Das moralische Problem der spanischen CNT und die anarchistische Ethik

Am 20. Februar 2018 wurde das erste von drei Gerichtsverfahren [auf Betreiben der CNT] zur Verhandlung gebracht. Solch ein Fall zeigt uns, wie schwach die ethischen Aspekte des Anarchismus in bestimmten Gegenden geworden sind. Und es zeigt auf, dass die Bewegung auf der Grundlage von Idealen neu belebt werden muss.

Die CNT in Spanien ist das Thema vieler Geschichtsbücher. Während dies einerseits höchst verdient ist und wir viel aus der Geschichte lernen können, gibt es andererseits Bestrebungen die historische Bewegung nur als Beispiel zu erhalten, ohne sich viel Gedanken über ihre Organisationsgeschichte der letzten 80 Jahre zu machen. Und es ist genau diese Geschichte, aus der viele ethische und organisatorische Fragen übernommen werden können, die für Anarchist*innen von Bedeutung sind – vor allem für jene, die eine anarchosyndikalistische Organisation anstreben.

Mit den Jahren hat die Organisation unter vielen Spaltungen zu leiden gehabt, die sich entlang verschiedener strategischer Fragen entwickelt hatten. Dies ist jedoch nichts Ungewöhnliches für die Geschichte sowohl von anarchistischen, wie auch von anderen revolutionären Bewegungen. Jede von ihnen ermöglicht den Einblick in die Themen, über die man sich getrennt hat – zum Beispiel ob es stellvertretende Formen der Gewerkschaftsarbeit anstelle von radikaleren und gleichberechtigten Herangehensweisen geben soll, oder nicht.

Oder Themen mit Bezug auf die Gesetzestreue (Legalismus). Die zentralen Themen, wie Legalismus, tauchen manchmal in verschiedenen Formen auf: wenn es zum Beispiel um die Unterstützung von Fraktionen geht, welche Enteignungen vornehmen, oder ob man sich davon distanziert. Oder auch bei der Frage nach einer offiziellen Anmeldung beim Staat. Unabhängig von der Form haben sich selbsternannte Anarchist*innen schon mehr als einmal gegen Anarchist*innen gewendet, die in ihrer Ablehnung des Staates weiter gehen. Oft finden sich solche Positionen unter den eher gesetzestreuen Mitgliedern, welche versuchen die konsequenteren Anarchist*innen an den Rand zu drängen.

In den letzten Jahren kam es zu mehreren Spaltungen, Ausschlüssen und Austritten aus dem Gewerkschaftsbund, der bisher als CNT-IAA [spanisch: CNT-AIT] bekannt war (und heute nur noch CNT heißt). Das hatte zu Folge, dass mehrere CNT-Föderationen unabhängig voneinander aktiv sind. So werden sich Besucher*innen in Barcelona wundern, dass der Buchladen mit dem Schild „CNT-AIT“ schon seit mehreren Jahrzehnten kein Mitglied der CNT-Föderation ist. Doch er behält seinen Namen und seine Identität, was anscheinend niemand anfechtet. Im Gegenteil, im Jahr 2010 wurde er eingeladen eine Zeitschrift und Veranstaltungen gemeinsam mit der damaligen CNT-IAA zu organisieren.

Die Tatsache, dass [in Barcelona] zwei Organisationen den selben Namen benutzen, scheint niemanden zu stören. Unter praktischen Gesichtspunkten kann das natürlich zu Verwirrungen führen. Doch jede Seite erkennt den Standpunt der anderen als gültig an. Ohne jetzt weiter auf die Geschichte der Spaltungen in Italien, Frankreich und sonstwo einzugehen, bleibt zu sagen, dass es in Spanien nun zahlreiche Organisationen gibt, welche sich CNT nennen. Das selbst gilt für Frankreich, auch wenn einige von denen sich in den Abkürzungen unterscheiden, wie die CNT-IAA oder die CNT-SO. Auf diese Art können alle mit etwas Geduld die Unterschiede der Organisationen kennen lernen.

Die Beschlüsse des XI. Kongresses der CNT [2015 in Saragossa] haben die Organisation in Spanien auf einen Weg fort von der IAA geführt, weshalb sie infolge dessen (und aus anderen Gründen) angekündigt hat, eine neue Internationale zu gründen. Daher ist die IAA zu der Überzeugung gekommen, dass die CNT einerseits ausgeschlossen wurde und andererseits selbst ausgetreten ist. Gleichzeitig haben mehrere Gewerkschaften sowohl innhalb wie außerhalb der CNT erklärt, dass sie weiterhin Teil der IAA sein möchten und daß die Beschlüsse des XI. Kongresses gegen die Statuten verstoßen hatten. Jene Gewerkschaften, die wegen der Beschlüsse dieses Kongresses ausgetreten waren, haben sich jetzt mit jenen zusammengeschlossen, die bereits vorher ihre Mitgliedschaft aufgekündigt hatten, um nun als CNT-IAA weiter zu bestehen.

