Bulgarien: Proteste gegen Bahnreform

Seit Mitte Januar 2015 findet eine Reihe von Protesten gegen die geplante „Reform“ der bulgarischen Eisenbahn BDZ statt. Die Regierung bereitet die weitere Stillegung von Bahnverbindungen und Kürzungen im Angebot vor, um die staatliche Aktiengesellschaft „Bălgarski Dăržavni Železnici“ schrittweise zu privatisieren.

ARS Bahnprotest

Auch die Gewerkschaft „Autonomes Arbeiter/innen-Syndikat“ (ARS) organisierte am Bahnhof der Hafenstadt Varna eine kleine Kundgebung, an der sich etwa 50 Bürger/innen, Aktivist/innen und Arbeiter/innen beteiligten, die über das Schicksal der Eisenbahn als größtem Arbeitgeber des Landes besorgt sind.

Ein Großteil der über 17.000 Bahnarbeiter/innen hat jedoch nicht an Protesten teilgenommen, da sie einerseits vom Management mit Entlassung bedroht wurden und Erklärungen unterschreiben mussten, dass sie nicht demonstrieren werden. Andererseits waren viele nicht gekommen, weil das Verkehrsministerium am Tag vor dem landesweiten Aktionstag der reformistischen Gewerkschaften angekündigt hatte, dass die geplanten Kürzungen gestoppt würden, woraufhin die Kundgebungen abgesagt wurden.

Trotz dieser Hindernisse hält die anarchosyndikalistische ARS ihre Aktion in der Großstadt am Schwarzen Meer für mehr als erfolgreich, denn sie haben ihr Hauptziel erreicht, im Anschluss zu der Aktion eine Vollversammlung abzuhalten. Dort wurde gemeinsam über die Probleme bei der Eisenbahn diskutiert und versucht Strategien zu entwickeln, um die Probleme zugunsten der Arbeiter/innen und Passagiere zu lösen.

Vollversammlung diskutiert Alternativen

An der Sitzung haben neben den lokalen Aktivist/innen der ARS auch Bahnarbeiter/innen, Rentner/innen und andere Bürger/innen teilgenommen, denen das Schicksal der Eisenbahn am Herzen liegt. Diskutiert wurden folgende, sehr interessante Themen:

– Was hindert Arbeiter/innen daran zu protestieren? (Wie ein Mitarbeiter der Bahngesellschaft BDZ berichtete, mussten viele von ihnen den „Treue-Vertrag“ unterschrieben, der ihnen Gespräche mit den Medien untersagt. Sie haben daher Angst zu protestieren, weil sie nicht aus disziplinarischen Gründen entlassen werden möchten. Sobald diese Verträge gesichtet werden können, wird die ARS sie öffentlich machen.)

– Die Notwendigkeit einer echten Gewerkschaft, die im Interesse der Arbeiter/innen handelt und nicht – wie bisher – im Interesse der Arbeitgeber/innen und Regierungsbürokratie.

– Bei der Frage der Aufteilung der Bahngesellschaft in kleinere Einheiten zur Finanzierung der aufwändigen Verwaltung waren sich alle einig, dass die Eisenbahn nicht zerschlagen werden sollte. Die Infrastrukturgesellschaft (NKZI), die Nahverkehrsgesellschaft (PP) und die Frachtgesellschaft (TP) sollten vereint bleiben.

– Ideen für die Umstrukturierung der BDZ unter Beteiligung der Arbeiter/innen und Passagiere

– Ehemalige Aktivist/innen der Lehrer/innen-Gewerkschaft diskutierten ihre Erfahrungen im Kampf für die Gleichberechtigung und über die Vorbehalte der Arbeiter/innen gegen die angepassten Gewerkschaften, deren Führung letztlich jede Chance auf nachhaltige Verbesserungen durch Arbeitskämpfe vergeben hat.

