Category Archives: Antirepression

Spanien: Weitere Kundgebung gegen IKEA-Zulieferer in Madrid

Vor dem Sozialgericht in der spanischen Hauptstadt fand Anfang Februar eine Protestaktion der anarchosyndikalistischen CNT-IAA (SOV Madrid) statt. Sie unterstützten damit ihr Mitglied, den Aktivisten Andrés, dessen Arbeitskampf gegen die Firma Foldeco vor Gericht verhandelt wurde.



Es geht um den Vorwurf der Ausbeutung durch das Unternehmen, welches auch wegen rassistischer Geschäftspraktiken kritisiert wird. Gegen den Zulieferer des schwedischen Möbelhauses IKEA wurde bereits 2023 protestiert und ein internationaler Aufruf veröffentlicht:

„Wir rufen alle Sektionen der IAA und allen internationalen Mitglieder zu Solidarität auf wegen eines Arbeitskampfes zwischen einem unserer Genoss*innen und Foldeco Developement S.L., einer Firma in der er fast drei Jahre gearbeitet hat. Nachdem unser Kollege vom Management des Unternehmens am Arbeitsplatz schikaniert wurde – unter anderem mit fremdenfeindlichen Beleidigungen und sogar körperlicher Aggression – haben wir diesbezügliche Beschwerden eingereicht und rechtliche Schritte eingeleitet. Wir wenden uns mit unseren Aktionen auch gegen deren Hauptkunden, also Komplizen, den multinationalen Konzern IKEA, für den Foldeco Möbelbauteile herstellt.

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Spanien: Belästigung bei Wurstbude in Granada

Ende Juni fand vor dem Würstchen-Lokal Frankfurt’s Bocanegra in der andalusischen Stadt Granada erneut eine Kundgebung der CNT-IAA statt, um gegen die sexuelle Belästigung einer Genossin zu protestieren, welche diese gemeinsam mit dem Syndikat öffentlich anprangert.

An der Kundgebung beteiligten sich auch einige Kolleg*innen der Basisgewerkschaft SAT und der Asamblea Interprofesional, sowie eine Gruppe der Asamblea Feminista Unitaria. Dieses Mal hat sich die Polizei korrekt verhalten (nachdem sie zuvor wegen eines Megaphons den Anmelder auf die Wache mitgenommen hatte) und sie haben sogar ihre Dienstnummern gezeigt.



Die Firma hingegen verbrachte den Nachmittag damit, die Polizei zum Eingreifen aufzufordern. Ein Passant kam auf die Idee von dem Lokal ein Video aufzunehmen und vermutlich dachten sie, er würde zu uns gehören und es ginge um sie, weshalb sie seine Verhaftung forderten. Als eine junge Frau das Lokal betrat, aber wieder herausging, um sich der Kundgebung anzuschließen, verlangte das Unternehmen von der Polizei ihre Identität festzustellen, was diese schließlich auch tat.

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Frankreich: Gegen rassistische Polizeigewalt

Die bewaffneten Polizeikontrollen in den von Armut und Ausgrenzung betroffenen Vorstadt-Siedlungen Frankreichs sind oft willkürlich, meist gewaltsam und erniedrigend, wobei sie mitunter stundenlang dauern können. Nicht selten enden solche Einsätze mit tödlicher Brutalität durch die Staatsgewalt – auch in Deutschland. Die französische CNT-IAA hatte bereits anlässlich der wochenlangen landesweiten Krawalle nach dem Tod zweier Vorstadt-Jugendlicher in Paris-Clichy 2005 einen Text veröffentlicht, der leider an Aktualität nicht verloren hat. Nun hat Ende Juni 2023 erneut ein spektakulärer Fall in unserem Nachbarland zu überregionalen Protesten geführt.

Nachdem bei einer Straßenkontrolle in Paris-Nanterre der Jugendliche Nahel Merzouk von Streifenbeamten erschossen wurde, fanden landesweit wütende Demonstrationen gegen den alltäglichen Rassismus der staatlichen Repressionsorgane statt. In vielen Städten waren diese tagelangen Proteste auch von Feuerwerk, Brandstiftungen und Plünderungen begleitet. Außer in Frankreich gab es auch im Übersee-Département Französisch-Guayana, sowie in Belgien und der Schweiz vereinzelte Straßenschlachten. Hunderte Geschäfte wurden zerstört, Polizeistationen angegriffen und Autos angezündet – die Sachschäden werden auf Dutzende Millionen Euro geschätzt.

