Klimawandel als Klassenkampf

Eine Rezension von Tom Wetzel in Ideas & Action (WSA-IAA, Dez. 2022)

Während die Verbrennung fossiler Energieträger die Kohlendioxid-Schicht in der Atmosphäre weiter vergrößert, wird die Krise der globalen Erhitzung immer dringender. In seinem Bericht “‘Alarmstrufe Rot’ für menschengemachte globale Erwärmung“ warnt der Weltklimarat (IPCC):

„Die Alarmglocken läuten ohrenbetäubend und die Beweise sind unwiderlegbar: Die Treibhausgas-Emissionen durch die Verbrennung fossiler Treibstoffe und die Entwaldung haben unseren Planeten im Würgegriff und bedrohen unmittelbar das Leben von Milliarden Menschen. Die globale Erwärmung betrifft jede Region der Erde…“

Doch bisher verlieren wir den Kampf mit dem Klima. In seinem Buch „Klimawandel als Klassenkampf“ (Climate Change as Class War) argumentiert der marxistische Geograph Matthew Huber, dass die Klimabewegung deshalb verliert, weil sie aus der „professionellen Klasse“ stammt. Er führt aus, dass es dieser Klasse an der Macht mangelt, die mächtigen kapitalistischen Interessen zurückzudrängen, welche die nötigen drastischen Einschnitte in der Verbrennung fossiler Energieträger blockieren. Für Huber ist klar, dass die Klimabewegung in der Arbeiter*bewegung verortet sein muss, um die notwendige Macht zu haben, die radikalen Strukturreformen umzusetzen, welche zur Bekämpfung der globalen Erhitzung benötigt werden.

Hubers Analyse beschreibt, dass die Klimabewegung aus drei Schichten besteht. Erstens gibt es die „wissenschaftlichen Kommunikator*innen“, wie James Hansen, die es mit populären Bildungsprogrammen versuchen. Eine zweite Gruppe sind die „Politik-Technokrat*innen“ mit Ausbildungen in Rechts- oder Politikwissenschaft, die in Denkfabriken, im Hochschulbetrieb oder bei gemeinnützigen Organisationen arbeiten. Sie orientieren sich an der Produktion „kluger“ politischer Lösungen. Eine dritte Gruppe sind die „systemfeindlichen Radikalen“, bei denen die Befassung mit Studien zur Umweltzerstörung „zu einer Art politischer Radikalisierung führt“.

Diese Gruppen zählt Huber zu der „professionellen Klasse“ und versucht mit seiner Theorie über diese Klasse die Politik der Klimabewegung zu erklären. Er hebt zwei Eigenschaften der Klimabewegung hervor, die er als Ursache für ihre Schwäche bezeichnet: Erstens die Betonung von hohen Konsumwerten als Faktor der globalen Erwärmung, welche zu einer „Politik des Weniger“ führt – besonders als Bestandteil der „Degrowth“-Politik [Wachstumsrückgang]. Und zweitens der Schwerpunkt auf wissenschaftliche Aufklärung: „Indem es bei der Klimapolitik ausschließlich um Wissenschaft geht, wird die Machtfrage umgangen. Dies macht es möglich (…) die Untätigkeit gegenüber dem Klimawandel bloß als eine Fehlinformation darzustellen, anstatt als einen Mangel an Macht.“

Dabei bezieht sich Huber auf die Theorie der „Professionelle-Manager-Klasse“ (PMC), wie sie Barbara und John Ehrenreich [zur Beschreibung der neuen Mittelschicht aus akademisch gebildeten Fachkräften] vorgeschlagen haben. Damit versucht er die Herkunft der Elemente einer „professionellen Klasse“ innerhalb der Klimabewegung zu erklären. Hierbei verweist Huber auf die zentrale Rolle von Qualifikationen, welche den Zugang zur „professionellen Klasse“ auf dem Arbeitsmarkt ermöglichen. Dazu gehört auch „das Vorhandensein eines spezialisierten Wissens, das nur durch langes Training zugänglich ist“.

Aber auch Abschlüsse und Ausbildungsprogramme, sowie Berufsverbände, welche er als „Formen von Klassenorganisation“ bezeichnet. Diese würden dazu neigen eine meritokratische Ideologie [von Herrschaft durch Leistung] anzuerkennen, welche die Entscheidungsgewalt den Manager*innen und Fachkräften überlässt. Diese Betonung der Wichtigkeit von Wissen und die Rolle der Profis führt dazu, dass die wissenschaftliche Ausbildung in der Klimabewegung eine zentrale Rolle spielt, wie Huber betont.