– Gegenseitige Hilfe und Kommunikation zwischen Arbeiter/innen und Bürger/innen, um Ausfall und Kürzung von Zügen zu vermeiden

ARS-Kundgebung gegen Bahnreform 2015

Diese Diskussion stimmte meist überein mit den Zielen und Gründen für den Protest der Gewerkschaft ARS, die vor der Sitzung (und nach der Regierungsankündigung nicht 90 weitere Zugverbindungen einzustellen) gemacht wurden. Die Vollversammlung nach den Protesten bestätigte auch die langfristigen Ziele der ARS für die Eisenbahn:

– Verhinderung der Privatisierung: Die Umstrukturierung der Bahn mit Beteiligung der Arbeiter/innen an Entscheidungsfindung und Verwaltung

– Die Verwaltung der Eisenbahn soll direkt von allen Berufsgruppen gewählt werden und eine gemeinsame Strategie für die Entwicklung des Eisenbahn soll unter direkter Beteiligung der Arbeiter/innen und Passagiere erarbeitet werden.

Für die Aktivist/innen der ARS und die Bahnarbeiter/innen der BDZ gibt es viele Hindernisse und Schwierigkeiten, aber das größte „Manöver“ war es, diesen jetzt begonnen Prozess einzuleiten.

Aktionen gehen weiter

Der erste Beschluss dieser Vollversammlung war, den Protest am folgenden Samstag erneut am Bahnhof in Varna abzuhalten. Dabei zeigte, dass es bei vielen Leuten den Willen zu kämpfen und für die Erarbeitung einer gemeinsamen Strategie gibt. Nur dadurch könnte die schwierige Lage verändert werden, in der sich die von der Bahn abhängigen Arbeiter/innen und Passagiere befinden.

Die Organisationstreffen der ARS Varna finden zweimal wöchentlich statt, die Proteste und anschließenden Vollversammlungen am Bahnhof Varna sind für jeden Samstag geplant. Die Gewerkschaft arbeitet hart daran mit Menschen aus anderen Städten in Kontakt zu kommen, damit die vielen Rentner/innen, Schüler/innen, Arbeiter/innen, Studierenden und andere Bedürftige weiterhin die günstigen Verkehrsverbindungen auch in abgelegenen Region nutzen können.

Durch diese „Reform“, der bereits 38 Bahnlinien zum Opfer gefallen sind, drohen ihnen nun Preiserhöhungen, eine Einschränkung ihrer Bewegungsfreiheit und nicht zuletzt massenhaft Kündigungen.

Die Führung der sozialpartnerschaftlichen Gewerkschaftsverbände KNSB und Podkrepa versuchen weiterhin mit der Regierung einen Kompromiss zu finden, sammeln Unterschriften für eine Petition und verhindern jede Selbstorganisierung. Während dessen versucht auch die nationalistische Partei ATAK, wie in der Kleinstadt Schumen, die Proteste zu vereinnahmen. In zahlreichen Städten gab es bereits Aktionen gegen die Bahnreform und in der Kleinstadt Karlovo wurde Anfang Januar sogar ein Schnellzug nach Sofia von rund 200 Demonstrant/innen blockiert.

Kontakt:
Autonomes Arbeiter/innen-Syndikat (ARS-IAA)
http://arsindikat.org
https://www.facebook.com/AvtonomenRabotniceskiSindikat

Videos einiger Proteste:
https://www.youtube.com/watch?v=fMLVXw4MiNU
https://www.youtube.com/watch?v=TMOMYXz3L2Y
https://www.youtube.com/watch?v=OXbRv34ygBs
https://www.youtube.com/watch?v=CdGnUf5sCyg

Foto-Bericht bei Rabotnicheski Glas (bg):
http://rabglas.blogspot.de/2015/01/blog-post.html

Übersetzung (mit Ergänzungen): Anarchosyndikat Köln/Bonn, http://anarchosyndikalismus.org (CC: BY-NC)

Nein zur Bahn-Privatisierung in Bulgarien (ARS-IAA)