: Anarcho-Syndikalisten München@AnarchoMuenchen
Anarchist*innen in der Ukraine widerstehen Krieg und Frost
Die CNT-IAA Toulouse berichtet in ihrer Zeitschrift „Anarchosyndicalisme!“ (Nr 179, Nov-Dez 2022) über die Unterstützungskampagne der Initiative „Olga Taratuta“ für ukrainische Anarchist*innen:
Solidaritätskampagne geht weiter
Die Unterstützungskampagne für die Anarchist*innen in der Ukraine, welche von der Solidaritätsinitiative „Olga Taratuta“ gestartet wurde, wird fortgesetzt. Eine erste Welle von Spenden konnte bisher 900 Euro zusammentragen, die den Genoss*innen von „Assembleia“ Mitte November übergeben wurde. Diese ermöglichte es ihnen, eine Heizung einzurichten, um den eisigen Winter zu überstehen.
„Liebe Genoss*innen, eure Solidarität kam genau zur rechten Zeit. Die Sicherheitslage hier ist überall relativ. Heute wurde wieder ein massiver Raketenangriff als Reaktion auf die Rückeroberung der Stadt Cherson erwartet, aber bisher ist nichts passiert. Erst letzte Nacht landeten mehrere Raketen im Industriegebiet am östlichen Stadtrand…
Und die Stromausfälle werden immer länger. Gestern gab es zwar keine Anschläge in unserer Stadt, aber nachdem andere Regionen bombardiert wurden, sind Licht und Heizung ausgefallen, wie durch eine Kettenreaktion. Und die Kraftwerke haben nicht genug Zeit zum Reparieren.“
Solidaritätsspenden sind also immer nötig, um auch andere Häuser mit Heizungen auszustatten und den nötigen Brennstoff zu kaufen.
Assembleia [Ассамблея] ist ein anarchistisches Online-Medium aus Charkow in der Ukraine (https://assembly.org.ua). Seit der Invasion durch die Armee der Russischen Föderation halten diese Genoss*innen unter dramatischen Umständen das Banner des Anarchismus und des Internationalismus aufrecht.
Im Bombenhagel der Russischen Föderation beteiligen sie sich an Solidaritätsaktionen der Bevölkerung und des zivilen Widerstands, ohne jedoch die ukrainische Regierung zu unterstützen. Im Gegenteil, sie bleiben bei ihrer kritischen Haltung gegenüber dem ukrainischen Staat und seinen Herrschaftsinstitutionen (vom Präsidenten bis zur lokalen Ebene) aufrecht und entlarven, wie die nationalen Kriegsgewinner*innen die Regierung bestechen.
Assembleia informiert weiterhin die Arbeiter*innen und kritisiert lokale Arbeitgeber*innen, welche die Situation ausnutzen, um diese noch mehr auszubeuten. Assembleia hält dabei an anarchistischen, anti-staatlichen und anti-militaristischen Gundsätzen fest, während die meisten „anarchistischen“ Individuen und Gruppen in der Ukraine seit Beginn der Invasion alle Prinzipien über Bord geworfen haben.
Aufgrund der Zerstörung von lebenswichtigen Infrastrukturen durch die russische Armee wird es den Genoss*innen sicherlich an Heizmöglichkeiten mangeln, da der Winter in dieser Weltregion in der Regel besonders hart ist. Die Energiekrise, die auch viele von uns betrifft, wird sich dort noch dramatischer auswirken. Deshalb rufen wir dringend zur Solidarität mit den Genoss*innen von Assembleia auf, um ihnen beim Herannahen des Winters zu helfen:
– ihr
könnt direkt zu deren Spendenplatform
gehen:
https://www.globalgiving.org/projects/mutual-aid-alert-for-east-ukraine/
– ihr könnt aber auch Schecks in Euro schicken an die CNT-IAA schicken (mit Verwendungszweck „Solidarité Ukraine“ auf der Rückseite): CNT-AIT, 7 rue St Rémésy, F-31000 TOULOUSE
– Ihr könnt schließlich eine Banküberweisung (in Euro) auf folgendes Konto vornehmen (und uns bitte per E-Mail an contact@solidarité.online informieren):
IBAN : FR81 2004 1010 1603 1175 7H03 7 45,
BIC: PSSTFRPPTOU, Bank: Banque Postale,
Kontoinhaber*in:
CNT-AIT
Genoss*innen der Initiative „Olga Taratuta“,
http://nowar.solidarite.online/blog, contact@solidarite.online
Quelle: https://cntaittoulouse.lautre.net/IMG/pdf/anarcho179.pdf