In der PMC-Theorie der Ehrenreichs besteht deren Klassenstandpunkt in der Konrolle über die kulturelle und gesellschaftliche Reproduktion. Das ist der Grund, warum auch Lehrer*innen und Schriftsteller*innen ein Teil dieser Klasse sind. Sowohl für Marxist*innen als auch für libertäre Sozialist*innen wurde Klasse historisch jedoch innerhalb der sozialen Reproduktion als ein institutionelles Machtverhältnis von einer Gruppe über eine andere gesehen, so wie in Marxens Konzept des Kapitals als ein gesellschaftliches Machtverhältnis.

Aus diesem Blickwinkel betrachtet denke ich, dass die Theorie von der „Professionellen-Manager-Klasse“dazu neigt, die Unterscheidung zwischen zwei unterschiedlichen Gruppen von Klassen zu verschleiern: Erstens gibt es eine Gruppe, die ich „bürokratische Kontroll-Klasse“ nenne. Der Klassenstandpunkt dieser Gruppe beruht auf ihrem relativen Monopol über die Entscheidungsmacht durch bürokratische Hierarchien, welche dazu dienen die Arbeiter*innen zu kontrollieren und die alltägliche Leitung von Unternehmen und Regierungseinrichtungen zu übernehmen.

Dazu gehören nicht nur bezahlte Manager*innen, sondern auch Hochprofessionalisierte, die bei der Kontrolle der Arbeiter*innen und der Verteidigung von Firmeninteressen eng mit dem Management zusammenarbeiten. Beispielsweise Unternehmensanwält*innen, Personal-Expert*innen und Industrie-Ingenieur*innen, die Arbeitsplätze gestalten und die Arbeitsorganisation planen. Das Machtverhältnis dieser Klasse ist die Grundlage für den offenen Widerspruch zwischen dieser Schicht und der Arbeiter*klasse.

Dabei sollte erwähnt werden, dass Lehrer*innen, Journalist*innen, Autor*innen und Pflegepersonal alle auch Gewerkschaften haben und gelegentlich streiken. Diese unteren professionellen Angestellten sind normalerweise nicht Teil des Management-Apparats und verwalten nicht andere Arbeiter*innen. Sie haben daher eine strukturelle Position ähnlich des Kerns der Arbeiter*klasse aus manuell Tätigen, nicht wie die bürokratische Kontroll-Klasse. Die Leute in dieser unteren professionellen Schicht haben oft Hochschulabschlüsse und verhalten sich manchmal elitär gegenüber der handwerklichen Arbeiter*klasse.

Sie neigen auch dazu, bei ihrer Arbeit mehr Selbstbestimmung zu haben. Doch die Handwerker*innen am Anfang des 20. Jahrhunderts haben auch oft ein elitäres Verhalten gegenüber weniger gebildeten Handarbeiter*innen gezeigt und hatten ebenfalls oft eine relative Autonomie an ihrem Arbeitsplatz. Aber allgemein zählen wir die ausgebildeten Industriearbeiter*innen (wie Betriebs- und Maschinenschlosser*innen) auch zur Arbeiter*klasse.

Die unteren Fachangestellten können jedoch anfällig sein für die meritokratische [Leistungs-]Ideologie der Mittelklasse. Daher können sich sich in einer Zwischenposition befinden, da sie ebenso wie die Arbeiter*klasse sich in einer untergeordneten Stellung befinden. Daher hat Erik Olin Wright [1985] für diese Gruppe einen “widersprüchlichen Klassenstandpunkt“ festgestellt, was von Huber bestätigt wird.

“Degrowth?”

Manche Radikale sehen die Ursache für die aktuelle ökologische Krise in dem dynamischen Wachstum des Kapitalismus. Dies wird oft zusammengefasst in einer Parole über die Absurdität eines „unbegrenzten Wachstums auf einem begrenzten Planeten“. In bestimmten Kreisen hat das dazu geführt ein „Rückwachstum“ [degrowth] zu befürworten. Doch es ist unklar, worum es sich dabei handelt. George Kallis, der Autor von „In Defense of Degrowth“ [2011], erläutert das Programm des Wachstumsrückgangs wie folgt:

„Nahrungsmittelproduktion in städtischen Gärten; gemeinschaftliches Wohnen und Ökodörfer; alternative Lebensmittel-Netzwerke, Produzent*innen-Konsument*innen-Kooperativen und kommunale Küchen; Kooperativen für Gesundheitsfürsorge, Altenpflege und Kinderbetreuung; freie Software; und dezentralisierte Formen erneuerbarer Energieproduktion und -verteilung“.