Da die in Bilbao ansässige CNT-Fraktion aber hochgradig gesetzestreu ist, war zu befürchten, dass sie darauf mit Gerichtsverfahren antworten würde, anstatt die Probleme aus der Welt zu schaffen. Tatsächlich beruhen viele der Konklikte, welche zu dieser Situaton geführt haben, auf dieser Einstellung. Jahrelang wurde in der Organisation Mobbing betrieben anstelle von Problemlösung und Kompromissen. Daher mussten letztlich die IAA-Sektionen darüber entscheiden, dass das Sekretariat berechtigt wurde, auf gesetzlichem Wege die Föderation und ihre Organisationen zu verteidigen.

Wohlgemerkt bedeutet dies Verteidigung gegen solche rechtlichen Angriffe, wie sie die CNT in die Wege geleitet hat. Aber dies ist nicht gegen andere gerichtet, so dass die FORA [in Argentinien], welche die IAA verlassen hat, weiterhin in ihren Veröffentlichungen so tun kann als wäre sie noch dabei. Mitglieder der IAA-Sektionen steht es frei, dies zu kommentieren, es anzuprangern oder zu ignorieren, denn es gibt keinen gemeinsamen Ansatz, um mit solch einem Verhalten umzugehen. Doch eines steht fest: Als Anarchist*innen haben wir noch nie das Gefühl gehabt, dass der Staat bzw. der Gerichtssaal der richtige Ort ist, um unsere Auseinandersetzungen zu führen.

Die CNT mit Sitz in Bilbao hat nun rechtliche Klagen gegen drei Gewerkschaften der CNT-IAA aus La Safor, La Plana und Castellon eingereicht. Man mag sich wundern, warum ausgerechnet diese drei Gewerkschaften ausgesucht wurden und warum nicht die gesamte CNT-IAA. Oder die CNT in Barcelona, die seit Jahrzehnten kein Mitglied mehr ist. Oder jede andere der CNT-Gruppen, die über das gesamte Land verteilt sind, darunter auch solche, die keiner Föderation angehören. Warum also genau diese drei?

Bedauerlicherweise lässt sich darüber nur spekulieren, doch angesichts der Vorgehensweise der CNT in den letzten 7-8 Jahren liegen Vermutungen nahe. Seitdem sie ihre Säuberungswelle mit der Gewerkschaft in Mortil begonnen haben, war es ihre Taktik, die schwächsten Organisationen zuerst anzugreifen. Um jene zu zerschlagen, die sich am wenigsten verteidigen konnten oder die die ihrer Ansicht nach mit der wenigsten Unterstützung rechnen konnten. Und tatsächlich ist es so gekommen. Sie haben nicht mit den größten Syndikaten angefangen, deren Kritik und deren Rolle
bei der Wiedererlangung des historischen Erbes der CNT-IAA ohne Zweifel schwerer wiegt. Nein, sie haben zuerst die kleinsten Gewerkschaften angegriffen, von denen niemand bisher etwas gehört hat. Und um die man sich wahrscheinlich nicht kümmern wird – oder noch schlimmer: Jene gegenüber denen man voreingenommen oder respektlos ist, wenn man auch zu den Leuten gehört, welche die Schwachen eigentlich hassen.

Es stimmt: Unsere Ethik sagt, dass wir die Schwachen gegen die Mächtigen verteidigen. Doch die ideologische Kehrtwende, welche in der CNT (und offensichtlich auch woanders) vorherrscht, bedeutet nun die Mächtigen zu unterstützen – oder die Gegen-Mächtigen, wem das lieber ist. Jene, die irgendwie größer sind, werden als besser angesehen. Oder im Recht, ohne eine genauere Untersuchung. Mitläufertum und Lust auf Gegenmacht haben die anarchistische Ethik ersetzt.

Wenn eine Organisation aus allen möglichen Leuten besteht – von Bolschewiki bis Anarchist*innen – dann ist klar, dass es immer eine Bedrohung der anarchistischen Ethik geben wird. Doch die Tragik besteht darin, wenn die anarchistischen Ideale durch andere ersetzt werden.

