Das Wiener Arbeiter*innen-Syndikat beteiligt sich an der Aktionswoche gegen nichtgezahlte Löhne der Internationalen Arbeiter*innen-Assoziation (IAA), in welcher sie als Freund*innen föderiert sind:
Das Nicht-Zahlen von Löhnen hat international System
Das Phänomen, daß FirmenbesitzerInnen und Chefs ihren Arbeiter*innen die Löhne aus mannigfaltigen Gründen vorenthalten, ist kein Schicksal. Es handelt sich auch nicht um ausnahmsweise unmenschliche Vorgesetzte oder UnternehmerInnen, sondern die Sache hat System. ArbeiterInnen haben in dieser Welt nichts außer ihrer Arbeitskraft zu verkaufen. Das kapitalistische System zwingt jedes Unternehmen dazu, noch mehr „einzusparen“, billiger zu produzieren oder dienstzuleisten, und noch mehr zu wachsen, damit im folgenden Jahr eben noch höhere Renditen erwirtschaftet werden.
Und dabei muß das Kapital halt teilweise auch „kreativ“ werden, … Löhne und Gehälter einfach nicht zu bezahlten oder vorzuenthalten, mit welchen Begründungen auch immer, ist eine dieser Methoden des Kapitals, die uns ArbeiterInnen weltweit betrifft! Daher hat die Internationale ArbeiterInnen-Assoziation (IAA), in der wir weltweit föderiert sind, beschlossen, die dritte Oktoberwoche zur Aktionswoche gegen unbezahlte Löhne auszurufen. Ein Ziel ist es, aufzuzeigen, daß wir weltweit vor den selben Problemen stehen. Ein Weiteres ist es, klarzumachen, daß organisierte ArbeiterInnen durchaus etwas gegen diesen strukturellen Lohnraub unternehmen können. Die Woche steht nämlich auch ganz im Zeichen der möglichen Handlungsformen, die sich uns HacklerInnen bieten, um uns die Nichtbezahlung eben nicht gefallen zu lassen, und dem Wahnsinn kollektive Aktionen, die so direkt wie möglich sein sollten, entgegenzusetzen.
Wir vom WAS haben uns den Fall eines Genossen ausgesucht, den wir diesbezüglich öffentlich vorstellen, der wirklich höchst exemplarisch für die momentane Verfasstheit unseres weltweiten Wirtschaftssystems steht. Unser Freund aus Spanien ist IT-Techniker, und wurde von einer kleinen Wiener Bude angeworben. Was wurde ihm nicht alles versprochen oder zumindest in Aussicht gestellt. Und selbständig sollte er sein, der Genosse aus Spanien. Nur drei Tage in Wien, bei einem bekannten IT-Konzern im Büro sitzen, und vier Tage in der Woche aus Spanien, oder sonstwo.
In Wien angekommen, wurde nach kurzer Zeit immer klarer, daß es sich um einen stinknormalen Job handelt, der angemeldet sein müßte. Unser Genosse hat dies auch in Aussicht gestellt bekommen. Nachdem sich aber längere Zeit nichts in diese Richtung bewegt hat, hat er glücklicherweise im Dezember 2019 die Notbremse gezogen, und das Dienstverhältnis noch in der Probezeit gelöst.
Der Arbeitgeber aus Wien hat seitdem auf stur geschalten, und verweigert jegliche Anmeldung und Bezahlung der bereits geleisteten Arbeit. Womit er aber nicht gerechnet hat sind Basisgewerkschaften, die sich aufrichtig um ihre Mitglieder kümmern – gemeinsam, ohne Hierarchien und gleichberechtigt. Unser Genosse ist nämlich in Spanien Mitglied bei der CNT-AIT und somit über unsere Föderation auch Mitglied beim WAS.
Mit enormen Aufwand haben wir schließlich festgestellt, daß es insgesamt vier Ebenen an Subunternehmen gibt, die in den Verkauf der Arbeitskraft involviert sind. Außerdem kann es sich alleine schon aus arbeitsorganisatorischen Gründen, wie Nutzung des Laptops einer Firma in Wien, Büroarbeitsplatz in Wien, vorgegebene Büroarbeitszeiten usw., ausschließlich um eine unselbständige Erwerbstätigkeit gehandelt haben. Also ein Anstellungsverhältnis.
Die Firma Seamox aus Wien, eigentlich ein kleiner Fisch in dem ganzen Spiel, bietet jedoch hauptsächlich günstige Arbeitskräfte im Nearshoring an. Und diese „Günstigkeit“ muß irgendwoher kommen. Es stellt sich also die Frage, ob die Idee, österreichische Sozialversicherung und Steuern zu umgehen, das Geschäftsmodell selbst darstellt?
Als „Lösung“ empfehlen diverse Stellen dann immer Klagen bei Gerichten. Was natürlich für Menschen, die tausende Kilometer entfernt leben, und kein Deutsch sprechen, nicht machbar ist, besonders wenn sie nicht über größere Rücklagen verfügen.
Aber wir AnarchosyndikalistInnen haben eben auch andere Methoden. Öffentlichkeit schaffen für die Zustände unserer Wirtschaft, ist eine davon. Öffentlichkeit schaffen für spezielle Firmen, wie Seamox, die sich seit bald zehn Monaten weigern, eine korrekte Anstellung vorzunehmen, ist eine Andere. In Tradition der „Pickets“ stehen wir in Kaisermühlen, bei Seamox und konfrontieren sie damit, daß unser Genosse seit vielen vielen Monaten auf seine Anstellung und auf seine Bezahlung für die Arbeit, die er im November und Dezember 2019 geleistet hat, wartet.
Nächste Woche, oder nächstes Monat, stehen wir dann vielleicht auch schon beim nächsthöheren Subunternehmer, der die Verantwortung für diese Subunternehmerketten natürlich auch nicht übernehmen will. Dabei ginge es in diesem Fall um lediglich 5800,- Euro alles zusammen.
Was uns AnarchosyndikalistInnen ebenfalls ausmacht, und was viele Chefitäten erst lernen müssen; wir wissen darum, daß wir ArbeiterInnen nichts als unsere Gegenseitige Hilfe und Solidarität haben. Das bedeutet, daß wir auch bei „kleinen“ Mißständen bereit sind, vordergründig einmal vollkommen unverhältnismäßigen Aufwand zu betreiben, der in keinem Verhältnis zu dem Verlust durch die – in diesem Fall – nicht-bezahlten Gehälter steht.
Wir tun dies, weil wir uns gegenseitig ernst nehmen, und weil die Erfahrung eines positiv abgeschlossenen Arbeitskonfliktes eben auch „unbezahlbar“ ist. Wir sind auch der Meinung, daß wir genau die richtige Antwort auf die grenzüberschreitende Ausbeutung von ArbeiterInnen geben. Wir organisieren uns international und agieren unbürokratisch auf die Situation angepasst. Eine Sache mit der viele KapitalistInnen nicht rechnen.
Man wird uns also auch nicht mehr los, wir stehen gegebenenfalls noch in Jahren auf der Straße und prangern die Mißstände in konkreten Firmen an und zwar überall auf der Welt.
Denn ein Angriff gegen Eine, ist ein Angriff gegen Alle!
Wiener Arbeiter*innen-Syndikat (WAS)
Siehe auch:
„Bericht zur Kundgebung vor der Seamox GmbH am 14. Oktober“ (WAS)
„Internationale Aktionswoche gegen nicht-gezahlte Löhne (12.-18.10.)“ (IAA)