Auch wenn viele Projekte dieser Art lohnenswert sind, ist nicht erkennbar, warum ein solches Programm die Krise der globalen Erhitzung beenden sollte. Huber versucht fälschlicherweise, das Rückwachstum als eine Politikform der „professionellen Klasse“ darzustellen, was jedoch garnicht eindeutig so ist. Urbane Gärten gibt es auch in armen Gemeinschaften und kooperative Projekte haben die Unterstützung der Arbeiter*klasse. Würden wir die Parole vom „Rückwachstum“ wörtlich nehmen, hieße das die globale Erhitzung müsste durch einen wirtschaftlichen Rückzug bekämpft werden, der die allgemeine Warenproduktion verringert.

Nach dem Weltklimarat (UN Intergovernmental Panel on Climate Change) muss der Kohlendioxid-Ausstoß von aktuell 32 Milliarden Tonnen innerhalb von 20 Jahren auf eine Höhe von 20 Milliarden Tonnen gesenkt werden. Wir Robert Pollin [1] hervorhebt, würde ein wirtschaftlicher Rückgang von 10% – viermal größer als die Große Rezession von 2007-2009 – den Kohlendioxid-Ausstoß um 10% von 32 auf 29 Milliarden Tonnen verringern. Das wäre nichtmal annähernd genug Verringerung der benötigten Kohlendioxid-Emissionen. Und ein zehnprozentiger Wirtschaftsrückgang würde heftigste Sparprogramme für die arbeitende Bevölkerung zur Folge haben, welche bereits nur gradeso über die Runden kommt.

Einige Verfechter*innen des Rückwachstums (2) behaupten, dass Sparmaßnahmen nicht das Ziel sind. Aber was ist denn sonst ihr Programm, um die Krise der globalen Erhitzung zu lösen? Huber diskutiert die Sichweise, dass der Kapitalismus ein „angehäuftes soziales Wachstum“ hervorbringe. Das Ziel der Kapitalist*innen ist nicht das Wachstum an sich, sondern das Wachstum der Profite. Kapitalist*innen investieren in Unternehmen, die Waren zum Verkauf herstellen. Diese müssen Gewinne machen, um sich zu vergrößern – sich in neuen Märkten zu verbreiten, neue Produkte zu entwickeln, Manager*innen und Expert*innen einzustellen. Wenn sie das nicht tun, kommen ihnen andere Firmen zuvor. Um neue Märkte für ihre Produkte zu schaffen, müssen Neuerungen her, wie die Einführung von Konsumkrediten in den 1920-er Jahren, um den Markt für Autos und Haushaltsgeräte zu erweitern. Dadurch führte die Praxis der Kapitalakkumulation [-anhäufung] zu einer Ausweitung der Warenproduktion.

Der Wettbewerb zwingt die Firmen dauernd dazu, neue Wege zur Kostensenkung und Gewinnmaximierung zu suchen. Dies tun sie zu Lasten sowohl der Arbeiter*innen als auch der Umwelt. Sie versuchen die Löhne niedrig zu halten und finden Wege, um die Arbeitsstunden zu verringern, welche pro Produkteinheit benötigt werden. Sie können dazu einen Bearbeitungsschritt automatisieren oder durch Methoden der „schlanken Produktion“ das Tempo oder die Intensität der Arbeit steigern. Doch Stress und chemische Belastungen verursachen negative Auswirkungen auf die Gesundheit der Arbeiter*innen. Die Unternehmen streben danach, die Kosten auf andere externalisieren [auszulagern].

Ein Energieunternehmen verbrennt beispielsweise Kohle, was zur globalen Erhitzung beiträgt und mit dem Wind die Atemwege der Menschen schädigt. Doch das Energieunternehmen muss nichts für die Schäden bezahlen, was ist ein Beispiel für „negative Externalitäten“ ist. Dieses Konzept wurde vor einem Jahrhundert von Arthur Pigouin die Mainstream-Ökonomie eingeführt. Doch Huber weigert sich von „negativen Externalitäten“ zu sprechen wegen deren Verwendung durch die „politischen Technokrat*innen“, die sie benutzen, um die Kohlenstoff-Steuern voranzubringen. Zum Beispiel:
„Die technokratische Konstruktion von Emissionen als ‚soziale Kosten‘, welche in den Markt aufgenommen werden sollen, führt letztlich zu einer Politik, die durch ihre Klimamaßnahmen diese Kosten der Arbeiter*klasse und der gesamten Wirtschaft anlastet.“


Dabei handelt es sich um einen Strohmann-Trugschluss [Scheinargument]. Die Auslagerung von Kosten ist ein gängiger Bestandteil des Kapitalismus. Dies wird von radikalen Ökonom*innen als Teil ihrer antikapitalistischen Kritik benutzt. Die Dynamik der Kostenverlagerung im Kapitalismus ist jedoch der zentrale Grund für die weltweite Erhitzung und andere Formen der ökologischen Zerstörung. Ohne ein Verständnis der kapitalistischen Dynamik der Kostenverlagerung ist es nicht möglich, eine angemessene Erklärung für die kapitalistische Tendenz zur ökologischen Zerstörung zu finden.

