Anarchosyndikalismus muss Landrückgabe bedeuten

In einem Beitrag zum nordamerikanischen Anarchist Union Journal fordert Jeff Shantz im April 2024 die Rückgabe kolonial geraubten Landes an die indigenen Ureinwohner*innen:

Ein Grundsatz des grünen Syndikalismus ist, dass die Entwicklung und Ausbreitung des Kapitalismus durch untrennbar miteinander verschränkte Formen der Zerstörung (von Land, sowie von menschlichen und nicht-menschlichen Gemeinschaften) geschieht. Die Zerstörung von natürlichem Leben und die Zerstörung von menschlichem Leben gehen Hand in Hand. Ein Antrieb dazu ist die Ausbeutung der (auf Rohstoffe reduzierten) Natur und die Ausbeutung des Menschen (als Arbeitskraft).

Ein weiterer Grundsatz des grünen Syndikalismus ist, dass Arbeiter*innen auf Grundlage der gemeinsamen Stärke durch die Stellung in der Produktion am besten in der Lage sind, diese doppelte Zerstörung in allen Erscheinungsformen aufzuhalten. Doch Syndikalismus darf nicht die ökonomistische oder produktivistische Herangehensweise übernehmen. Er muss sich auf die jeweiligen Strukturen und Abläufe, sowie Zusammenhänge der kapitalistischen Entwicklung beziehen, ebenso wie auf die Ausbeutung.

Im Zusammenhang mit dem Siedlungskolonialismus bedeutet dies, die Wirklichkeiten der kolonialen Besiedlung (und ihre noch andauernde Entwicklung) ernst zu nehmen. Das bedeutet Solidarität mit indigenen Forderungen nach Landrückgabe [land back]. Der Siedlungskolonialismus ist einer der größten Verursacher*innen der Klimakrise. Und indigene Menschen kümmern sich in überwiegender Mehrheit um die weltweite Artenvielfalt.

Foto: Matt Hrkac (Melbourne 2022)

Der grüne Syndikalismus muss eine anti-koloniale Analyse in den Mittelpunkt seiner Ideen und Aktionen stellen. Dazu gehört es anzuerkennen, dass der Kapitalismus auf indigenem Land und gegen die Ureinwohner*innen eingeführt und verbreitet wurde. Ebenso muss anerkannt werden, dass die Zerstörung des Landes immer durch die Zerstörung der indigenen Gemeinschaften und Bevölkerungen stattgefunden hat. Es muss darüber hinaus anerkannt werden, dass indigene Bevölkerungen die wichtigste Rolle bei der Verteidigung des Landes und seiner Bestandteile geleistet haben und dies auch heute tun. Während sie gleichzeitig zu den am meisten ausgebeuteten und unterdrückten Teilen der Arbeiter*klasse gehören.

Syndikalist*innen sollten sich daher mit den Verteidiger*innen des Landes [land defenders] in Verbindung setzen und wirkliche Unterstützung leisten, sowie deren Anweisungen annehmen. Was Syndikalist*innen direkt machen könnten, wäre die Gründung einer besonderen Einsatzgruppe [flying squad] – eine schnelle Eingreiftruppe -zur Teilnahme an Aktionen zur Landverteidigung. Das kann bedeuten, sich an Blockaden zu beteiligen, Protestkundgebungen bei Abbaufirmen durchzuführen oder Schutzvorrichtungen bereitzustellen. Die Details sind dabei natürlich von den jeweiligen Bedürfnissen abhängig. Einsatzgruppe aus der Arbeiter*klasse bieten zudem Möglichkeiten der Einbeziehung von Arbeiter*innen zum Thema der Solidarität mit Ureinwohner*innen.

Anarchosyndikalist*innen, vor allem nicht-indigene, können in Gebieten, in denen Aktionen zur Landverteidigung stattfinden, die Aufgabe übernehmen falsche Vorstellungen der weißen Bevölkerung vor Ort in Frage zu stellen. Ein Beispiel dafür ist die Gründung einer Gewerkschaftsgruppe während der Landforderungen der Six Nations in Caledonia (Ontario) auf Wunsch der indigenen Organisator*innen. Diese bestand überwiegend aus weißen Gewerkschafter*innen, die von Tür zu Tür gingen und Informationen über die Landforderung und die Geschichte des umstrittenen Landes usw. verteilten. Sowohl um die die Leute über die Vorgänge und Ursachen (entgegen der rassistischen Erzählungen in Politik und Medien) aufzuklären, wie auch zur Bekämpfung der rassistischen Stimmung in der Stadt.

Außerdem sollten Syndikalist*innen sich auch an wichtigen Vorbildern orientieren, wie durch Indigene geführtes Organisieren am Arbeitsplatz abläuft. So zum Beispiel die „Bows und Arrows“ [Pfeil und Bogen] der IWW Local 526, gegründet von indigenen Hafenarbeiter*innen im sogenannten „Vancouver“ (die nicht zurückgegebenen traditionellen Gebiete der First Nations xʷməθkʷəy̓əm (Musqueam), Sḵwx̱wú7mesh (Squamish) und səlilwətaɬ (Tsleil-Waututh)).

Syndikalismus darf daher nicht bedeuten, dass Arbeitsplätze oder Betriebe auf gestohlenem Land betrieben werden. Die Enteignung des Kapitals heißt, die Systeme von Einhegung, Enteignung und Kolonialismus zu beenden, auf denen das Kapital und der Kapitalismus aufbauen. Wahre ökologische Renaturierung – und Überleben – bedeutet eine Wiederherstellung des indigenen Landes. Das bedeutet die Landrückgabe, wie sie von den indigenen Bevölkerungen gefordert wird.

Quelle:
https://anarchistunionjournal.org/2024/04/11/anarcho-syndicalism-must-mean-land-back/

Übersetzung [und Anm.]:
Anarcho-Syndikalistisches Netzwerk – ASN Köln, https://asnkoeln.wordpress.com
(CC: BY-NC)