Der von der neoliberal-konservativen Regierung Macron hochgerüstete Polizeiapparat reagierte auf die Straßenunruhen wie immer mit Gummigeschossen und Tränengas. Räumpanzer und Wasserwerfer sind im Dauereinsatz – tausende Jugendliche wurden in Gewahrsam genommen. Nun wurde Anfang Juli in Marseille am Rande der Proteste ein 27-jähriger Kurierfahrer von einem Flashball-Geschoss (LBD 40) am Brustkorb getroffen, woraufhin er einen Herzstillstand erlitt und tot neben seinem Roller aufgefunden wurde. Diese angeblich „nicht-tödlichen“ Projektile werden von der Polizei bei Sozialprotesten (wie kürzlich gegen die Rentenreform) regelmäßig auch auf Kopfhöhe verschossen, was auch während der Gelbwesten-Unruhen 2019 zu zahlreichen schwer verletzten Demonstrant*innen geführt hatte.

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Frankreich: Bewegung gegen Rentenreform lässt nach

Wer kennt sie nicht, die Wirkungslosigkeit der reformistischen Gewerkschaften? Wie viele „landesweite Aktionstage“ gab es in den letzten zwanzig oder dreißig Jahren? Wie viele Gewerkschaftsspaziergänge durch die Innenstadt – und mit welchem Ergebnis?

Ein Rückschritt folgt dem nächsten! Wenn uns die reformistischen Gewerkschaften Jahr für Jahr an die Wand fahren, so ist das kein Zufall, denn sie haben eigentlich eine ganz bestimmte Aufgabe erfüllen: Die Aufrechterhaltung des „sozialen Friedens“.

Erinnern wir uns daran, dass uns in der Geschichte kein „höheres Wesen“ gerettet hat, das es Arbeiter*innen ermögliche, für den Lebensunterhalt zu sorgen. Das Wenige, was wir haben, stammt aus historischen Kämpfen und aus dem Kräfteverhältnis gegenüber Staat und Bürger*tum, wie die Anhebung des [Mindeslohns] SMIG um 30% nach dem Mai ’68.

Und dennoch glauben die reformistischen Gewerkschaftsapparate nach all der historischen Gewalt, welche die Arbeiter*innen erlebten – zuletzt die Gelbwesten, von denen 14 Menschen ein Auge verloren haben – weiterhin an einen Kompromiss mit dem Staat und den Großunternehmen. Vereinzelte Streiks und Gespräche mit Macron – es ist einfach deren bloße Absicht, diese soziale Bewegung zu zerstören.

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Russland und Ukraine: Repression gegen Kriegsdienstverweigerer

Die französische CNT-IAA hat folgenden Artikel veröffentlicht, der auf einem Bericht beruht, welcher am 08.04.2023 von der KRAS-IAA veröffentlicht wurden, der russischen Sektion der Internationalen Arbeiter*innen-Assoziation:

In Russland und der Ukraine gibt es vermehrt Repressionen gegen diejenigen, welche nicht für die Pläne der Herrschenden oder der Kapitalist*innen kämpfen und sterben wollen. Bei russischen Gerichten wurden bereits mehr als 500 Strafverfahren gegen Soldaten eingereicht, wobei diese eingeleitet wurden, nachdem das Gesetz zu Beginn der Mobilmachung verschärft wurde. In der Ukraine wurden in tausenden Fällen Verfahren eingeleitet wegen unbefugtem Verlassen von Militäreinheiten, Desertion und Befehlsverweigerung gegenüber Kommandanten usw.

 „Mediazona“ [ein unabhängiges russisches Medienunternehmen] untersucht strafrechtliche Angelegenheiten gegen Militärangehörige in Russland untersucht und berichtet, dass sowohl freiwillige, wie auch eingezogene Soldaten fliehen und verschwinden, indem sie sich direkt weigern, dem Befehl zu gehorchen in die Ukraine geschickt zu werden, oder indem sie von der Front desertieren.