Der Green New Deal als ein Programm der Arbeiter*klasse

Huber argumentiert, dass die Arbeiter*klasse eine Akteur*in des sozialen Wandels ist, da sie die potenzielle Macht hat ein radikales ökologisches Programm, wie den Green New Deal, durchzusetzen. Die potenzielle Macht der Arbeiter*klasse liegt in zwei Dingen: Erstens ist die Arbeiter*klasse die Mehrheit – zwischen zwei Dritteln und drei Vierteln der Bevölkerung. Zweitens die Stellung der Arbeiter*klasse am Arbeitsplatz – der „verborgenen Stätte der Produktion“ – ist eine Quelle potenzieller Macht. Wenn Arbeiter*innen mit Streiks die Produktion anhalten, stoppen sie die Gewinnflüsse oder machen Regierungsbehörden dicht.

Huber zufolge hat die Arbeiter*klasse materielle „ökologische“ Interessen. „Die Ökologie des Lebens der Arbeiter*klasse“, so schreibt Huber, dreht sich „um die Mittel der [sozialen] Reproduktion – die Art und Weise nach der die Arbeiter*innen ihr Leben als biologische Wesen außerhalb des Arbeitsplatzes reproduzieren“. Die Vulnerabilität [Verletzbarkeit] ist Bestandteil der Bedingungen der Arbeiter*klasse. Die Arbeiter*innen sind gezwungen bei kapitalistischen Arbeitgeber*innen ihre Jobs zu suchen – um Löhne zu erhalten für den Kauf von Waren, die Tag für Tag ihr Leben reproduzieren. Arbeitende sind durch Zeiten der Arbeitslosigkeit bedroht, sowie durch nicht-angemessene Löhne.

Aktuell hätten 49% der Arbeiter*innen [in den USA] einer Studie von YouGov zufolge Schwierigkeiten in einem Notfall 400 US-Dollar zusammenzubekommen. [3] Nach Angaben von CareerBuilder leben 78% der Amerikaner*innen von einem Gehaltsscheck zum nächsten.[4] Kinderbetreuung ist nicht bezahlbar; Zuzahlungen und Prämien bedeuten für Arbeitende oft, sich trotz Versicherung keine medizinische Versorgung leisten zu können. Huber schlägt vor, dass eine „proletarische Ökologie“ sich mittels einer relativen „Dekommodifizierung“ auf die Verringerung dieser Verletzbarkeit zu konzentrieren.

„Die Leute würden Jobs, kostenlose Stromversorgung oder Sozialwohnungsbau intuitiv als vorteilhaft erkennen“, schreibt Huber, „doch es läge an … Organizer*innen, diese Verbesserungen als Maßnahmen gegen die Klimakrise zu benennen.“ Die von Huber bevorzugte Form dieses Programmes ist die Version des Green New Deal, der von den Demokratischen Sozialist*innen von Amerika vorgeschlagen wurde.

Das Interesse an ökologischer Nachhaltigkeit ist ein besonderes Interesse der Arbeiter*klasse, denn verschiedene Teile der besitzenden und verwaltenden Klassen profitieren davon „die Umweltkrise zu verlängern“, da ihre Strategien zur Profitgewinnung durch ökologisch zerstörerische Praktiken ermöglicht werden. Da Extremwetter und gefährliche Hitzewellen überall erkennbar werden, verbreiten sich immer mehr „Vorahnungen“, dass der Klimawandel ein Problem darstellt. Daher schlägt Huber vor, die „direkten materiellen Verbesserungen für das Leben der Menschen mit Klimamaßnahmen zu verknüpfen.“ Huber entwirft einen zweistufigen Ablauf zur „Dekarbonisierung“ der Wirtschaft. Erstens die Energieindustrie von der Verbrennung fossiler Brennstoffe abzubringen. Zweitens die Elektrifizierung nutzen, um den Ausstoß von Kohlendioxid in der übrigens Wirtschaft zu verringern – bei Transport, Verarbeitung, Heizen, Kochen, usw.

