Russland: Aktuelle Streiks und Proteste

Die Genoss*innen der KRAS (die Sektion der IAA in Russland), haben folgenden Bericht veröffentlicht:

Während die herrschenden Klassen in Russland versuchen, unter dem Vorwand des „Militärbetriebs“ eine „nationale Einheit“ zu erreichen, ist die Stimmung der Arbeiter*innen weit entfernt von einer imaginären „einstimmigen Unterstützung“ der Vorgesetzten. Im Oktober und November 2023 brachen weitere einzelne Streiks und lokale Proteste im ganzen Land aus. Die Unzufriedenheit der Bevölkerung führt zu einer allgemeinen Verschlechterung der sozio-ökonomischen Situation.

Laut einer Umfrage, die von der Online-Jobbörse hh.ru durchgeführt wurde, fehlt es etwa 45 % der Russ*innen an auzsreichenden Löhnen, um ihre Grundbedürfnisse zu erfüllen (nur 25 % der Befragten hatten schon 2021 den gleichen finanziellen Mangel). Weitere 36 % der Befragten gaben an, dass sie Schwierigkeiten hatten, mit ihrem Einkommen die Grundbedürfnisse zu erfüllen (vor zwei Jahren gaben 39 % der Befragten diese Schätzung ihrer finanziellen Lage an). Derzeit erhalten nur 20 % der Russ*innen ein Gehalt, das für alles Notwendige ausreicht, verglichen mit 36 % im Jahr 2021 (https://news.ru/society/polovina-rossiyan-stolknulas-s-nehvatkoj-deneg-na-osnovnye-nuzhdy/). In dieser Situation ist es nicht überraschend, dass die Menschen aus verschiedenen Gründen weiterhin protestieren: von der ausbleibenden Zahlung von Löhnen bis hin zur Zerstörung der Umwelt und ihrer Lebensbedingungen.

Altai

Hunderte von Einwohner*innen von Pavlowsk versammelten sich am 25. November in einem ländlichen Stadion zu einer Kundgebung gegen den Bau einer Mülldeponie. Die Teilnehmer*innen forderten einen anderen Standort dafür. Das Erscheinungsbild des Baukomplexes wird laut der Gruppe die Umweltsituation verschlechtern. Die Leute bezweifelten, dass die Behörden vor der Entwicklung des Deponie-Projekts die notwendigen Untersuchungen durchgeführt hätten. Sie drohten damit, dass ihre Stellvertreter*innen das Projekt nicht länger unterstützen würden und forderten ein separates Abfallsammelsystem in allen Städten der Region einzuführen, um das Müllproblem anzugehen. In der Woche vor dem Treffen sammelten lokale Aktivist*innen 2.000 Unterschriften gegen den Bau der Mülldeponie (https://t.me/kprfaltay/4242).

Region Astrakhan

Am 22. November legten die Mitarbeiter*innen des Wasserwerks Kozlovo im Bezirk Volodarsky die Arbeit nieder, weil sie seit 4 Monaten keine Löhne bekommen hatten. In Folge des Streiks gab es keine Wasserversorgung in den Dörfern Ferromnoye, Volodarsky, Kozlovo, Marfino, Vatagka, Kudrino, Kzyl-Tan und Dianovka. Der Bezirksleiter konnte nach Verhandlungen mit dem Wasserwerkschef und den Mitarbeiter*innen des zentralen Wasserkanals die Wiederaufnahme der Versorgung erreichen (https://astrakhan.su/news/housing/v-volodarskom-rajone-otklyuchili-holodnuyu-vodu-iz-za-zabastovki-rabotnikov-czentralnogo-vodokanala/).

