Irland: Warum wir um keinen toten CEO trauern

In der Dezember-Ausgabe ihres Magazins „Black Star“ hat die nordirische Basisgewerkschaft „Organise!“ (Freund*innen der IAA) folgenden Text veröffentlicht:

Anfang des Monats wurde Brian Thompson, der Geschäftsführer [CEO] von UnitedHealthcare von einem einzelnen Schützen ermordet. UnitedHealthcare ist ein multinationale private Krankenversicherung mit Sitz in Minnesota (USA). Diese Firma betreibt durch die Befolgung der rücksichtslosen kapitalistischen Grundsätze eine höhere Gewinnsteigerung – durch die Warenförmigkeit von menschlichen Gesundheitsbedürfnissen – als ihre gesamte Konkurrenz.

Ihrem ehemaligen Geschäftsführer hat es einen riesigen persönlichen Wohlstand verschafft. Dieses wahnsinnige kapitalistische Modell der Krankenversicherung und der darauf aufbauenden Gesundheitsversorgung hat jedes Mitgefühl für Benachteiligte, Arme und Kranke verloren. Machen wir uns nichts vor: Das ist das „Modell“, welches uns mit der Aushöhlung des NHS [Nationalen Gesundheitsdienstes] aufgezwängt wird.

Der CEO von UnitedHealthcare wurde vor einem Hotel in Manhattan ermordet. Blickt man in die Sozialen Medien, dann sind die einzigen Leute, die über diesen Mord entsetzt sind, Schmarotzer und Geisteskranke wie er selbst. Die überwältigende Mehrheit sieht dies als einen Racheakt für das dauernde Elend, den Bankrott, die Schmerzen und das Leid, welches viel zu vielen Leuten durch das Streben nach immer höheren Gewinnen aufgrund ihrer medizinischen Kosten zugefügt wird.

(Quartalsgewinne von UnitedHealth 2009-2024 in Milliarden USD; CC:0)

UnitedHealthcare war einfach schnell in der ersten Reihe, wenn es darum ging, durch rücksichtslose Ablehung von Unterstützung zahlreiche Menschen in Schulden zu treiben und mit deren Gesundheit und Leben zu spielen. Sie haben damit allein in den letzen Jahren einen Überschuss von 47,5 Milliarden US-Dollar gemacht. Dadurch wurden sie eines der erfolgreichsten Unternehmen der Branche, wobei sie eine hohe Anzahl von Menschen in Schulden, Obdachlosigkeit und Tot getrieben haben!

Einer weiterer Beweis, falls nötig, für die hochgradige Unfähigkeit des kapitalistischen Prinzips mit immer weiter steigenden Profite die Qualität menschlichen Lebens zu verbessern. Bedenken wir dies, so ist es nicht überraschend, dass der für die Hinrichtung verhaftete und beschuldigte, Luigi Mandione (26) weltweit als Held gefeiert wird, der den Opfern dieses Systems ein Stück Gerechtigkeit verschafft hat.

Als Organise! International Workers’ Association glauben wir nicht, dass es mit einzelnen Aktionen möglich ist, wirksame Ergebnisse in dem Kampf um die Rechte der Arbeiter*innen und für eine bessere Welt zu erlangen. Obgleich die Herzen vieler CEOs und Kapitalist*innen nun angsterfüllt sein könnten, ist ihre übliche Reaktion auf solche individuellen Taten die Verstärkung der Unterdrückung. Wir glauben, dass wir nur durch gemeinsame Aktionen in gegenseitiger Solidarität beginnen können für eine gesellschaftliche Verbesserung zu kämpfen.

Doch angesichts der täglichen Realität von Krieg und Genozid, sowie drastischer Zerstörung der Arbeits- und Lebensbedingungen, anhaltender Inflation, Niedriglöhnen und dauernd lügenden Politiker*innen, sowie des weiteren Zusammenbruchs der Gesellschaft zugunsten besserer Ausbeutung, sollte individuelle Gewalt gegen Schmarotzer, wie Brian Thompson und andere politische und kapitalistische Kriminelle niemanden überraschen.

Wir werden, wie die große Mehrheit der arbeitenden Klasse und armen Leute, keine Träne vergießen, um den Tod dieses CEOs zu bedauern oder zu betrauern. Ebenso werden wir uns nicht der Verteufelung seines Attentäters anschließen.“

Quelle: Black Star, Issue 45, December 2024
https://organiseanarchistsireland.com/wp-content/uploads/2024/12/BlackStar45.pdf

Übersetzung [und Anmmerkungen]: ASN Köln (CC: BY-NC)

Mehr Infos über „Organise!“:
„Irland: Gewerkschaftliche Organisierung in Derry“

https://anarchosyndikalismus.blackblogs.org/2023/08/09/irland-gewerkschaftsorganisierung-in-derry