Dabei hält es Huber für wichtig, die Arbeiter*innen der elektrischen Energieproduktion für dieses Programm mit an Bord zu holen aufgrund ihres hohen Grades an gewerkschaftlicher Organisierung und ihrer strategischen Bedeutung für die Wirtschaft. Viele Unternehmen der Stromindustrie haben Mehrheitsanteile an ihren Gas- und Kohlekraftwerken. Daher sind sie eine Art Bollwerk gegen die schnelle Dekarbonisierung der Stromindustrie. Das führt zu dem Vorschlag, die staatliche Macht zu benutzen, um sie für einen Umbau zu Erneuerbaren zu übernehmen. Huber ist sich bewusst, dass Energiebetriebe in öffentlicher Hand – wie die Wasser- und Energieversorgung von Los Angeles (LADWP) – oftmals die gleichen Geschäftspraktiken anwenden wie Privatunternehmen. Daher denkt er, die Arbeiter*klasse müsse die Macht ihrer demokratischen Stimmen nutzen, um die Regierungspolitik weg von der Verbrennung fossiler Energieträger zur Stromerzeugung zu drängen.

Aufgrund der Wichtigkeit des Bereichs elektrische Energieerzeugung für ein Dekarbonisierungsprogramm möchte Huber die Gewerkschaften der Stromindustrie dazu bringen, die Pläne für einen Green New Deal zu unterstützen. Jedoch sind mit der Infrastruktur fossiler Verbrennung auch Arbeitsplätze in den Energieunternehmen verbunden. So hat die lokale IBEW [Internationale Bruderschaft der Elektro-Arbeiter] bei der LADWP gegen die Schließung von drei gasbetriebenen Heizkraftwerken gekämpft.

Huber ist sich des konservativen und bürokratischen Wesens von Gewerkschaften, wie der IBEW, bewusst. Er schlägt eine „Basis-Strategie“ vor, die sich dem Aufbau einer aktivistischen Ebene widmet, um die Ausrichtung der Gewerkschaften im Energiesektor zu verändern. Da der Ausbau von Elektrizität für Transport, Heizen, Kochen usw. eine Rolle beim Dekarbonisierungsprogramm spielt, sind diese Pläne im Interesse der Arbeiter*innen in der Energiewirtschaft.

Dennoch legt Hubers Strategie den Schwerpunkt auf Wahlpolitik – „ein Bündnis der Arbeiter*Klasse zu schmieden“, um die Staatsmacht zu übernehmen. In Übereinstimmung mit Christian Parenti legt Huber nahe, dass „außer dem Staat nur wenige Institutionen die Macht haben, um die Art von Wandel rechtzeitig umzusetzen, der nötig ist.“ Nur der Staat könne die Macht anwenden, um die fossile Energiewirtschaft zwangsweise herunterzufahren. Und der Bundesstaat habe die finanzpolitische Macht, um ein „massives öffentliches Investitionsprogramm“ aufzulegen, damit die Energiewende umgesetzt wird. Hubers Programm eines Green New Deal kann als eine radikale Form innerhalb des Kapitalismus gesehen werden. Denn er denkt, dass es „seltsam verschroben“ sei, einen Übergang zum Öko-Sozialismus in dem kurzen Zeitfenster zu erwarten, das für eine Bekämpfung der Erderhitzung nötig ist. Obwohl er von der Bedeutung von Streiks und Betriebsstörungen als Mittel zum Aufbau der Macht der Arbeiter*klasse spricht, ist seine Strategie im Grunde auf Wahlen ausgerichtet. Dabei wird die durch Gewerkschaften und Streiks aufgebaute Macht der Arbeiter*klasse als eine Grundlage für ihre Macht im Wahlkampf angesehen. In dieser Sichtweise bedarf es einer kämpferischen und organisierten Arbeiter*bewegung, um sicherzustellen, dass die Politiker*innen jene radikalen Reformen durchsetzen, welche der Green New Deal benötigt.

Da wir eine Bewegung brauchen, die einen radikalen Dekarbonisierungsplan in der nächsten Zukunft durchsetzen kann, denkt Huber, dass wir uns darauf konzentrieren sollten, in einer Branche eine kämpferische Arbeiter*bewegung mit einer ökologischen Ausrichtung wiederaufzubauen. Daher liegt sein Schwerpunkt auf einer „Basis-Strategie“ für die Gewerkschaften der Energiewirtschaft. Doch dieses Argument trügt, denn erstens ist es nicht wahrscheinlich, dass die Wiederbelebung einer klassenkämpferischen Gewerkschaftsbewegung und militanter Aktionen in einer einzigen Branche die nötige gesellschaftliche Kraft hervorbringen kann, um einen radikalen Umbau nach Hubers Vorstellungen durchzusetzen.

