Coronavirus und der Zusammenbruch des Neoliberalismus

Trotz aller Unterschiede, wie die verschiedenen nationalen Regierungen auf den Ausbruch von Covid-19 (Coronavirus) reagiert haben, so ist ihnen doch gemeinsam, dass ihr Verteidigung der ultra-neoliberalen Politik anfängt brüchig zu werden. Das bedeutet in Bezug auf das Vereinigte Königreich (UK), dass eine Verschiebung stattfindet vom bisherigen obersten Ziel einer Unterstützung der Wirtschaft hin zu einer Ankündigung, sich um den Gesundheitsschutz der Bevölkerung zu kümmern. Die Vorstellung, dass der Staat nicht in die Finanzwirtschaft eingreifen darf, wurde damit praktisch über Bord geworfen.

Sogar die am stärksten ideologischen und inbrünstigsten Verteidiger*innen eines minimalen „Nachtwächterstaates“ mussten angesichts der sich anbahnenden Katastrophe nachgeben, die sogar das Ende des Marktkapitalismus bedeuten könnte. Da wir als Anarchosyndikalist*innen einen Minimalstaat nicht befürworten – denn der Staat sollte abgeschafft werden – haben wir stets eine solche Politik kritisiert. Immer haben wir betont, dass das Nationale Gesundheitssystem (NHS) besser mit öffentlichen Geldern ausgestattet werden sollte, ebenso die Eisenbahnen und das Bildungsystem. Denn dies sind Bereiche unserer Gesellschaft, die das Leben verbessern und nicht nur den Reichen dienen.

Jetzt wo ein möglicher Zusammenbruch der Fluggesellschaften bevorsteht, das öffentliche Gesundheitssystem einer enormen Belastung ausgesetzt ist und viele Unternehmen vor dem Aus stehen, wird das Laissez-faireModell der „unsichbaren Hand des Marktes“, das es Einigen erlaubt reich zu werden und Viele ins Elend stürzt, schleunigst überarbeitet. Riesige Geldberge wachsen in den Himmel, obwohl die konservative Partei (Tories) seit Jahren behaupten, dass es nicht mehr gibt, wordurch nun große und kleine Firmen hohe Summen zur Unterstützung bekommen können.

Aber die Frage ist: Wie sollen die Arbeiter*innen und ihre Familien im Vereinigten Königreich über die Runden kommen? Wie kann der Gesundheitsdienst angesichts der Krise weiterarbeiten? Es wird deutlich erkennbar, dass ein Jahrzehnt der Sparmaßnahmen und Kürzungen seine Spuren hinterlassen hat. Die Tories haben wortwörtlich unsere Gesundheit und unser Wohlergehen verzockt. Alle, die den Brexit und eine Rückkehr zur „Britischen Souveränität“ fordern, könnten nun vielleicht ohne (ausländische) Pfleger*innen und Ärzte dastehen, die sie in den Krankenhäusern und Arzt*praxen versorgen.

Wir fordern:
1) Angemessene Ausstattung des Gesundheitsdienstes und ordentlichen Schutz für Gesundheitsarbeiter*innen
2) Beschlagnahmung privater Krankenhäuser und Betten für Coronavirus-Patient*innen, ohne daß der NHS für diese Einrichtungen „Miete“ zahlen muss
3) Entschädigung für Arbeiter*innen, die durch das Virus von Entlassungen oder Einkommenverlusten betroffen sind, sowie vorläufig tatsächlich auskömmliche Löhne
4) Kostenlose Tests für Leute, die sich von dem Virus infiziert fühlen
5) Aussetzen aller Mieten und anderer Rechnungen

Boris Johnson und andere haben sogar eine Rückkehr zur „Blitz-Stimmung“ [antifaschistische Durchhalte-Parole aus dem 2. Weltkrieg] gefordert, wobei ein nationalistischer Auftrieb zeigen soll, dass die Brit*innen mit der Krise klarkommen werden. Gleichzeitig haben praktische Menschen angefangen lokale und landesweite Covid-19-Gruppen für gegenseitige Hilfe zu gründen, um die Älteren, Anfälligen, Bedürftigen und Kranken in der Gesellschaft zu versorgen. Das ist eine Antwort, die wir loben: wirklich soziale und gemeinschaftliche Solidarität unabhängig von rassistischen oder geschlechtlichen Zuschreibungen, von Familientyp oder Staatsbürgerschaft.

Seid nett zu euren Nachbar*innen, helft ihnen und
unterstützt Arbeiter*innen, die infolge des Virus nun Gefahren ausgesetzt sind.

Solidarity Federation Manchester, 20.03.2020

Quelle: http://www.solfed.org.uk/manchester/coronavirus-and-the-collapse-of-neo-liberalism
Übersetzung: Anarcho-Syndikalistisches Netzwerk – ASN Köln (CC:BY-NC)