Bei den Militärgerichten wurden bereits 536 Fälle im Rahmen der neuen verschärften Strafverfolgungsgesetze zur Anklage gebracht: unerlaubtes Entfernen von der Einheit, Befehlsverweigerung, Fahnenflucht und anderes. 247 Soldaten wurden bereits verurteilt. Es gibt jeden Monat immer mehr Fälle; noch vor Ende März 2023 gab er bereits einen Höchstrekord. Die häufigste Anklage ist das unbefugte Verlassen der Militäreinheit mit 471 vor Gericht gebrachten Rechtsverfahren; in mehr als der Hälfte der Fälle waren die Soldaten über einen Monat lang abwesend (249 Fälle).

Am 21. März wurden 14 Personen wegen Desertion angeklagt und 21 wegen Gewaltanwendung gegen einen Kommandanten oder Offizier. Die meisten Strafsachen wurden vor Gerichten in der Region Moskau (40), Kaliningrad (27), Samara (23) und der Region Rostow verhandelt.

Die Prozesse von Verweigerern und Fahnenflüchtigen werden in der Öffentlichkeit als Schauprozesse präsentiert, um andere Soldaten einzuschüchtern: Die Rekruten werden von anderen Soldaten verurteilt, degradiert und verhaftet. Die Urteile werden in militärischen Einheiten verkündet und die Richter halten „prophylaktische (vorbeugende) Vorträge“.

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Solidarität mit der spanischen CNT-IAA

Die Internationale Arbeiter*innen-Assoziation (IAA) ruft zur Unterstützung der spanischen CNT-IAA auf, da sich diese traditionsreiche Basisgewerkschaft seit Jahren gegen vielfältige Repressionen zur Wehr setzen muss. Den Anarchosyndikalist*innen drohen hohe Geldstrafen, Enteignung und sogar Gefängnis, weshalb folgender Appell leider immernoch dringend nötig ist:

Die IAA und ihre Sektionen verteidigen

Das Internationale Sekretariat der IAA möchte hiermit öffentlich eine Reihe von Angriffen verurteilen, welche ihre Sektionen in verschiedenen Teilen der Welt seit Jahren erleiden müssen. Wieder einmal sind wir gezwungen unsere internationale Organisation gegen solche Aggressionen zu verteidigen.

Es ist schwer zu sagen, wann diese Angriffe begonnen haben, aber wir wagen zu behaupten, dass es 2016 war. Damals waren die spanische CNT und die italienische USI noch IAA-Sektionen haben Stellungnahmen über die Notwendigkeit zu einem „Neubeginn“ der IAA veröffentlicht. Diese Sektionen hatten auf mehreren IAA-Kongressen eine Reihe von Anträgen gestellt, die abgelehnt wurden. Sie schlugen vor, dass einige wenige Sektionen die Mehrheit der Stimmen in der IAA übertragen bekommen sollte, wobei die spanische CNT vorherrschend würde. Und der Zugang zur IAA sollte ausschließlich „großen“ Organisationen vorbehalten sein.

Die vorgeschlagenen Änderungen zur Abstimmung waren gezielt darauf ausgerichtet, um sicherzustellen, dass die drei Sektionen, welche den „Neubeginn“ der IAA herbeiführen wollten, die Organisation kontrollieren könnten. Damit hätte der „Neubeginn“ der IAA nur mit den Stimmen dieser drei größeren Sektionen beschlossen werden können, ohne die Meinungen der Mehrheit der Sektionen zu berücksichtigen. Dabei handelte es sich um die spanische CNT, die italienische USI und die deutsche FAU.

In defense of the IWA - a federation since 1922

Die USI in Italien war seit Jahren umstritten, weil sie sich an Betriebsratswahlen beteiligt, die in Italien RSU heißen. Offensichtlich handelt es sich dabei um einen Verstoß gegen den Grundsatz der direkten Aktion als Kampfmethode der Arbeiter*klasse. Die USI akzeptierte also die Delegation des Kampfes an Betreibsräte, vertikale Körperschaften und Vermittler*innen, welche den Konflikt zwischen Arbeiter*innen und Chefs verwässern und ausbremsen. Sie helfen dabei, die Möglichkeit der Arbeiter*innen selbst zu entscheiden und für sich zu kämpfen stattdessen in die Hände einer Betriebsbürokratie zu legen, welche vom Staat und den Arbeitgeber*verbänden unterstützt wurde bzw. wird.