Der sparsame amerikanische Wohlfahrtsstaat in den 1930-er Jahren war das Ergebnis eines breiten, branchenübergreifenden Aufstands der Arbeiter*klasse. Zwischen 1933 und 1937 hab es jedes Jahr tausende Streiks, hunderttausende Arbeiter*innen bauten komplett neue Branchengewerkschaften auf, rund tausend Betriebe wurden übernommen und 1934 markierten zwei massive regionale Generalstreiks das Höchstmaß an gesellschaftlicher Macht von weitverbreiteter Klassensolidarität. Dieser Aufstand zwang den New Deal dazu sich „nach links zu bewegen“. Die Rebellion der Arbeiter*innen breitete sich auf verschiedene Bereiche in Weiterverarbeitung, Motortransport, Rohstoffwirtschaft und Teile des Handels aus. Diese Basisbewegungen entwickelten sich in unterschiedlichen Branchen gleichzeitig. Daher ist es nicht nachvollziehbar, warum es in naher Zukunft für einen Wandel zugunsten des Klimas eine auf eine Branche beschränkte Bewegung bedürfe. Ganz im Gegenteil wird es eine klassenweite Bewegung brauchen, um eine ausreichende Macht der Arbeiter*klasse aufzubauen.

Viele Verfechter*innen des Green New Deal zählen dazu auch einen „Gerechten Wandel“ [Just Transition]. Darunter versteht man, dass bei einer Abkehr von der fossilen Verbrennung die entlassenen Arbeiter*innen während der Umbauphase ein garantiertes Einkommen, Umschulung und Umzugskosten bekommen. Die Kosten des Wandels sollten nicht den Arbeiter*innen dieser Industriezweige aufgelastet werden. Wenn Fracking [Hydraulic_Fracturing] eingestellt wird, Raffinerien verringert oder Kohleminen geschlossen werden, sollte deren Arbeiter*innen vergleichbare Einkommen oder Arbeitsplätze garantiert werden. Falls es einen Wechsel zu „grünen“ Energieprojekten geben wird, müssen wir sicherstellen, dass in diesen Jobs auch Gewerkschaften aktiv sind. Und verhindern, dass es nur ein Niedriglohnsektor ist, in dem die Kapitalist*innen aus ihren „grünen“ Versprechen Profite schlagen.

Doch Huber weist die Forderung nach einem Gerechten Wandel zurück. In seiner Darstellung der Vorstellung von „Gerechtigkeit“ geht er über zur Diskussion einer gemeinschaftsgetrageneb „Umweltgerechtigkeits“-Bewegung. Diese Bewegung ist seiner Meinung nach rundweg gescheitert. Und er macht das fest an einer fehlenden Machtstrategie in „gerechtigkeitszentrierten“ Bewegungen. Als ein Argument gegen den Gerechten Wandel ist dies jedoch ein Strohmann-Strohmann-Trugschluss [Scheinargument]. In Wirklichkeit ist Klassensolidarität die Grundlage eines Gerechten Wandels.

Eine Verweigerung dieser Forderung würde die inneren Spaltungen in der Arbeiter*klasse zum Thema Umweltpolitik vertiefen, da dies die Angst vor Arbeitsplatzverlust bestärkt. Andererseits ist die Herausbildung einer branchenübergreifenden Solidarität (oder zwischen Untergruppen der Arbeiter*klasse) ein zentraler Bestandteil beim Aufbau einer klassenweiten Bewegung. In den 1930-er Jahren zeigte sich diese Art von Arbeiter*macht durch Generalstreiks und die Mobilisierung von Erwerbslosen zur Unterstützung der Streikposten.

Doch Huber ignoriert die Solidarität als eine Dimension der Klassenmacht. Die Verwundbarkeit gegenüber der Macht der Bosse innerhalb einer Herrschaft durch Klassenunterdrückung und Ausbeutung bedeutet, dass ein Gerchtigkeitssinn der Arbeiter*klasse oftmals eine Motivation für Streiks und Klassensolidarität ist. Daher ist Gerechtigkeit ein wichtige Dimension beim Aufbau einer mächtigen Arbeiter*klasse.

Staatlicher Zentralismus oder Öko-Syndikalismus?

In Hubers Art von an kautskyanischen Marxismus geht er davon aus, dass sowohl die kapitalistische Technologie-Entwicklung als auch der Staat klassenneutral seien. Aus diesem Grund denkt er, dass eine Partei oder ein Bündnis der Arbeiter*klasse die Staatsmacht ausüben könne, um ihre Interessen umzusetzen. Doch in Wirklichkeit ist der Staat nicht klassenneutral, sondern besteht in seinem Wesen aus Klassenunterdrückung. Beispielsweise sind die Arbeiter*innen im öffentlichen Dienst ebenso der verwaltenden Bürokratie untergeordnet, wie in Privatunternehmen. Das Tagesgeschäft der staatlichen Institutionen wird kontrolliert von den Kadern der bürokratischen Kontroll-Klasse – staatliche Manager*innen, als Expert*innen angestellte Spezialfachkräfte, Staatsanwält*innen und Richter*innen, Militär und Polizeikräfte. Hinzu kommen die „Repräsentationsfachkräfte“ – die Politiker*innen – welche üblicherweise entweder aus den unternehmerischen oder bürokratischen Kontroll-Klassen rekrutiert werden, also aus Klassen, welchen die Arbeiter*klasse untergeordnet ist. Zentrale staatliche Planung kann weder die ausbeuterische noch die kostenverlagernde Logik des Kapitalismus überwinden, welche den Kern der ökologischen Krise bilden. Verschiedene Arten von Umweltverschmutzung und ökologischer Zerstörung wird es weiterhin geben, auch wenn der Green New Deal umgesetzt würde.