Siehe auch:
„WINTER IS COMING, HELP THE ANARCHISTS IN UKRAINE TO RESIST WAR AND COLD!“
https://nowar.solidarite.online/blog/winter-is-coming-help-the-anarchists-in-ukraine-to-resist-war-and-cold
Hintergrundinfos zum Krieg in der Ukraine:
https://anarchosyndikalismus.blackblogs.org/?s=ukraine
Der 28. Kongress der Internationalen Arbeiter*innen-Assoziation
Vom 09.-11. Dezember 2022 fand in Alcoy (Spanien) der 28. IAA-Kongress statt. Eine Gruppe von Delegierten und Beobachter*innen der ZSP-IAA [aus Polen] nahm an dem Kongress teil, mit dem das 100-jährige Bestehen der Internationalen Arbeiter*innen-Assoziation gefeiert wurde. Hier ein Bericht:
Der IAA-Kongress findet alle drei Jahre statt und der letzte wurde 2019 in Melbourne (Australien) abgehalten. Dort wurde beschlossen, den Jahrhundert-Kongress in Spanien stattfinden zu lassen – auf Einladung der spanischen Sektion, der CNT-IAA. Die Genoss*innen in Spanien wählten die Stadt Alcoy als Ort für die Feierlichkeiten aus. Diese Entscheidung war bedeutsam, wie wir später genauer ausführen werden, und Alcoy stellte sich als ein ausgezeichneter Platz für die Durchführung unseres Kongresses heraus.
Die Delegationen kamen aus den meisten der IAA-Sektionen, obwohl es ein paar Abgesandten nicht erlaubt wurde in den Schengen-Raum einzureisen. Wir wurden von den Gastgeber*innen, die zudem eine Reihe von Begleitveranstaltungen zum Kongress organisiert hatten, mit größter Kameradschaftlichkeit und außerordentlicher Gastfreundlichkeit in Spanien aufgenommen.
Im Vorfeld der Versammlung gab es Konzerte, Buchvorstellungen und einen Stadtrundgang mit historischen Informationen über die Petroleum-Revolution. Wer diese noch nicht kennt: Als 1873 die Mitglieder der spanischen Regionalföderation der Internationalen Arbeiter*innen-Assoziation einen Aufstand angeführt haben und eine Zeitlang die Stadt übernahmen, bevor sie brutal unterdrückt wurden, war dies ein sehr bedeutendes Ereignis in der Geschichte der Arbeiter*innen. Solche Begebenheiten sind Teil des reichen Erbes der libertären Arbeiter*bewegung in Spanien, welche schließlich im Jahr 1910 zur Gründung der [Gewerkschaftsföderation] CNT führten.
Wir üblich, war die Tagesordnung des Kongresses recht umfangreich und enthielt viele Punkte. Die Themen betrafen beispielweise die Verbesserung der internen Funktionen der Internationale, die Aufnahme neuer Mitglieder in die Föderation, die Gründung und/oder Vorstellung von Arbeitsgruppen und praktischen Projekten, sowie Diskussionen, Rotation der Aufgaben und mehr.
Continue reading Der 28. Kongress der Internationalen Arbeiter*innen-AssoziationÖsterreich: Wohnmobil-Verleih versuchte Kollegen auf zwei Monatsgehälter zu klagen
Das Wiener Arbeiter*innen-Syndikat (WAS-IAA) berichtet, dass die Klage mit ihrer Unterstützung eingestellt wurde:
Der Wiener Campingmobil-Verleih „Camperea“ wurde vor rund drei Jahren vom jetzigen Chef der Firma übernommen. Zusätzlich ist dieser Besitzer eines Tonstudios („Audiowien“) sowie einer Werbeagentur. Im Sommer 2021 hat unser Kollege für vier Monate dort geringfügig gearbeitet.
Während der Arbeitszeit kam es bei einer Fahrt zur Waschanlage leider zu einer Beschädigung eines Wohnmobils. Daraufhin versuchte der Firmenbesitzer einen Teil des Vollkasko-Selbstbehalts vom Kollegen zurückzufordern. Jedoch gilt in Österreich das sogenannte Dienstnehmerhaftpflichtgesetz (DHG). Darin steht: „Für eine entschuldbare Fehlleistung haftet der Dienstnehmer nicht.“ Heißt: Chefs dürfen von Arbeiter:innen nichts verlangen, solange diese nicht fahrlässig gehandelt haben. Was in diesem Fall noch dazugekommen ist: Autofahren war kein Teil der Dienstverpflichtung. Erst nach rund einem Monat wurde dies auf einmal per Dienstanweisung doch zur Aufgabe erklärt.