Bashkortostan

Die Bewohner*innen von vier Dörfern planen eine Vollversammlung gegen die örtliche Fliesenproduktion. Sie baten den Vorsitzenden des ländlichen Kalchurowski-Rats um eine Umstellung der Produktion. Aber er gab an, dass dies nicht Teil des Landrates sei. Die Aktivisten fanden die Landkarten und sorgten dafür, dass die Länder zu ihrer Siedlung und dem Themenrat gehören. (https://t.me/baymabzelil/1411). Zur Erinnerung: Mehr als tausend Einwohner*innen des Gebiets hatten im Mai eine Vollversammlung gegen den Goldbergbau im Irandyk-Gebirge durchgeführt, woraufhin weitere folgten. Sie wählten erneut den Bürgermeister des Dorfes Ishmurzino, obwohl die Behörden dies als illegal erklärten. Im Juni gab das Unternehmen die Goldproduktion in der Region schließlich auf.

Region Iwanowo

Demonstrant*innen gegen den Bau einer Mülldeponie in der Nähe von Shui liefen auf eine regionale Autobahn, beklebten Autos mit Flyern und Aufklebern und wiesen auf eine Petition hin, die gegen Müllentsorgung auf dem Territorium des Bezirks stimmt (https://vk.com/info37?w=wall-69296730_2324221). Die Aktivist*inneen erklärten ihren Protest für unbefristet und riefen andere Fahrer*innen dazu auf, sich ihnen anzuschließen. Anwohner*innen berichteten, dass Verkehrspolizisten daraufhin die Autobahn gesperrt hätten. Die Petition gegen den Bau der Mülldeponie hatte 3.300 Unterschriften gesammelt. Die Anwohner*innen erklärten, dass durch den Bau einer Deponie in Shuyu und Dutzenden von Ortschaften in der Nähe der Stadt das Wasser verschmutzt würde. Die Demonstrant*innen warfen den Behörden vor, den Baubeginn vertuschen zu wollen – sie erfuhren erst während einer öffentlichen Anhörung am 19. Oktober von dem Projekt.

Region Irkutsk

Wir haben bereits über die Proteste von Schichtarbeiter*innen der Baufirma „Grand Stroy“ berichtet, die auf dem Gaskondensatfeld Kowyktinskoje von Gazprom gearbeitet haben und seit Monaten keinen Lohn erhalten haben (https://aitrus.info/node/6164). In die Verzweiflung getrieben, erklärten sie ihre Bereitschaft, die Anlage wegen Gehaltsrückständen zu sperren (https://iznanka.news/articles/Vazhnoe/Vakhtoviki-grozyat-perekryt-trassu-v-Sibiri.html). Erst nachdem die Staatsanwaltschaft den Arbeitgeber dazu zwang, hat er die Schulden von 119 Mitarbeiter*innen der Baufirma in Höhe von über 8 Millionen Rubel in vollem Umfang gezahlt (https://vk.com/wall-213632682_1511).

Region Orenburg

Für die Generalüberholung des dortigen Gaswerks eingestellten Schichtarbeiter*innen weigerten sich, zur Arbeit zu gehen, da ihre Löhne nicht ausgezahlt wurden. Die Jekaterinburger Firma SMT hatte für die Durchführung der Arbeiten mit der Gesellschaft „GSP Repair“, welche zur Unternehmensgruppe „Gazstroy“ gehört, einen Vertrag geschlossen (https://orengrad.ru/obshhestvo/v-orenburge-bastuyut-vahtoviki-priehavshie-rabotat-na-gazzavod/). Einige der Arbeiter*innen warteten nicht auf den unbezahlten Lohn und gingen nach Hause. Sie erklärten gegenüber Journalisten, dass sie keinen Grund sehen, in einem Hotel zu sitzen und Zeit zu verlieren, während sie auf ihr Gehalt warten – solange in der Region Orenburg noch Leute leben würden (https://orenday.ru/news/201123164523).