Huber schreibt:
„Wir lieben es die großen und massenhaft zentralisierten Elektrogeräte zu hassen, aber genau diese sind es, welche Marx – und Kautsky – (…) als „sozialisierte Produktion“ bezeichnet haben. (…) Die materielle Notwendigkeit eines Gleichgewichts zwischen Nachfrage und Angebot bedeutet, dass moderne Netzwerke und zentralisierte Geräte die eigentlichen sozialisierten Planungsmaschinen sind, zu denen die Messung und Vorhersage des täglichen Stromverbrauchs von Millionen Haushalten und Betrieben gehört.“

Eigentlich braucht es für eine Vergesellschaftung sowohl kollektive Arbeiter*kontrolle über den Arbeitsprozess – die tagtäglichen Vorgänge in der Industrie – wie auch eine direkte, demokratische soziale Verantwortlicheit. Beides ist im Fall von Versorgungsunternehmen nicht gegeben. Große Firmen, wie Walmart oder General Motors oder Versorgungsbetriebe haben Systeme zentralisierter und hierarchischer Kontrolle, welche ihr Handeln im Voraus planen, um die Konsumnachfrage zu erfüllen. Die hierarchischen Bürokratien von Unternehmensmanager*innen sind auch dazu da, die Arbeiter*schaft zu kontrollieren – wie durch die enorme Arbeitsverdichtung der letzten vierzig Jahre – und den gesamten Betrieb gemäß der gewinnorientierten Ziele der Eigentümer*innen zu führen.

Huber scheint eher die Zentrierung der Stromproduktion in großen Kraftwerken gegenüber verteilten Solar- und Windkraftanlagen zu bevorzugen. Er verwechselt die Zentralisierung der Produktion mit einer koordinierten Produktion. Es gibt keinen Grund dafür, dass eine großformatige Organisation der Stromproduktion nicht ein Modell zur Einrichtung von Solarpanelen auf Hausdächern oder über Parkplätzen – überall in einer großen Städteregion koordiniert – einbinden könnte. Hierarchische Zentralplanung, sei es durch ein Unternehmen oder durch den Staat, ist außerdem nicht mit Arbeiter*kontrolle über die Produktion vereinbart, was die Sowjetunion deutlich gezeigt hat.

Öko-Syndikalismus bietet einen alternativen Ansatz. Diesem liegt zugrunde, dass Arbeiter*innen eine potenzielle Kraft darstellen, um Widerstand zu leisten gegen die Entscheidungen der Arbeitgeber*innen, welche zu Umweltverschmutzung oder globaler Erhitzung führen. Ein Beispiel für den Widerstand der Arbeiter*klasse gegen Umweltverschmutzung waren damals in den ‘70-ern die verschiedenen „grünen Verbote“ [green bans] durch die Föderation der Australischen Bauarbeiter*innen, wie die Verweigerung von Uran-Transport und -Abfertigung. Aus den ‘80-er Jahren gibt es das Beispiel des Organizings von Judi Bari, einem Mitglied von IWW und Earth First!. Durch ihre Arbeit in der bewaldeten Region im Nordwesten Kaliforniens versuchte sie ein Bündnis zwischen Arbeiter*innen in der Holzindustrie (samt ihrer Gewerkschaften) und Umweltschützer*innen, welche die alten Wälder vor Abholzung schützen wollten. Als Argument kann genannt werden, dass eine nachhaltige Forstwirtschaft eher im Interesse der Arbeiter*innen liegt als die Abholzung. Auf ähnliche Weise kann argumentiert werden, dass ein gesamtgesellschaftlicher Plan zur Dekarbonisierung im Interesse der Arbeiter*innen von Energieunternehmen ist, da dieser die Stromnachfrage steigern würde. Die gesellschaftliche Macht der Arbeiter*klasse, wenn sie unabhängig von Politiker*innen organisiert ist und störende Massenaktionen durchführen kann, wären eine bedeutende Kraft zur Durchsetzung eines Politikwechsels weg vom fossilen Kapitalismus.