Viel zu wenige Arbeiter:innen wissen, dass sie grundsätzlich nicht schadenersatzpflichtig sind, solange ein Schaden während der Arbeitszeit nicht fahrlässig oder gar mutwillig herbeigeführt worden ist! Chefs versuchen jedoch immer wieder Geld von Lohnabhängigen zu bekommen.
Continue reading Österreich: Wohnmobil-Verleih versuchte Kollegen auf zwei Monatsgehälter zu klagenKropotkin und der Wiederaufbau der IAA
Anlässlich des 100-jährigen Bestehens der Internationalen Arbeiter*innen-Assoziation (IAA) und des 180. Geburtstags des Anarchokommunisten Peter Kropotkin möchten anhand eines Artikels von Vadim Damier daran erinnern, in welchem Zusammenhang beide standen:
Diese Gleichzeitigkeit hat durchaus einen symbolischen Charakter. Kropotkin war zwar nie Mitglied einer revolutionär-syndikalistischen oder anarchosyndikalistischen Organisation, doch er steuerte einen wichtigen Beitrag zur Gründung der anarchosyndikalistischen Internationalen bei und seine Vorstellungen hatten einen enormen Einfluss auf deren Ziele und Prinzipien.
Kropotkin war einer der ersten anarchistische Denker, der eine Restauration des antiautoritären Flügels der Ersten Internationalen ins Leben rief und er führte diese Kampagne zu eine Zeitpunkt an, als ein Großteil der libertären Bewegung noch der so genannten „Propaganda der Tat“ anhing. Die Basis für diesen Wiederaufbau sah Kropotkin in den Gewerkschaften. In seinem „Bulletin der Jura Föderation“ schrieb er wiederholt über die ArbeiterInnenbewegung und Gewerkschaften. Zu dieser Zeit suchte er nach Kontakten zu gewerkschaftlichen Kreisen. In der Zeitschrift „Le Révolte“ veröffentlichte er rund 20 Artikel über die Notwendigkeit von Gewerkschaften, zu einer Zeit, als diese Ideen von anarchistischen Aktivist/innen und Agitator/innen, wie Jean Grave, Errico Malatesta oder Johann Most (1) nicht befürwortet wurden.
Mit all seiner Kraft argumentierte Kropotkin für die Stärkung der Gewerkschaften und das Engagement von Anarchist/innen in diesem Bereich. In der Zeitschrift „Freedom“ rief er zu einer universalen „Versammlung der Arbeit“ auf und im Jahr 1901 befürwortete er die Bildung einer „internationalen Föderation der Gewerkschaften auf der Erde“. Der Streik der radikalen Metallarbeiter/innen in Barcelona im Jahr 1902 und das Aufkommen einer Streikbewegung in Europa hatten bei ihm große Erwartungen geweckt. Diese Ereignisse veranlassten Kropotkin zu dem Vorschlag der Bildung einer „Internationalen Vereinigung der Arbeit“. Anselmo Lorenzo äußerte diesen Vorschlag für ihn in der Zeitschrift „Tierra and Libertad“ im September 1902. Er warf die Frage über die Organisation einer Internationalen auf, die im allgemeinen sozialistische Ziele und die Vergesellschaftung der Ökonomie vertrat. Außerdem die Selbstemanzipation der arbeitenden Menschen, der Kampf gegen die Ausbeutung von Frauen und Kinderarbeit, die Förderung der Kooperation und einen zukünftigen Plan für die sozialistische Enteignung der Produktion.(2) Beim Ausbau eines detaillierten Programms sollten die Ziele der alten Internationalen berücksichtigt werden. Interessanterweise weigerte sich der Herausgeber der Zeitschrift, Federico Urales, diese Vorschläge zu veröffentlichen, den er sah darin eine rückwärtsgewandte Vereinfachung.
