In Spanien sind heute erneut hunderttausende Demonstrant/innen gegen das herrschende Parteiensystem und die aktuellen Sparpläne von Regierung, EU und Weltbank auf die Straße gegangen.
Seit dem 15.05. wächst die Bewegung an und zehntausende, vorwiegend jugendliche Aktivist/innen halten seit Tagen zentrale Plätze in etwa 60 spanischen Städten gewaltfrei besetzt. Eine der Parolen der „Wahren Demokratiebewegung“ lautet: „Wir sind keine Waren in den Händen von Politikern und Banken!“
Sie wenden sich also nicht nur gegen die beiden großen Parteien (die regierende, sozialdemokratische PSOE und die oppositionelle, konservative PP). Auch gegen die fehlende demokratische Mitbestimmung der Bevölkerung im Parlament wird kreativ und spontan protestiert, sowie generell gegen die hohe Arbeitslosigkeit, Sparmaßnahmen, Massenarmut und fehlende Zukunftsaussichten infolge des IWF-Spardiktats zur Rettung der Europäischen Währungsunion.
Während die Jugendrevolte aus den Ländern Nordafrikas sich auch auf dem europäischen Festland ausbreitet, wird zunehmend deutlich, wie sehr der globalisierte Kapitalismus die Lebensgrundlage der Menschen entzieht und zerstört. Auch in Griechenland und Portugal treiben die Folgen der Wirtschaftskrise und die Misswirtschaft der herrschenden Parteien die Menschen massenhaft auf die Straßen.
Von den meisten Medien verschwiegen oder heruntergespielt – oft auch verteufelt und von der Polizei verprügelt – hat sich die Mobilisationsfähigkeit dieser neuen „basis-demokratischen“ Vollversammlungen mittels digitaler Medien und horizontaler Organsiationsformen ein neues Forum öffentlichen Protests geschaffen.
Trotz der üblichen Polizeigewalt gehen die Besetzungen auch am heutigen Wahlsonntag weiter, während die Bürger/innen ihren Vertreter/innen in Gemeinde und Region ihre Stimme abgeben. Die parteikritischen und institutionsfeindlichen Strömungen, die auch aus den Bildungskämpfen und der Anti-Globalisierungsbewegung erwachsen sind, haben stattdessen der Bürokratie und Elendsverwaltung ihr Vertrauen entzogen und Massenblockaden durch Besetzungen als ihre Protestform gewählt.
Es bleibt abzuwarten, ob sich aus der jugendlichen Kritik an den Folgen der Wirtschaftskrise auch eine Ablehnung der kapitalistischen Ausbeutung und entwickeln wird. Die nächsten Tage werden zeigen, ob mit dem Stichtag der spanischen Regionalwahlen auch die Mobilisationsfähigkeit der Protestbewegung vorüber ist, oder ob sich eine systemkritische Bewegung bildet, die auch auf wirtschaftlichem Gebiet konkrete Kämpfe unterstützt oder führt. Bisher wird dort dazu aufgerufen, dass Vertreter/innen von Kirchen, Parteien und Gewerkschaften sich zwar als Einzelperson, aber nicht als Organsiation an den Protesten beteiligen können. Die Vollversammlung mit offenem Mikrophon bleibt das Medium der Selbstbestimmung.
Mit zwei Erklärungen gegen die staatliche Repression und für Solidarität mit den Besetzungen zeigt die anarchosyndikalistische CNT-IAA, dass sie die Protestbewegung personell und inhaltlich unterstützt. Einen Aufruf zum Wahlboykott bei den Regionalvertretungen hatte sie bereits zuvor veröffentlicht. Auf dem sogenannten „Tahrir-Platz“ von Barcelona fand auch bereits eine Konferenz zur Gründung von Kooperativen statt, das das libertäre „Institut für Wirtschaftsforschung und Selbstverwaltung“ (ICEA) organisiert hatte.
Für den 04.06. haben die Anarchosyndikalist/innen der CNT-IAA zudem eine landesweite Demonstration in Madrid gegen die Sozialpartnerschaft der reformistischen Gewerkschaften und den zunehmenden Abbau von Rechten geplant.
Anarchosyndikat Köln/Bonn
Dieser Artikel ist gemeinfrei bei Nennung der Autor/innen und der Webseite http://anarchosyndikalismus.org