Österreich: Streiks und Tarifabschluss in der Metallindustrie

Die österreichische Sektion der Internationalen Arbeiter*innen-Assoziation (IAA), das Wiener Arbeiter*innen-Syndikat (WAS), berichtet:

Ursprünglich wollten wir an dieser Stelle eine Solidaritätserklärung mit den Streikenden in der Metallindustrie veröffentlichen. Dann kam die Einigung in den KV-Verhandlungen und wir haben beschlossen, sowohl über die Streiks als auch über das Ergebnis zu schreiben.

Im Zuge der Kollektivvertragsverhandlungen in der Metallindustrie wurde anfänglich von der Kapitalseite mit 2,5% ein Scheinangebot gemacht, das eine massive Reallohnsenkung und somit eine Provokation und eine Kampfansage der Arbeitgeber darstellt. Der Hintergrund dieses plötzlichen Klassenkampfs von oben ist die momentan schlechte Auftragslage in vielen, aber nicht allen Betrieben dieser Branche. Die Kollektivvertragsabschlüsse der letzten zehn Jahre wurden vom Kapital vor allem auf Grund voller Auftragsbücher akzeptiert, da Unterbrechungen der Lieferketten durch Streiks befürchtet wurden. Insbesondere die wichtige deutsche Industriekundschaft, deren Zulieferer österreichische Betriebe oft sind, machte Druck, keine langwierigen Verzögerungen zu riskieren. Doch jetzt ist die wirtschaftliche Lage schlecht und die Auftragsbücher leer, weshalb die KapitalistInnen schauen wollen, wie weit sie gehen können und ihnen Streiks gleichzeitig nicht so schaden.

Nachdem die KV-Verhandlungen wegen den oben genannten Umständen erwartbar gescheitert sind, gab es also zwei Wochen lang Streiks (aber nur in den Betrieben mit Betriebsrat, und natürlich unter der Kontrolle des ÖGB-Gewerkschaftsapparates), wobei die ursprüngliche Forderung von ÖGB-Seite 11,6 % mehr Gehalt war.

Am 30. 11. gab es schließlich eine Einigung, wobei aber von ÖGB und Arbeitgeberseite unterschiedliche Zahlen kolportiert wurden, um die jeweils eigene Seite besser aussehen zu lassen. Der ÖGB spricht von 10 % Plus, die Arbeitgeber von durchschnittlich 8,6 %. Es war der ÖGB-Seite dabei wohl wichtig, dass sie am Ende eine zweistellige Zahl präsentieren können. Die niedrigere (und unserer Meinung nach korrekte) Zahl der Arbeitgeber ergibt sich dadurch, dass ab einem Betrag von plus 400 Euro brutto die Lohnerhöhungen gedeckelt sind, das heißt, die höheren Lohngruppen bekommen prozentuell weniger. Diese Prozentsätze beziehen sich aber nur auf die Brutto-Beträge.

Sieht man sich jedoch die Netto-Beträge an, so fallen die Steigerungen geringer aus. Dazu ist folgendes zu sagen: dieser Kollektivvertrag gilt ab 1. 11. 2023 rückwirkend für ein Jahr. Gemäß der Tabelle von Finanzrechner.at sind die Lohnsteigerungen netto mit den diesjährigen Steuerstufen für die untersten Gehaltsgruppen des Metall-KV netto nur bei 7,7 %. Für die anderen Gehaltsstufen ergeben sich ähnliche Werte, das höchste ist 8 %. Diese Werte liegen deutlich unter der Inflation, welche als rollierende Inflation etwa von Juli 2022 bis Juni 2023 9,9 % betragen hat.

Allerdings gelten ab dem Jahr 2024 andere Werte bezüglich der Lohnsteuer, wodurch die Inflation ebenfalls ausgeglichen werden soll. Danach beträgt die Netto-Lohnsteigerung in den unteren Lohngruppen um die 9,9 %, entspricht also der oben angegebenen Inflation. Es ist also erst die Steuerreform, welche dafür sorgt, dass die Netto-Lohnerhöhungen die Inflationsrate ausgleichen.

Es gibt bei all dem aber noch ein besonders übles Detail: es geht in der obigen Darstellung immer nur um die Ist-Löhne, die in der Metallbranche oft über dem Kollektivvertrag liegen. Die KV-Mindestlöhne, die in der Metallbranche praktisch nur LeiharbeiterInnen bekommen, steigen nur um 8,5 % brutto. Es wird also noch mehr als bisher eine Spaltung innerhalb der ArbeiterInnen betrieben, bei der die, die schon jetzt wenig bekommen, in Zukunft noch weniger bekommen werden.

Inflationsrate und Warenkörbe

Es ist aber auch die Frage wichtig, wie die Inflationsrate überhaupt ausgerechnet wird, was fließt mit ein? Die Inflationsrate wird über den Verbraucherpreisindex (VPI) berechnet, der auf dem Großen Warenkorb basiert, der die Produkte enthält, die während eines Jahrs konsumiert werden und deshalb sehr viele verschiedene Produkte und Dienstleistungen usw. enthält, neben Nahrung zum Beispiel auch Kleidung, Möbel, Freizeitgeräte, Restaurants, Hotels und ähnliches.

Im Gegensatz dazu gibt es auch den Mini- und den Mikrowarenkorb, die auf dem wöchentlichen bzw. täglichen Einkauf basieren und dementsprechend viel eher Lebensmittel beinhalten. Und hierbei stellt sich heraus, dass die Inflation etwa im Mikrowarenkorb wesentlich höher ist, sie beträgt im Jahresdurchschnitt 2023 etwa 12 %. Grundnahrungsmittel werden oft viel schneller teurer als zum Beispiel technische Geräte.

Die Teuerung beim täglichen Einkauf  kann also durch den Metaller-KV-Abschluss nicht ausgeglichen werden, d.h. es entsteht ein realer Kaufkraftverlust gerade bei den Ärmsten, die sich viele der Produkte und Dienstleistungen aus dem großen Warenkorb ohnehin nicht mehr leisten können. Und hier in diesem Beispiel geht es sogar um einen KV, in dem traditionell eher hohe Löhne und hohe Lohnsteigerungen zu verzeichnen sind; in praktisch allen anderen Branchen ist dieses Problem natürlich noch größer.

Zudem gibt es sogar noch die Möglichkeit für Ausnahmen: Die durchschnittlich 8,6 % Lohnerhöhung gelten nicht für alle Betriebe. Laut einer Zusatzvereinbarung kann bei Betrieben, die personalintensiv sind und im internationalen Wettbewerb stehen, die Lohnerhöhung bis zu 3 Prozent geringer ausfallen (abgegolten werden kann die geringere Lohnerhöhung in Form von zusätzlicher Freizeit, Fortbildungsmaßnahmen usw.) Gemäß ersten Berichten ist es für etwa ein Viertel der Betriebe möglich, dass die Lohnerhöhung geringer sein wird. Das ist die nicht so schöne Realität hinter der Fassade des ach so tollen zweistelligen Abschlusses.

Leider müssen wir nach dem traditionell guten Metaller-KV-Abschluss damit rechnen, dass die Abschlüsse in anderen Branchen eher darunter als darüber liegen. Ein weiterer Grund, sich basisgewerkschaftlich zu organisieren und gemeinsam zu kämpfen. Denn wenn wir, die ArbeiterInnen das nicht machen, dann macht es niemand anderes!“

Quelle:
https://wiensyndikat.wordpress.com/2023/12/23/streiks-in-der-metallindustrie-und-kv-abschluss/

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