Continue reading Kropotkin und der Wiederaufbau der IAAAsien-Pazifik-Trefffen der IAA
Es gab Präsentationen von Genoss*innen aus Australien, Indien, Indonesien und den Phillipinen. Anschließend wurde eine große Bandbreite an Themen in Diskussionen vorgestellt, darunter:
Das rechtliche Kastensystem in Indien und der Bezug zum Klassenkampf, die Aussichten aus anarchosyndikalistsiche Organisierung auf den Phillipinen, die Lage der migrantischen Arbeiter*innen in Singapur, die Geschichte anarchistischer Exilant*innen aus Spanien in Australien seit 1965 bis heute, der Kampf der Arbeiter*innen in Freihandelszonen in Sri Lanka, die Bedrohung von Gewerkschaftsorganisation durch religiösen Extremismus in Indonesien, eine kritische Untersuchung des Reformismus und der Anfeindungen gegen den Anarchosyndikalismus durch die ICL/CIT, sowie die Rolle marxistisch-leninistischer Parteien in Gewerkschaften in Süd- und Südost-Asien.
Am letzten Tag wurden kurz- und mittelfristige Aktivitäten geplant mit dem Schwerpunkt auf die Übersetzung von Texten in die Landessprachen.
Quelle:
https://www.facebook.com/110943300629705/photos/a.110962797294422/670596081331088/
Übersetzung: ASN Köln (https://asnkoeln.wordpress.com)
CC:BY-NC
Slowakei: Gelungene und ungelöste Fälle von Lohnraub
Der folgende Artikel befasst sich mit fast allen der genannten Szenarien, welche uns letztes Jahr während der „Internationalen Aktionswoche gegen unbezahlte Löhne“ in verschiedenen Städten überall in der Slowakei begegnet sind. Dabei ist erwähnenswert, dass die meisten Fälle einen Bezug zur Gastronomie hatten und in fast allen davon Frauen betroffen waren.
Dabei haben zwei Arbeiterinnen eine Strafanzeige wegen Lohnrückstand gestellt. Sie hatten außerdem Kontakt zu unserer Gewerkschaft aufgenommen und mitgeteilt, dass sie warten wollten bis die Ermittlungen abgeschlossen seien, bevor sie eine gemeinsame Aktion starten.
Vorenthaltene Löhne und Bossing am Arbeitsplatz
Hintergrundinfos:
Gemeinsam gegen Lohnraub (2022)
Polen: Erfolgreicher Gewerkschaftsprotest bei Zabka
Die Basisgewerkschaft Związek Syndykalistów Polski (ZSP-IAA) hat im Oktober 2022 erneut eine Protestkundgebung vor einem Żabka-Kiosk in Warschau durchgeführt. Anlass waren mehr als 5.000 Złoty vorenthaltene Löhne einschließlich Überstunden, Verstöße gegen die Ruhezeit, illegale Lohnabzüge und Belästigung:
„Ein Teil der Leute ist reingegangen, um den Manager zu sprechen und ein anderer ist draußen geblieben mit Bannern und Flugblättern. Nach dem Gesetz dürfen in Polen solche Geschäfte sonntags nicht öffnen, ohne dass die Eigentümer*innen oder ein Familienmitglied (aus einer Liste der erlaubten Mitglieder) dort arbeitet. Mitarbeiter*innen oder Vertragsarbeiter*innen dürfen den Laden an diesen Tagen nicht betreiben und haben grundsätzlich auch Anspruch auf einen Sonntagszuschlag.
Die Geschäftspraxis bei Żabka ist jedoch, die einzelnen Geschäftsinhaber*innen entscheiden zu lassen, ob sie sonntags öffnen oder nicht. Die meisten Żabkas in Polen haben jedoch an Sonntagen geöffnet, zumal sie oft der einzige offene Laden in der Nachbarschaft sind und dies meist ihr umsatzstärkster Tag ist, da die Leute keine anderen Einkaufsmöglichkeiten haben.
Viele Betreiber*innen kommen tatsächlich an einem Tag in der Woche in den Laden: am Sonntag, um zumindest körperlich anwesend zu sein und nicht gegen das Gesetz zu verstoßen. Wir hatten daher angenommen, das dies der bestmöglliche Zeitpunkt wäre, um den Eigentümer anzutreffen. Aber er war garnicht dort.
Eine Gruppe der ZSP war in den Laden gegangen, um den Betreiber zu treffen, doch tatsächlich hatte er am Sonntag nicht dort gearbeitet. Weshalb wir der Mitarbeiter gefragt haben, warum er denn da sei, denn das Geschäft hätte geschlossen bleiben müssen. Jedoch hat dieser Laden jeden Sonntag bis 20 Uhr geöffnet. Der Arbeiter hat daraufhin mit dem Chef gesprochen und ihm war klar, dass er dabei gefilmt wurde. Daher fiel schnell der Entschluss, den Laden zu schließen. Aus diesem Grund wurde den Verkauf sechs Stunden früher zu beenden (und das am Hauptgeschäftstag).