Region Leningrad

Am 15. November kam es zu einem Streik in der Wyborger Werft. Arbeiter*inne in Helmen und Schutzkleidung versammelten sich auf dem Gelände vor dem Fabrikgebäude und in einem der Räume und begannen Forderungen an das Management zu erheben. Wie die öffentliche VKontakte-Ausgabe von „Requisiten Wyborg“ berichtet, forderten die Mitarbeiter*innen des Unternehmens eine Erklärungen für die deutlichen Lohnkürzungen. „Die Mitarbeiter wurden gebeten, zur Arbeit zurückzukehren, ihnen wurde versprochen, sich mit dem Protokoll vertraut zu machen und einen separaten Termin zu vereinbaren, um alle ihre Fragen zu beantworten“. Das Protokoll enthielt Fragen an die Führung nach einer Art Streik und wurde von den Arbeiter*innen an den Produktionsdirektor übergeben. Daraufhin wurde die Durchführung einer Betriebsversammlung geplant (https://47news.ru/articles/241012/).

St. Petersburg

Die Zusteller*innen von mittlerer und großer Ware des Online-Dienstes der Firma Sber haben gegen die Kürzung ihres Gehalts gestreikt. Der Streik begann am Morgen des 18. November und in der Nähe des Lagers Sber Logistics auf der Moskauer Autobahn 26 blockierten sie die Ausfahrt und stoppten Dutzende Kleinbusse und Transporter („Gazellen“). Wie einer der Fahrer*innen sagte, sorgte das am Zahltag ihnen übergebene Geld für massive Enttäuschung. Zuvor erhielten die Mitarbeiter*innen von Sber 1.000 Rubel für die Lieferung eines sperrigen Produkts, jetzt haben sich die Preise geändert. Viele bekamen nicht die Summen, die sie sich erhofft hatten. Dies wurde damit erklärt, dass ein neues Programm ins Leben gerufen wurde, welches das Gewicht der Waren und ihre Abmessungen anders einschätzt. Grob gesagt, diejenigen, die 50.000 Rubel pro Woche erhalten sollten, erhielten nur noch höchstens 30.000 Rubel.

„Wir wurden mit der Tatsache konfrontiert: Entweder stimmen Sie den Bedingungen zu oder Sie können kündigen, da hier niemand jemanden aufhält“, beschrieb ein Arbeiter die Situation (https://megapolisonline.ru/voditeli-sbermarketa-ustroili-zabastovku-v-shusharah/). Nach Angaben der Belegschaft erhielten die Kurier*innen aufgrund dieser Änderung des Algorithmus zur Berechnung von Gewichts und Abmessungen der Waren nun ein Gehalt von 20-30 Tausend Rubel weniger als erwartet. Und die Unzufriedenen wurden gebeten, sich eine andere Arbeit zu suchen. Die Verhandlungen zwischen den Protestierenden und der Unternehmensführung wurden aufgenommen und den Streikenden wurde eine Neuberechnung versprochen, woraufhin sie ihre Versammlung auflösten (https://megapolisonline.ru/bastovavshie-voditeli-sbermarketa-razoshlis-s-nadezhdoj-im-poobeshhali-pereschet/)

Region Rostow

Bewohner der ländlichen Ortschaft Krasnokryma haben versucht, eine Protestkundgebung gegen die unkontrollierte Entwicklung und das mangelhafte System der Wohnungs- und Kommunalwirtschaft, sowie die fehlende Wasserschutzzone in der Nähe von Flüssen zu organisieren. Die Dorfbewohner*innen wollten Unterschriften unter eine Liste von Forderungen an die Bezirksregierung sammlen (https://161.ru/text/gorod/2023/11/05/72884930/?utm_source=telegram&utm_medium=messenger&utm_campaign=161). Die Kundgebung sollte am 5. November im Dorf Chaltyr stattfinden, wo sich das Gebäude der Bezirksverwaltung befindet. Aber die Verwaltung von Chaltyr schrieb in einer offiziellen Antwort, dass „jetzt viele Bots und Menschen gestartet wurden, die unter verschiedenen Spitznamen und Avataren die Menschen erregen“. Nach Angaben der Beamten durfte die Kundgebung nicht durchgeführt werden, da „jetzt eine Militärische Spezialoperation (SBO) im Gange ist“. Der Dorfvorsteher Dzadur Tyzykhyan versuchte dreimal, die Erlaubnis zur Durchführung einer Kundgebung zu erhalten, erhielt jedoch jedesmal eine Absage. Uund am Vorabend der geplanten Kundgebung wurde er zur Polizei gerufen, um über die Unzulässigkeit des Protests „zu sprechen“.