Die FAU hingegen war jahrelang nicht bereit gewesen, die Beschlüsse der IAA zu internationalen Kontakten zu respektieren. Hinter dem Rücken anderer Sektionen hat sie Gewerkschaften unterstützt, welche eindeutig gegen den Anarchosyndikalismus gerichtet sind. Es handelte sich dabei um Organisationen mit vertikalen inneren Strukturen, welche mit politischen Parteien verbunden waren und staatliche Fördergelder bekommen haben. Schließlich hat die FAU sogar Gewerkschaften unterstützt, die offen gegen einige IAA-Sektionen vorgegangen sind.

Innerhalb der CNT in Spanien war zu dieser Zeit eine Fraktion entstanden, welche die interne Vorgehensweise von den anarchistischen Grundsätzen abbringen wollte. Auf dem Landeskongress der spanischen CNT in Cordoba 2010 gelang es dieser Fraktion, die Komitees mit erheblicher Macht auszustatten. Die Folge davon war die Umwandlung einer horizontalen, gleichberechtigten Organisation in eine mit tief verankerter, autoritärer Führung. Das Verschwinden der internen Horizontalität löste eine Reihe massiver Säuberungen aus, welche dutzende lokale Gewerkschaften betraf, die gegen den neuen autoritären Kurs protestierten oder daran Kritik äußerten [siehe https://anarchosyndikalismus.blackblogs.org/2021/03/14/cnt-iaa-trotz-wind-und-wetter/].


Jene, die wagten den absoluten Mangel an Transparenz bei der Finanzierung der Komitees zu kritisieren, wurden ausgeschlossen. Und dieses Fehlen von Transparenz führte dann zu weiteren Unterschlagungen, für die bisher kein Sekretariat zur Verantwortung gezogen wurde. Alle, die in der Organisation gegen die Einführung von bezahlten Funktionär*innen und die Annäherung an politische Parteien protestierten, wurden ebenfalls ausgeschlossen. Die Türen der Komitees wurden stattdessen geöffnet für Berufspolitiker*innen und sogar Arbeitgeber*innen. All dies ermöglichte einen Abkehr vom Anarchosyndikalismus und von anarchistischen Wertvorstellungen hin zu einem neutralen, reformistischen und sozialdemokratischen Syndikalismus. Und dieser Wandel führte letztlich zur heutigen CNT-CIT.

Denn nachdem alle ihre Anträge von der IAA abgelehnt worden waren, beschlossen diese drei Sektionen eine Spaltung der Internationale voranzutreiben. Doch diese Abspaltung war noch nicht mal von den Mitgliedern innerhalb dieser Sektionen diskutiert worden. Daraufhin riefen die spanische CNT, die USI und die FAU zu einer internationalen Konferenz auf, die schließlich im spanischen Barakaldo stattfand, um die Abspaltung von der IAA zu planen. Anstatt es einen Versuch zu Spaltung der IAA zu nennen, hieß diese nun „Konferenz für einen Neubeginn der IAA“. Solch ein „Neustart“ war jedoch niemals auf einem der offiziellen Kongresse der Internationale beschlossen oder auch nur diskutiert worden.
Zu diesem Zeitpunkt veröffentlichte das IAA-Sekretariat eine Erklärung mit dem Titel „Missverständnisse über die Spaltungskonferenz“

In dieser Stellungnahme wurde klargestellt, dass jene Konferenz entgegen der Statuten und Beschlüsse von IAA-Kongressen stattfand. Diese Konferenz wurde also nicht von der IAA oder auf Grundlage einer ihrer internationalen Vereinbarungen durchgeführt.