Die syndikalistische Strategie schägt vor, durch Arbeiter*innen selbstverwaltete Gewerkschaften für aktiven Widerstand im betrieblichen Alltag und kämpferischen Klassenkampf zu schaffen. Und die Gewerkschaften der Arbeiter*klasse mit den sozialen Bewegungen auf breiter Linie zusammenzubringen, um eine Allianz zu gründen, welche die Macht hat zur Umwandlung der Gesellschaft in eine selbstverwaltete Form des Öko-Sozialismus.

Huber stimmt überein mit dem Aufbau einer wiederbelebten Arbeiter*bewegung und vermehrten Streikaktionen. Dies ist die Art von Selbstaktivierung, welche den Prozess der Klassen-Herausbildung antreibt. Die Klassenformation ist ein mehr oder weniger langwieriger Prozess, durch den die Arbeiter*klasse ihren Fatalismus [Schicksalsglaube] und ihre inneren Spaltungen, z.B. entlang „Rasse“ oder Gender, überwindet. Wenn sie sich Wissen über das System aneignet und Selbstbewusstsein, Organisationsfähigkeit und das Streben nach sozialem Wandel entwickelt. Durch diesen Prozess „formt“ sich die Arbeiter*klasse selbst als eine Kraft, welche die herrschenden Klassen bezüglich deren Kontrolle über die Gesellschaft wirksam herausfordern kann.

Solch eine Strategie zum Aufbau einer klassenkämpferischen Gewerkschaftsbewegung, von Arbeiter*streiks und breiten Solidaritätsbeziehungen zwischen Gewerkschaften und Organisationen der sozialen Bewegungen ist einerseits die notwendige Strategie zum Aufbau der Macht der Arbeiter*klasse zur Durchsetzung einer radikalen Reform nach Art des Green New Deal. Aber andererseits ist es die Strategie, die nötig ist zum Wandel hin zu einem selbstverwalteten Öko-Sozialismus. Die syndikalistische Variante des selbstverwalteten Sozialismus bietet eine nachvollziehbare Grundlage für die Lösung der Umweltkrise aufgrund ihrer Fähigkeit durch föderativ verteilte Formen demokratischer Planung in den Händen lokaler Gemeinschaften und der Arbeiter*innen in den [jeweiligen] Branchen. Dadurch haben sie die Macht, um Entscheidungen zu verhindern, die sich zerstörerisch auf die Ökologie auswirken.

Der Übergang zu einem Öko-Sozialismus in Selbstverwaltung der Arbeiter*innen ist nötig, um das Wesen der für die soziale Produktion verwendeten Technologie zu verändern. Dies würde die Arbeiter*innen in die Lage versetzen, um:
– Kontrolle über die technologische Entwicklung zu bekommen
– Arbeitsplätze und Ausbildung umzugestalten zur Verhinderung einer bürokratischen Machtkonzentration über Entscheidungsfindung und Konzeptualisierung durch physische Arbeit
– Verkürzung der Arbeitswoche und Aufteilung der Arbeitsverantwortung zwischen allen Arbeitsfähigen
– Herausbildung einer neuen Logik von Technologie-Entwicklung, die arbeiter*- und umweltfreundlich ist

Tom Wetzel
(Autor von Overcoming Capitalism: Strategy for the Working Class in the 21st Century)


Fußnoten:
1
) Robert Pollin: De-Growth vs a Green New Deal, in: New Left Review, 112, July/Aug. 2018, https://newleftreview.org/issues/ii112/articles/robert-pollin-de-growth-vs-a-green-new-deal
2) Natalie Suzelis Natalie Suzelis: Class Struggle Against Growth. A Review of Two Guides Against Extinction, in: Spectre Journal,
2022, https://spectrejournal.com/class-struggle-against-growth/
3) https://www.nasdaq.com/articles/49-of-americans-couldnt-cover-a-%24400-emergency-expense-today-up-from-32-in-november
4) https://www.forbes.com/sites/zackfriedman/2019/01/11/live-paycheck-to-paycheck-government-shutdown/?sh=74e547044f10

Quelle:
https://ideasandaction.info/2022/12/climate-change-class-war-review/
(https://web.archive.org/web/20230201162010/https://ideasandaction.info/2022/12/climate-change-class-war-review/)

Übersetzung [und Anmerkungen]:
Anarcho-Syndikalistisches Netzwerk – ASN Köln, https://asnkoeln.wordpress.com
(CC: BY-NC)

Mehr zum Thema:
„Öko-Syndikalismus statt Green New Deal“,
https://anarchosyndikalismus.blackblogs.org/2019/07/21/oeko-syndikalismus-statt-green-new-deal/