Region Swerdlowsk

Am 15. Oktober starteten die Bewohner*innen der Stadt Sysert einen Protest, um den Bau einer Mülldeponie zu verhindern, woraufhin sich Dutzende Einwohner*innen versammelten. Die Behörden untersagten die Kundgebung jedoch, sodass die Teilnehmer*innen ohne Lautsprecher ihre Reden halten mussten (https ://t.me/ve4ved/70407). Der Kampf gegen das Deponieprojekt läuft mindestens schon seit Frühjahr 2023. Die Gegner*innen sammelten Tausende Unterschriften und organisierten bereits Proteste (https://aitrus.info/node/6169). Unter dem Druck der Protestierenden mussten sich auch die Abgeordneten der Gesetzgebenden Versammlung in der Region „rühren“. Im September bestätigte Rosselkhoznadzor nach einem Aufruf an die Abgeordneten, dass die Bank Agropromcredit als Landeigentümerin gegen die Regeln für die Nutzung des Geländes verstoßen habe. Die Behörde erteilte dem Eigentümer des Areals eine Verwarnung. Nach einer Kundgebung am 15. Oktober forderte eine Gruppe von Abgeordneten die Beschlagnahme des Landes, das für die Mülldeponie vorgesehen war (https://vk.com/kprfekb?w=wall-8986414_45903).

Udmurtien

Einwohner*innen von Izhevsk protestierten gegen die Ansiedlung von militärischen Fabriken für die Herstellung von Drohnen im Rahmen der Stadtentwicklung. Für diese Produktion wurden bereits drei städtische Einkaufs- und Vergnügungszentren umgebaut (https://newizv.ru/news/2023-09-15/konets-filmov-v-izhevske-tretiy-tts-zakryvayut-pod-proizvodstvo-bespilotnikov-419358). Aus Protest erschienen an den Wänden vieler Gebäude, Zäune und Asphalt nun Dutzende von Graffiti (https://m.vk.com/wall-61949408_43315?post_add).

Jakutien

Am 16. November führten Arbeiter*innen des Bergbau- und Aufbereitungskombinats Inaglinsky (Teil der Firma Kolmar) einen eintägigen Streik durch, wie lokale Medien berichten: „Den Leuten werden nur ein paar Cent bezahlt, sie bekommen keine Zuschläge, die Lasten sind hoch, die Fahrer*innen transportieren über der Norm (was nach dem Arbeitsgesetzbuch der Russischen Föderation illegal ist!). Die Probleme sind endlos mit Bussen, sie kommen von der Tagesschicht um 22 Uhr. Die Menschen haben es einfach nicht mehr ausgehalten. Nach der gestrigen Lohnzahlung haben sie Kolmar den Streik erklärt. Die Autos standen einfach still und die Chefs kamen angelaufen. Und jetzt werden die Streikenden einfach entlassen, weil sie irgendeinen Grund finden werden. Haben sie nicht recht?! Nur ein Aufschrei der Seele! ‚Kolmar wird wieder trocken aus dem Wasser kommen!‘“ sagten die Bergleute. Der Streik ereignete sich nach der Auszahlung des Gehalts (durchschnittlich 80.000 Rubel), was offensichtlich unvollständig war. Die Behörden haben versprochen, die Schulden bis zum 1. Dezember zu begleichen. Im Zusammenhang mit dem Vorfall im Unternehmen wird eine Versammlung einberufen (https://1sn.ru/platyat-kopeiki-v-yakutii-rabotniki-kolmara-proveli-odnodnevnuyu-zabastovku)

Quelle: KRAS-IAA, https://aitrus.info/node/6180

(korrigierte automatische Übersetzung: ASN Köln)