An dieser Konferenz nahmen teil: USI, FAU, IP (Polen), ESE (Griechenland), die spanische CNT, die französische CNT, FORA (Argentinien) und Rocinante (Griechenland). Die IWW aus den USA, GB und Deutschland waren als Beobachter*innen dabei. Es wuren jedoch nicht die vollberechtigten Mitglieder der IAA eingeladen, sondern andere Organisationen, welche ihr nicht angehören, womit beabsichtigt wurde, diese an der Abspaltung teilnehmen zu lassen. Sie haben also einen „Neubeginn“ der IAA hinter dem Rücken der IAA veranstaltet.

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Frankreich: Massenproteste gegen Rentenreform

Seit Monaten ist die Bevölkerung in unserem Nachbarland Frankreich auf den Straßen gegen die neolliberale Anhebung des Rentenalters auf 64 Jahre, die von der Regierung Macron mittels eines umstrittenen Haushaltsdekrets (§ 49.3) am Parlament vorbei autoritär durchgesetzt wurde.

Auch die Basisgewerkschaft CNT-IAA beteiligt sich an diesen massenhaften Protesten, unter anderem an den zahlreichen seit Herbst 2022 organisierten Aktionstagen. Dabei kritisieren die Anarchosyndikalist*innen nicht nur die Führungsrolle der reformistischen Parteien und Gewerkschaftsbürokratien bei solchen symbolischen Großdemonstrationen. Sondern sie haben auch vorgeschlagen, dass die Arbeiter*innen sich mehr auf Widerstandsformen durch direkte Aktionen konzentrieren solle, wie sie von den Gelbwesten (Gilets Jaunes) weiterhin bei Straßenblockaden, Platzbesetzungen und Flashmobs angewendet werden. Doch die CNT-IAA betont ebenfalls, dass hierzu eine Selbstbestimmung der aktivistischen Basis benötigt wird, die sich in öffentlichen Vollversammlungen und durch mandatierte Delegierte autonom organisiert.


Auch beim zehnten Aktionstag des offiziellen Gewerkschaftsbündnisses, der am 28.03. in zahlreichen Städten der französischen Republik stattfindet, werden wieder Großdemonstrationen und Massenproteste erwartet, die spätestens in den Abendstunden meist in weitläufige Straßenschlachten mit brennenden Barrikaden übergehen.

Denn immer wieder greifen die Herrschenden die sozialen Massenbewegungen mit massiver Polizeibrutalität an, wobei nicht nur durch die Schlagstöcke der Sicherheitskräfte, sondern auch durch deren Einsatz von Kriegswaffen (wie Blend- und Sprengranaten, sowie Tränengas) regelmäßig lebengefährliche Kopf- und Handverletzungen verursacht werden.

Trotzdem lassen sich Millionen Menschen seit Monaten nicht von ihrem Protest gegen die autoritäre Sparpolitik abhalten und leisten mit branchenübergreifenden Streiks, Sabotageaktionen und (Hoch-)Schulbesetzungen, sowie Blockaden von Treibstoffdepots, Raffinerien und Einkaufszentren erbitteren Widerstand gegen die unbeliebte Regierung. Denn der kapitalfreundliche Präsident war eigentlich nur an die Macht gekommen, weil ein Großteil der Französ*innen 2017 verhindert hat, dass seine rechtspopulistische Mitbewerberin Le Pen vom Rassemblement National (RN) an die Macht kommt.

Die neolioberale Regierung seiner Partei La République En Marche (jetzt: Renaissance) steht seit des Gelbwesten-Aufstands 2018 unter dem Druck einer anhaltenden sozialen Widerstandsbewegung. Und Macron konnte seine Sparpläne bisher nur eingeschränkt durchsetzen und musste bereits Zugeständnisse durch Mindestlohnerhöhung und Steuersenkung machen.

Die aktuelle Anhebung des Rentenalters verteidigt er nun als „nationale Aufgabe“ angesichts der demographischen Entwicklung. Doch die unzufriedene Bevölkerung wird der verhasste Präsident damit nicht auf Verzicht einstimmen können, schließlich droht vielen Arbeiter*innen nicht nur eine Verlängerung der lebenslangen Lohnarbeit um weitere zwei Jahre, sondern angesichts inflationär steigender Preise auch eine prekäre Altersarmut.