Innerhalb der CNT gibt es kein besseres Beispiel als die absolut ungleiche Bewertung der verschiedenen Gewerkschaften rein auf Grundlage ihrer Größe (und damit ihres wirtschaftlichen Beitrags zur Organsation). Einige Syndikate aus Andalusien wurden unter höchst umstrittenen Bedingungen rausgeschmissen von anderen Gewerkschaften, welche offen gesagt einen recht autoritär-reformistischen Syndikalismus vertreten und gegen mehrere wichtige Punkte der Statuten verstoßen haben. Daraufhin hatten viele Gewerkschaften aus Solidarität und anarchistischer Ethik einfach weiterhin Kontakt zu jenen gehalten und weiterhin gemeinsame Solidaritätaktionen mit ihnen durchgeführt. So kam es dazu, dass gegen vier Syndikate der CNT Andalusien ein Ausschluss beantragt wurde, deren Vergehen es war als Organisator*innen einer Aktion aufgelistet gewesen zu sein. Die beiden kleineren wurden rausgeworfen, den beiden größeren wurde erlaubt zu bleiben – mit der Begründung, daß sie „groß“ seien.

Überflüssig zu erwähnen, dass diese Syndikate nicht mehr den Wunsch hatten, in solch einer Organisation zu bleiben, weshalb sie sich nun der CNT-IAA angeschlossen haben und nicht der CNT. Entgegen ihrer Rolle in der CNT-IAA wurden sie jedoch nicht von der CNT verklagt, wahrscheinlich aus dem selben Grund, wie bereits genannt.

Die CNT-IAA ist eine Föderation gleichberechtigter Mitglieder. Als Anarchist*innen halten wir dies für den am besten gangbaren Weg, um miteinander umzugehen. Wir können nicht jenen Macht geben, die bereits mächtiger sind aufgrund einiger zufälliger Bedingungen, wie z.B. woher ein*e Genoss*in kommt. Die alte CNT-IAA (vor 2010) war eine Föderation, die man in ganz Spanien antreffen konnte, sogar in den hintersten Ecken des Landes. In den Kleinstädten von Landkreisen, wie La Safor oder La Plana, wo in dutzenden Ortschaften zusammen nur rund 150.000 Leute leben, versuchen Gruppen von Genoss*innen den Anarchosyndikalismus zu verbreiten und die Tradition am Leben zu erhalten. An einigen Kleinstädten sind sie die einzig erkennbare soziale Bewegung vor Ort. Es ist klar, dass man in einer Stadt mit 50.000 Einwohner*innen sich nicht auf die gleiche Art organisieren kann, wie in einer Großstadt mit 2 oder 3 Millionen.

Dies war auch der Fall bei der ehemaligen CNT-Region Levante, von der viele Syndikate nun in der CNT-IAA sind. Jene Strömungen in der CNT, die sich auf dem proportionalen Stimmschlüssel ausruhen, haben die Abstimmungen und die Macht auf wenige Großstädte konzentriert. Kleine informelle Gruppen von hierarchisch-denkenden Aktivist*innen in diesen Großstädten sind seit langem bekannt dafür, dass sie Leute aus den kleineren Gewerkschaften missachten und nicht respektieren, weshalb sie zwischen sich und ihnen einen großen Graben gezogen haben.

Das Problem wurde noch schlimmer durch die Versuche, die kleinen Syndikate aus der CNT zu drängen, indem unter anderem das Mindestmaß an Mitgliedern angehoben wurde. Örtliche Gewerkschaften mit einem Dutzend überzeugter Aktivist*innen aus einer Kleinstadt sollten nun den Gewerkschaften in den größeren urbanen Zentren beitreten und dorthin fahren, um mitzumachen. Die lokale Selbstbestimmung wurde unterlaufen und die tatsächlichen Möglichkeiten in wenigen Händen versammelt bzw. bei denen mit dem größten Einfluss in diesen Stadtzentren.

Dass die CNT diese kleinen Syndikate verfolgt, ist für mich keine Überraschung, denn sie hassen das „Kleine“, auch wenn die Größe dieser Gewerkschaften absolut angemessen für die jeweilige Ortschaft ist. Psychoanalytisch kann man darin nach tiefliegenden Gründen für diese Feindlichkei suchen. Ich würde darauf spekulieren, dass jene, die am meisten nach Gegenmacht streben, einfach alle hassen, die nicht ebenso darin aufgehen, wie sie selbst. Sie stellen sich selbst gerne als stark dar und ihr Ausschlachten der eigenen Organisation auf Kosten aller, die sie als schwach ansehen, ist ein Beweis gegenüber anderen um sie herum, dass sie „ernstzunehmen“ sind. Die ethischen Aspekte des Anarchismus, den Leuten mit verschiedenen Mitteln und Fähigkeiten Unterstützung zukommen zu lassen, sowie alle als gleichwertig und wichtig anzusehen, werden von dieser Denkweise komplett ausgelöscht.