Wir vermuten, dass das letztlich teurer geworden ist als nur der Arbeiterin zu zahlen, was ihr zusteht. Sowas kann passieren, wenn man die Mitarbeiter*innen abzockt. Wir werden zurück kommen, um den Betreiber zu suchen und das Geld einzutreiben.
Kurz nachdem wir das Video unseres Besuchs in der Filiale haben andere Żabka-Arbeiter*innen, die das gesehen haben, uns geschrieben, um von den Problemen in ihrem Laden zu berichten. Vielleicht werden daraus neue Aktionen folgen.“
[Update: Die Kollegin Marta hat mittlerweile ihr Geld ausgezahlt bekommen, wie ein Video der ZSP-IAA Warschau zeigt.]
Quelle: https://www.iwa-ait.org/content/zabka-convenience-store-shut-down-after-visit-zsp
Übersetzung: ASN Köln (CC:BY-NC, https://asnkoeln.wordpress.com)
Frankreich: Brot und Freiheit!
Gleiche Ursachen mit gleichen Auswirkungen bedeuten jedoch, dass es sich hierbei nicht um Einzel- oder Zufallsfälle einiger missbräuchlicher Chefs handelt, sondern um ein weit verbreitetes und systematisches System, das als kapitalistische Ausbeutung bezeichnet wird. Die Tatsache, dass dieselben Vorkommnisse in Toulouse, Montreuil oder Wien (Österreich) stattfinden, zeigt auch, dass die kapitalistische Ausbeutung keine Grenzen kennt. Und dass es daher wichtig ist, dass diejenigen, die dagegen Widerstand leisten und sie bekämpfen wollen, ein Solidaritätsnetzwerk knüpfen.
Die CNT-IAA in Toulouse hat in der aktuellen Ausgabe ihrer Zeitschrift folgenden Text veröffentlicht:
Es schien uns interessant, in dieser Ausgabe von „Anarchosyndicalisme“ mit einer Reihe von Kämpfen im Backgewerbe zu beschäftigen, die bisher stattgefunden haben oder noch stattfinden. Diese Kämpfe erscheinen uns interessant, weil sie jenseits der Entfernung, die sie trennen, – manchmal mehrere tausend Kilometer und verschiedene Kontexte – die gleichen Ursachen haben: einerseits die kapitalistische Ausbeutung in ihrer reinsten Form, andererseits die hierarchische Arbeitsweise, in der allen ihr Platz in der Rangordnung zugewiesen wird und bei der den Vorgetzten nicht wiedersprochen werden darf.
Diese drei Kämpfe – zu denen wir einen vierten der Rechtshilfe hinzuzählen könnten, in denen wir Arbeiter*innen aus derselben Branche unterstützt haben, die aber ohne offen ausgetragenen Konflikt gelöst werden konnten – verliefen alle nach dem gleichen Schema: ein Chef oder eine Managerin, welche ihre Mitarbeiter*innen ausnutzt ohne dabei die grundlegendsten Arbeitsrichtlinien zu berücksichtigen (Überstunden, Ruhepausen,…) und ohne ihnen zu zahlen, was ihnen zusteht.
Eine weitere interessante Tatsache ist, dass zwei dieser Kämpfe in einem Verein geführt werden, der für sich beansprucht solidarisch zu handeln („Patalevain“ in Toulouse). Sowie in einer Genossenschaft, die sich selbst als anarchistisch bezeichnet („La conquête du pain“ [Die Eroberung des Brotes] in Montreuil). Vereine sollen eigentlich gemeinnützige Strukturen sein, aber in Wirklichkeit sind sie Unternehmen wie alle anderen (was Simon, der Chef von „Patalevain“, in dem Blog seiner Bäckerei in gewisser Weise als eine Art Verbrechen am Gemeinwohl bezeichnet hat). Sobald ein Verein aber faktisch zum Wohl seiner Mitglieder oder Vorsitzenden wirtschaftet, halten die großartigen Grundsatzerklärungen im Allgemeinen nicht sehr lange stand. Und das gilt umso mehr für Genossenschaften, sobald sie sich entscheiden Arbeiter*innen einzustellen und damit eine tatsächliche Hierarchie zwischen einerseits den Genossenschafter*innen als Eigentümer*innen des Stammkapitals und andererseits den Arbeiter*innen schaffen, welche den Genossenschafter*innen untergeordnet werden.