Hinzu kommen angesichts steigender Unternehmensprofite immer mehr Proteste, beispielsweise gegen die ausgrenzende Migrationspolitik, Privatisierung der Gesundheitsversorgung, Einsparungen im Bildungssystem und Arbeitszwang für Erwerbslose. Gleichzeitig finden auch Massenproteste einer kämpferischen (und von einigen Gewerkschaften unterstützten) Klimaschutz-Bewegung statt, wie kürzlich gegen die riesigen Wasserspeicher der landwirtschaftlichen Großindustrie, bei der am 26.03. in Sainte-Soline mehrere Demonstrant*innen von den Beamt*innen lebensgefährlich verletzt wurden. Kein Wunder, dass die Stimmung in der französischen Bevölkerung derzeit in Richtung eines Generalstreiks für einen ebenso sozialen, wie ökologischen Wandel in Regierung und Wirtschaft geht.

Mehr Infos zur CNTf-IAA:

http://cnt-ait.info
http://www.cntaittoulouse.lautre.net

Pakistan: Aktivitäten der WSF-IAA

Nach der massiven Flutkatastrophe im Sommer 2022 hatte die anarchosyndikalistische Workers‘ Solidarity Federation (WSF) mit Unterstützung von Genoss*innen aus aller Welt eine Spendenkampagne mit Lebensmitteln und Trinkwasser für die von der Regierung vernachlässigte, obdachlos gewordene und hungernde Bevölkerung durchgeführt.

Im der Folgezeit haben sie sich an lokalen Aktivitäten beteiligt, beispielsweise an einem Camp für die vermissten Personen, die vom pakistanischen Staat verschleppt wurden. Zudem haben sie eine örtliche Gewerkschaft bei deren Organisierung gegen die Arbeitgeber*innen unterstützt.

Im Herbst 2022 haben sie sich an dem ersten „Moorat-March“ für Transgender-Rechte und gegen islamistische Hetze beteiligt, sowie Solidaritätsaktionen für den feministischen Aufstand im Iran nach der Ermordung von Jina Mahsa Amini organisiert. Aber auch eine Gedenkfeier am 20. Todestag des anarchistischen Dichters Jaun Elia haben sie veranstaltet, die von zahlreichen Gewerkschafter*innen und Studierenden besucht wurde.

Foto: WSF-IAA (https://twitter.com/WorkersSolidar1)

Außerdem haben sie ein Seminar durchgeführt, bei dem sie nach dem Bombenanschlag Ende Januar in Peshawar (mit über 30 Toten und 130 Verwundeten) ihre Ablehung der staatsreligiösen und Taliban-freundlichen Politik der Islamischen Republik Pakistan deutlich gemacht haben.

Am 23.02.2023 haben sie in der Metropole Karatschi gegen den brutalen Mord an einer dreiköpfigen Familie durch einen Minister der Provinz Belutschistan protestiert, der zuhause ein privates Foltergefängis betrieben hat. Viele Anwohner*innen beteiligten sich an der Kundgebung, bei der Parolen gegen die Militär- und Parteiführung gerufen wurden. Außerdem wurde die Festnahme des Verantwortlichen gefordert, der Ende Februar inhaftiert worden ist.



Im Dezember 2022 berichtete ein Delegierter der WSF auf dem 28. Kongress der Internationalen Arbeiter*innen-Assoziation (IAA) in Alcoy/Spanien bei einem kurzen Video-Interview auch über die Publikationstätigkeit der WSF. Sie übersetzen anarchistische und anarchosyndikalistische Literatur in Urdu und Paschtu, um sie in dem muslimisch geprägten Land zu veröffentlichen. Bisher haben sie vor allem klassische Texte von Emma Goldman und Rudolf Rocker herausgegeben, aber auch ein Buch von Nicolas Walter. Demnächst bekommen sie auch den Nachdruck des ersten Originaltextes über Anarchismus in Südasien.