Die CNT liebt außerdem das Legale. Tatsächlich hat sie beschlossen, dass alle Syndikate sich rechtlich eintragen lassen. Und alle Gewerkschaften, die sich geweigert haben sich beim Staat registrieren zu lassen, müssten raus. Da es ihnen nicht ausreicht, dass die CNT auf Landesebene einen rechtlichen Status hat, sollte die gesamte Organisation von der Föderation zu diesen Maßnahmen gezwungen werden. Unnötig zu erwähnen, dass einige Syndikate nicht den Wunsch hatten, sich beim Staat eintragen zu lassen und nun zu der wachsenden Zahl ehemaliger CNT-Gewerkschaften gerechnet werden.

Das oberste ethische Bedenken ist nun, dass das Gerichtsverfahren nicht nur von der CNT, sondern von der CNT und dem Staat eingeleitet wurde, da diese den Staat als Nebenkläger angefragt hat.

Weitere ethische Fragen betreffen den eigentlichen Text der Anklageschrift, z.B. gegen La Plana. Die CNT fordert 50.001 Euro Schadensersatz von diesem Syndikat, doch es scheint, dass der hautpsächliche „Schaden“ darin besteht, dass die Gewekschaft in La Plana einige CNT-kritische Texte veröffentlicht hat.

Der Fall soll nicht nur versuchen La Plana davon abzubringen sich weiterhin CNT zu nennen. Denn technisch gesehen sind sie in der CNT-IAA, einer anderen Föderation, weshalb die CNT kein Recht hat dies einzufordern. Eines der Argumente besteht darin, dass das Syndikat in La Plana angeblich die Rechte der CNT einschränken würde, indem sie sie als „reformistische” „Spalter*innen” bezeichnet und ihre moralische Widersprüchlichkeit angesprochen hat.

Tatsächlich regt mich der letzte Punkt besonders auf: Nach dutzenden „Geschichten”, die von Mitgliedern dieser Machtclique unter Pseudonymen veröffentlicht wurden, wobei es sich nicht nur um negative Meinungen, sondern um handfeste Lügen handelte, wird die Gewerkschaft von La Plana nur verklagt, weil sie unter anderem von Reformismus und Korruption in der CNT gesprochen hat.

Von moralischer Übereinstimmung sprechen

Natürlich stimmt es, dass diese ganze Situation zum Himmel stinkt. So sollten wir die Dinge nicht handhaben und es ist – besonders für mich – extrem enttäuschend, diese Vorgänge mit ansehen zu müssen. Doch so etwas kommt dabei heraus, wenn Organisationen keinen Weg finden sich auszusöhnen und stattdessen Machtkämpfe eröffnen. Wenn ich die Lage betrachte, wird mir nach einigen Jahren klar, dass dieser Kampf von bestimmten Typen von Personen in die CNT getragen wurde: Jene, die in eine bestimmte Richtung gehen und sich als Gewerkschaftsvertreter*innen aufstellen lassen wollen.

Jene, die die Stimmen von passiven Mitgliedern beeinflussen oder kontrollieren wollen, die sie rekrutiert und als Machtbasis innerhalb der Syndikate aufgebaut haben. Jene, die ein Interesse daran haben, Gewerkschaften und Mitglieder loszuwerden, welche jahrzehntelang aktiv waren, indem sie dafür bestraft werden, dies auf ihre Art zu tun, nämlich wie es die CNT vor Jahrzehnten beschlossen hatte. Oder alle, die als erstes ihre Stimme erheben, wenn etwas schiefläuft oder jemand seine Position ausnutzt – im Gegensatz zu jenen, die nur ihre Beiträge zahlen, um Zugang zu Arbeitsrechtsanwält*innen zu bekommen und sich nie am gewerksschaftlichen Leben beteiligt haben.

