Österreich: Arbeitszeit, Arbeitsbereitschaft und Rufbereitschaft

Das Wiener Arbeiter*innen-Syndikat (WAS-IAA) informiert über die Gesetzeslage in Österreich im Bezug auf das Eindringen der Bosse in deine Freizeit:

Immer wieder sind wir als Gewerkschaft damit konfrontiert, dass ArbeiterInnen bspw. in ihrer Freizeit angerufen werden, um kurzfristig in der Arbeit zu erscheinen. Oder etwa, dass gesetzliche Ruhepausen nicht eingehalten werden. Deshalb gibt es im Folgenden eine kleine Begriffserklärung, wozu UnternehmerInnen verpflichtet sind, bzw. was extra bezahlt werden muss.

Gemäß Arbeitszeitgesetz (AZG) § 2 Absatz 1 ist Arbeitszeit „die Zeit vom Beginn bis zum Ende der Arbeit ohne die Ruhepausen“. Wir kennen allerdings den Fall einer Firma, wo den MitarbeiterInnen gesagt wurde, dass sie „zwischendurch, wenn nichts los ist, mal Pause machen und etwas essen können“. Dabei müssen sie allerdings am Arbeitsplatz bleiben und immer bereit sein, wenn Arbeit anfällt.

Jedoch muss es gemäß AZG § 11 Absatz 1 nach 6 Stunden Arbeitszeit eine Pause von mindestens einer halben Stunde geben. Diese Pause ist wiederum darüber definiert, dass sie frei von Arbeit ist. (vgl. auch Löschnigg S. 448.) Und Pausen müssen nicht nur frei von Arbeit sein, sondern auch „ihrer Lage nach für den Arbeitnehmer vorhersehbar“ sein, d.h. nicht abhängig von einer Kundenfrequenz (vgl. Entscheidung des OGH vom 30. 1. 2018). Zudem muss die Pause echte Freizeit sein, d.h. der Arbeitnehmer muss über diese Zeit frei verfügen können (vgl. ebenda). Das betrifft auch den Aufenthaltsort in der Pause.

In dem beschriebenen Fall liegt Arbeitsbereitschaft vor, die aber Teil der Arbeitszeit ist (vgl. AZG § 5). Arbeitsbereitschaft ist die Pflicht, am Arbeitsplatz zu sein und bereit zu sein, wenn Arbeit anfällt, und wird grundsätzlich wie Normalarbeitszeit entlohnt (außer, der Kollektivvertrag oder Arbeitsvertrag enthalten abweichende Regelungen, vgl. Heilegger, Arbeitsrechtliche Bewertung von Bereitschaftszeiten sowie Entscheidung des OGH vom 30. 3. 2011). Die Praxis der Firma im oben genannte Fall war somit illegal.

In anderen Fällen wurden KollegInnen immer wieder in ihrer Freizeit angerufen und kurzfristig zu Diensten eingeteilt. Dies ist jedoch Rufbereitschaft. Rufbereitschaft beschreibt, dass der/die ArbeitnehmerIn zwar seinen/ihren Aufenthaltsort frei wählen kann, aber für den Arbeitgeber erreichbar sein muss und, wenn er/sie kontaktiert wird, dann zur Arbeit erscheinen muss.

Rufbereitschaft darf nur an zehn Tagen im Monat bzw., wenn der Kollektivvertrag es erlaubt, an 30 Tagen in 3 Monaten (vgl. AZG § 20a Absatz 1) vereinbart werden. Prinzipiell müssen zudem die Dienstpläne für eine Woche mindestens zwei Wochen davor feststehen (vgl. AZG § 19c Absatz 2). Laufend angerufen zu werden und neue Dienste zugewiesen zu bekommen, die weniger als zwei Wochen in der Zukunft liegen, ist somit Rufbereitschaft, die allerdings bei den erwähnten Fällen weder vereinbart noch bezahlt wurde.

Rufbereitschaft gehört zwar nicht zur Arbeitszeit, muss aber zwischen Arbeitgeber und ArbeitnehmerIn vereinbart werden. Die Bezahlung von Rufbereitschaft ist leider nicht einheitlich geregelt, doch ist es gemäß dem Rechtssatz RS0021688 so, dass „der Dienstgeber, der die Rufbereitschaft verlangt, (…) wenigstens zum Teil von der Arbeitskraft des Dienstnehmers Gebrauch“ macht. Deshalb kann die „Zahlung eines Entgelts bei Rufbereitschaft (…) dem Dienstnehmer nicht (…) versagt werden“.

Die Entlohnung von Rufbereitschaft kann allerdings in den einzelnen Kollektivverträgen geregelt werden und beträgt generell weniger als der normale Stundenlohn. Es wäre also im Einzelnen zu eruieren, was die für die Tätigkeit üblichen Stundensätze für Rufbereitschaft sind. Das auch Rufbereitschaft extra bezahlt werden muss, ist jedoch unstrittig!

Es ist normaler Teil des kapitalistischen Systems, in dem wir gezwungen sind zu leben, dass die KapitalistInnen versuchen auch unsere Freizeit und unsere kleinen Arbeitspausen auszuhöhlen und auch unser Privatleben zu kolonisieren, wodurch die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit mehr und mehr verschwimmen. Diese nicht nur finanziell, sondern auch psychisch belastenden Entwicklungen wurden durch den Corona-Ausnahmezustand und die Verlagerung von Lohnarbeit in Homeoffice, Videokonferenzen etc. nochmals verschärft.

Arbeitsrecht ist einerseits ein Herrschaftsinstrument, so wie jedes Recht. Andererseits gibt es in Österreich viele von den ArbeiterInnen erkämpfte Rechte, die nur einfach kaum bekannt sind und in der Praxis von vielen UnternehmerInnen ignoriert werden. Es ist also unsere Aufgabe als Ausgebeutete, sich einerseits dieses Wissen anzueignen, und sich andererseits zu organisieren und sich von den Bossen nicht mehr alles gefallen zu lassen. Zumal wenn das Arbeitsrecht eigentlich sogar in diesen Fällen auf unserer Seite ist.

Quelle:
https://wiensyndikat.wordpress.com/2023/05/30/arbeitszeit-arbeitsbereitschaft-und-rufbereitschaft/