Diese Geschehnisse stehen auch stellvertretend für die Kämpfe, an denen wir in den letzten Jahren teilgenommen haben: Kämpfe von ehemaligen Arbeiter*innen, die nachträglich ihre Rechte einfordern, auf der Grundlage des Gesetzes und mit Unterstützung von Außenstehenden, die zum Boykott aufrufen. In der Hoffnung, eine gütliche Einigung zu erzielen, anstelle eines rechtlichen Verfahrens vor dem Arbeitsgericht, dessen Ausgang ungewiss ist und das immer sehr lange dauert. Es liegt dann an der Fähigkeit der kämpfenden Arbeiter*innen und ihren Unterstützer*innen ein dauerhaftes Kräfteverhältnis aufzubauen und aufrecht zu erhalten. Und dabei gegebenenfalls auch Bündnisse einzugehen, um den entscheidenden Kreis von Unterstützenden zu erweitern.
Wir müssen uns dabei aber fragen, ob wir uns als Organisation in Solidaritätskomitees an Kämpfen beteiligen, an denen wir nicht selbst beteiligt sind. Vor allem, wenn andere Organisationen, insbesondere politische, dort mitwirkeln. Denn die CNT-IAA ist grundsätzlich mit anderen Anarchosyndikaten oder Mitgliedern der Internationalen Arbeiter*innen-Assoziation (deren Sektion die französische CNT-IAA ist) solidarisch. Und selbstverständlich auch mit eigenständigen Gruppen von Arbeiter*innen, wenn diese die Grundsätze der politischen Unabhängigkeit, nicht-hierarchischer Gleichberechtigung und gegenseitger Solidarität teilen.
Anarchosyndikalist*innen sind natürlich gegen jede Zusammenarbeit mit politischen Parteien oder ihren Vertreter*innen. Daher kann, wie bereits der Gründungstext der CNT-IAA von 1946 feststellt, der Anarchosyndikalismus „nicht zur Verfolgung politischer Ziele beitragen, die von Parteien angestrebt werden, und er kann nicht mit ihnen zusammenarbeiten. Die immer offensichtlichere Verfolgung solcher Ziele, welche die anderen Gewerkschaftsverbände und ihre Parteien betreiben, zwingt die CNT, mit diesen Kräften jegliches Bündnis abzulehnen, was die Revolution betrifft.“ Damit der Anarchosyndikalismus nicht von der Realität abgeschnitten wird, bleibt uns daher nichts andres übrig als dass “die CNT ihre Bemühungen nur auf dem Gebiet des alltäglichen Handelns mit anderen Gewerkschaftsbünden zusammen zu arbeiten“.
Es erscheint uns auch gerechtfertigt, die Kämpfe von Arbeiter*innen gegen ihren Chef zu unterstützen, nicht nur, wenn die Ansprüche legitim und in Übereinstimmung mit unseren Grundsätzen sind, sondern auch, wenn diese Kämpfe auf direkten Aktionen beruhen, also von den Arbeiter*innen selbst ohne Vermittlung durch Dritte (wie Arbeitsgerichte oder Schlichtungsstellen). Wenn es der CNT-IAA gelingt, Arbeiter*innen vor dem Arbeitsgericht zu unterstützen, dann ist dies für uns immer ein Zeichen für einen vorübergehenden Verzicht auf unsere Grundsätze, weil wir nicht in der Lage sind, ein ausreichendes direktes Kräfteverhältnis selbst aufzubauen.
Im Fall der Bäckerei „La conquête du pain“ ermöglichte solch ein Kräfteverhältnis den Erfolg für die drei Streikenden, da ihre Forderungen erfüllt wurden. Doch die Arbeitskämpfe bei „Firin“ in Wien und bei „Patalevain“ in Toulouse gehen bei Redaktionsschluss immernoch weiter. Wir rufen daher zu größtmöglicher Solidarität auf, damit auch diese Kämpfe siegreich werden.
Solidarische Aktivist*innen der CNT-IAA
Quelle: Anarchosyndicalisme, No. 178, Sept-Oct 2022, https://cntaittoulouse.lautre.net/spip.php?article1259
Korrigierte automatische Übersetzung: ASN Köln (CC: BY-NC, https://asnkoeln.wordpress.com)