Vor einigen Monaten wurde die erste freiheitilche Gewerkschaftsorgansiation in dem asiatischen Land gegründet, die „Anarcho-Syndikalistische Föderation Bangladesch“ (BASF).
Die Genoss*innen planen den Aufbau einer landesweiten Organisation mit Gewerkschaften in unterschiedlichen Branchen. Bisher liegt ihr Zentrum in der Region Sylhet, wo einige ihrer Aktivist*innen seit vielen Jahren die Tee-Arbeiter*innen organisieren. Das bedeutet, dass dies (jedenfalls zur Zeit) eine der wenigen anarchosyndikalistischen Organisationen ist, deren mögliche Basis aus Landarbeiter*innen besteht, anstatt aus Beschäftigten in anderen Produktions- oder Dienstleistungsindustrien. Jedoch möchte sich die Föderation nicht derart beschränken, sondern versucht auch Leute in anderen Bereichen zu organisieren.
Die BASF hat nun Anfang Juli 2018 eine Konferenz durchgeführt, zu der die IAA-Generalsekretärin aus Polen als Rednerin eingeladen war. Etwa 60 Leute nahmen daran Teil, die meisten davon waren Frauen, die in den Teefeldern arbeiten. Aber es kamen auch andere Leute, darunter Arbeiter*innen aus der Textilindustrie, aus Lagerhäusern, der Fahrzeugproduktion oder der Lebensmittelverarbeitung.
Die Arbeiter*innen in den Tee-Plantagen sind extremer Ausbeutung ausgesetzt und sie verdienen weniger als 1 Euro am Tag bei endlosen Stunden harter Arbeit in drückender Hitze. Meist arbeiten sie jeden Tag, da dies zu ihrem Überleben nötig ist, daher war es von großer Bedeutung, dass so viele Frauen an der Konferenz gekommen teilgenommen haben.
Als Hauptrednerin hat die IAA-Sekretärin Laure Akai versucht, ihnen die Ideen des Anarchosyndikalismus näher zu bringen. Sie sprach über das Wesen von Ausbeutung und Kapitalismus, sowie über die Notwendigkeit diese zu überwinden, um eine egalitäre Gesellschaft aufzubauen.
Doch es ging auch um konkretere Themen und um Organisierung als effektiven Widerstand gegen die Plantagen-Besitzer*innen. Auch wurde dargelegt, wie Unterstützung durch internationale Solidarität aussehen könnte – beispielsweise indem Druck auf die Eigentümer*innen ausgeübt wird, um die Verhältnisse vor Ort zu verbessern.
Solche Art Solidarität hatte bisher in Bangladesh tatsächlich schon konkrete Auswirkungen in Bezug auf die Bedingungen in der Textilindustrie gehabt. Doch die Lage ist immernoch unerträglich und wird auch nicht annehmbar werden, solange nicht das Elend der Lohnarbeit, welches den Leuten durch das Privateigentum aufgezwungen wird, nicht beendet worden ist.
Man braucht die Leute dort nicht davon zu überzeugen, dass die ihre Lebenslage höchst ungerecht ist oder dass sie ihre Chefs loswerden und ihre Sache selbst in die Hand nehmen sollen, damit es ihnen besser gehen wird. In solch gefestigten, landwirtschaftlichen Gemeinschaften, in denen die Menschen seit Jahrzehnten gemeinsam leben und arbeiten, gibt es ein ausgeprägtes Gefühl der Zusammengehörigkeit und Solidarität. Diese Leute wissen, dass es ihre Arbeitskraft ist, welche all den Reichtum in der Region hervorbringt, an dem sie sich jedoch leider nicht selbst erfreuen können. Die Themen der Konferenz wurden daher gut angenommen und ein anderer Genosse hielt eine weiterführende Rede.
In Bangladesh gibt es zwar keine wirklich anarchistische Tradition, aber eine starke kommunistische, der noch heute viele Leute anhängen. Da einige der Anwesenden früher [autoritäre] Kommunist*innen waren und solche Leute auch heute noch versuchen in der Gegend zu agitieren, dachten die Genoss*innen, dass es eine gute Idee wäre, auf die Unterschiede zwischen diesen Ideen einzugehen und vielleicht etwas über die Geschiche zu erzählen. Mit ihrer persönlichen Erfahrung in der Sowjetunion und dem Ostblock konnte die IAA-Sekretärin nicht nur etwas über die Geschichte der verratenen Revolution beitragen. Sie konnte darüber hinaus auch darlegen, wie Macht korrupt macht und wie sich der sogenannte „Kommunismus“ entwickelt hatte. Die Arbeiter*innen waren nicht überrascht als die erfuhren, dass viele der früheren pseudo-kommunistischen Eliten heute Privatisierungsfürsten, Oligarch*innen und Geschäftmogule geworden sind.
Im Anschluss an die öffentliche Konferenz gab es mit den Genoss*innen, die ihre Organsiation aufbauen wollen, noch weitere Diskussionen über verschiedene Themen. Sie teilten mit, dass sie mit der Konferenz sehr zufrieden seien und dass sie nächstes Mal etwas Größeres vorbereiten möchten, mit mehr Teilnehmer*innen und vielleicht auch mehr Redner*innen.
Die Sekretärin der Internationale bedankte sich bei den Genoss*innen für die Organisation der Veranstaltung und die Gastfreundschaft, vor allem bei dem Genossen Shihab für all die Hilfe bei der Übersetzung während der Konferenz. Aber in erster Linie möchte sie ihnen im Namen von vielen Genoss*innen in der IAA viel Glück beim Aufbau einer anarchosyndikalistischen Bewegung in dieser Region wünschen.
Quelle:
http://www.iwa-ait.org/content/first-anarchosyndicalist-conference-bangladesh
Übersetzung: Anarchosyndikalistisches Netzwerk – ASN Köln
CreativeCommons: BY-NC (anarchosyndikalismus.blogsport.de)
Siehe auch:
Bangladesch: Solidarität mit dem Kampf der Textilarbeiter*innen
http://anarchosyndikalismus.blogsport.de/2018/07/17/bangladesh-solidaritaet-mit-dem-kampf-der-textilarbeiterinnen/
Anarchosyndikalismus in Bangladesch
http://anarchosyndikalismus.blogsport.de/2018/06/18/anarchosyndikalismus-in-bangladesch/