Russland: Spontaner Massenwiderstand gegen Mobilmachung

Folgende Informationen hat die französische Solidaritätsinitiative „Olga Taratuta“ auf Grundlage von Berichten der russischen KRAS-IAA zusammengestellt:

Wir haben zuvor über den Widerstand der ukrainischen Bevölkerung gegen die Mobilmachung zum russisch-ukrainischen imperialistischen Militärkonflikt berichtet, welche in weiten Teilen der Bevölkerung zu schlaflosen Nächten geführt hat, sowie die Flucht der Wehrpflichtigen und die Ansprache der zum Militärdienst erfasssten Personen und ihrer Familien usw. Nachdem der Kreml am 21.09. angekündigt hatte, dass sie zur Armee eingezogen werden sollen, brachen in Russland zahlreiche ähnliche Protestdemonstrationen aus. Viele Menschen wollen nicht für das Machtstreben und die Gewinne der herrschenden Klasse töten oder getötet werden.

Die häufigste Reaktion der russischen Bürger war die Flucht ins Ausland. Bereits in den ersten vier Tagen haben mehr als 260.000 Männer das Land verlassen. Riesige Warteschlangen bildeten sich an den Grenzübergängen. Die Bewohner*innen Russlands profitieren von der Tatsache, dass es (im Gegensatz zur Situation der Wehrpflichtigen in der Ukraine) noch nicht verboten ist, ins Ausland zu reisen. Obwohl die Grenzbehörden offenbar versuchen, ihnen alle möglichen Hindernisse in den Weg zu legen und ihnen vor dem Grenzübertritt noch die Einberufungsbefehle auszuhändigen.

Darüber hinaus haben sich die Staaten (auch die gegeneinander Krieg führen) sehr schnell darauf geeinigt, dass Kriegsdienstverweigerer*innen und Deserteur*innen in jedem Land als gefährliche und potenziell subversive Elemente angesehen werden. Auch die EU-Kommissarin für Migration, Inneres und Bürgerschaft, Ylva Johansson hat sich in diesem Sinne geäußert. Die baltischen Staaten haben offen angekündigt, dass sie die russischen Bürger*innen, die sich der Einberufung entziehen wollen, nicht in ihr Land einreisen lassen werden.

Um die massenhafte Flucht vor Mobilmachung und Dienstverpflichtung zu verhindern, verstärken die russischen Behörden die repressiven Gesetze weiter. Es wurden Änderungen des Strafgesetzbuches vorgenommen, wonach man jetzt bis zu 10 Jahre Gefängnis riskiert, wenn man eine Armee-Einheit verlässt oder sich nicht zum Militärdienst meldet und während des Kriegsrechts dem Befehl des Kommandanten nicht Folge leistet. Überall wird den Leuten die Einberufung zugestellt, sogar auf öffentlichen Plätzen.

Als direkte Reaktion auf die Ankündigung der Mobilmachung brachen in Russland Demonstrationen, Versammlungen und andere Proteste in einer ungeahnten Größenordnung aus. Solche Aktionen waren seit dem Frühling nicht mehr zu sehen gewesen, bevor sie von heftiger Repression zerschlagen worden waren.

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Anarchosyndikalismus international, Nr.20, Sommer 2022

Newsletter des ASN Köln

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+++ Gewerkschaftsinfos aus aller Welt +++

PAKISTAN: Hilfsaktion für Flutopfer

ÖSTERREICH: Union-Busting beim Cafe Gagarin

ÖSTERREICH: Arbeitskämpfe in Wiener Bäckerei und Cafe

ÖSTERREICH: 1.Mai – Internationalismus in Aktion

INTERNATIONAL: IAA-Erklärung zum Ersten Mai 2022

SPANIEN: Antimilitaristische Demo in Madrid

RUSSLAND: Über prinzipienvergessene„Anarchist*innen“

RUSSLAND: Unterstützung für inhaftierte Kriegsgegner*innen

AUSTRALIEN: Gegen Entlassungen in Sri Lanka

FRANKREICH: Protest am Campingplatz

FRANKREICH: Anarchosyndikalismus und Klimawandel

INTERNATIONAL: 28. IAA-Kongress in Alcoy geplant

+++ LOKALE INFOS +++

GESUNDHEITSSCHUTZ: Arbeitssicherheit bei Hitze und Sonne

Titel: Anarchosyndikalismus international - Nr.20 - Sommer 2022 (ASN Köln)

CreativeCommons: BY-NC (ASN Köln)