Ich bin kein großer Fan von Gerichten und deren angeblicher Rechtsprechung, besonders da es sich oft um ein gesetzliches Recht handelt, das mit unseren Ideen nichts zu tun hat. Wird das Gericht nur die Sichtweise des Staates bestätigen? Was ist mit Tatsachen, wie zunächst den statutenwidrigen Ausschluss von La Plata, durch den die gesamte Region Levante rausgeworfen wurde, da Valencia es nicht geschafft hatte, die Syndikate der Region statutengemäß loszuwerden? Sie haben diesen Plan entworfen, um gemeinsam mit ihren Unterstützer*innen die gesamte Region auszuschließen, um am nächsten Tag dann Valencia und ein paar ihnen wohlgesonnene Kleingruppen wieder aufzunehmen. Das war ein klarer Verstoß gegen die Statuten, doch diese Dinge werden von den aktuellen Mitgliedern der CNT sehr flexibel gehandhabt.

Wie sich herausgestellt hat, werden nun jene, die die CNT nicht verklagt haben, obwohl sie dazu jedes Recht gehabt hätten, nun von jener Organisation vor Gericht gezerrt, die keine Skupel hat, solche Mittel einzusetzen. Das ist ein tatsächliches Problem der anarchistischen Ethik: Jene, die ihr folgen, könnten sich vor Gericht in einer noch schlechteren Position wiederfinden.

Die aktuelle Lage wird noch verschlimmert durch ein geringes Maß an Diskussion darüber und ein Festhalten an der Verklärung der fraglichen Organsiation als einer Art Verkörperung des Anarchismus. Wenn überhaupt, dann verkörpert sie die Probleme des Anarchismus beim Aufbau einer Massenorganisation. Denn sie hat eine lange Geschichte von Fehlentscheidungen, aus der die besten Genoss*innen der CNT-IAA seit Jahrzehnten versucht haben zu lernen und dagegen anzukämpfen.

Es scheint mir klar zu sein, dass sie ihre Entscheidungen wohl überlegt haben, trotz der offenen Bedrohung durch den Staat auf Betreiben der CNT-Bürokratie. Es schmerzt mitansehen zu müssen, wie diese Organisation zunehmend verfällt angesichts der Nadelstiche von skandalösen Geschichten von Machtmissbrauch und Korruption. Ich glaube nicht, dass es sich dabei um Einzelfälle handelt, sondern eher um die logsche Folge einer Organisation deren tatsächliche Anführer*innen alle verfolgen, die den Mund aufmachen. Im Anarchosyndikalismus sollte die Basis eigentlich jene kontrollieren, die ein Mandat übernommen haben.

Wie sollte ich darüber schweigen? Seit Jahren haben wir versucht ruhig zu bleiben und uns nur vorsichtig über diese Probleme zu äußern. Wir haben die Gewerkschaftsaktivitäten der CNT allgemein unterstützt und ich habe persönlich an dutzenden Soldiaritätsaktionen teilgenommen für Syndikate, die die IAA um Hilfe gebeten und sie später angegriffen haben. Wir haben Diskussionen innerhalb der IAA angeregt, doch stattdessen haben die Organisationen nichts dazu gesagt und viele ihrer Anführer*innen haben hingegen Intrigen gesponnen und auf verschiedenen Ebenen ihre Aktionen durchgeführt. Am Ende hat das stalinistische Komittee der reformistischen und nationalistischen Strömung ihre Schauprozesse in ganz Spanien abgehalten, Genoss*innen über ihr Verhältnis zur IAA und anderen anarchosyndikalistischen Organisationen verhört, sowie die Gewerkschaftspost abgefangen.

Nicht nötig zu erwähnen, dass jetzt diese Typen den Nerv haben, mich – eine der Wenigen, die während der ganzen Geschichte alles namentlich unterzeichnet hat – einen „Troll“ zu nennen.

Es ist wirklich enttäuschend, dass ich nun miterleben muss, wie anonyme Personen, die schnelle Hassparolen absetzen, eine solche Rolle in der Gesellschaft spielen. Und dass sie Unterstützung bekommen von den Hetzer*innen mit kurzer Aufmerksamkeitsspanne. Was wir wirklich brauchen, sind Leute, die sich Zeit nehmen und nachdenken; die sich mehr darum sorgen, wie wir entsprechend der Ethik leben, die wir predigen. Doch es scheint mir nun, dass diese Ethik in der revolutionären Entwicklung zurückgestellt wird – und daraus kann nichts Gutes entstehen.

Laure Akai (18.02.2018)

Quelle:
https://newworldinourhearts.blogspot.com

Übersetzung: Anarchosyndikalistisches Netzwerk Köln
(CC: BY-NC, http://anarchosyndikalismus.blogsport.de)

Siehe auch:
„IAA: Zu den Angriffen auf die CNT-IAA“
http://anarchosyndikalismus.blogsport.de/2018/01/14/iaa-zu-den-angriffen-auf-die-cnt-ait/

Zur Verteidigung der IAA