Teil 1: Warum die Ankündigung der Weltbank zur Bereitstellung von 200 Mrd. Dollar für die Bekämpfung des Klimawandels vielleicht doch keine gute Nachricht ist
Die Weltbank [WBG] hat Anfang Dezember 2018 angekündigt, dass sie zur Finanzierung von Maßnahmen gegen den Klimawandel rund 200 Mrd. $ zur Verfügung stellen will. Der Präsident der Weltbank, Jim Yong Kim, teilte in der Erklärung mit: „Es geht darum, dass Länder und Gemeinschaften in die Lage versetzt werden, eine sicherere und klimaresistentere Zukunft aufzubauen.“ Die Ankündigung wurde allgemein begrüßt und Viele hoben hervor, dass die Bank damit eine starke Führungsrolle übernimmt und ein deutliches Zeichen an privatwirtschaftliche Kapitalgeber*innen sendet.
Doch bevor wir alle in Jubel ausbrechen, sollte erwähnt werden, dass die Weltbank schon seit langem dafür bekannt ist, etwas anzukündigen, aber das Gegenteil davon zu tun. Beispielsweise hatte derselbe Herr Kim 2015 einen Fünf-Punkte-Plan zur Entwicklung eines kohlenstoffarmen Wachstums angekündigt, in dem ein Ende von Fördergeldern für fossile Energie ausgerufen wurde. Doch später stellte sich heraus, dass die Weltbank stattdessen den Ausbau fossiler Brennstoffe mit bis zu 3,4 Mrd. $ gefördert hat, was eine Steigerung von 22% gegenüber dem Vorjahr bedeutete.
Dass die Weltbank ankündigt den Planeten zu retten, während sie hinter den Kulissen dabei hift ihn zu zerstören, dürfte eigentlich niemanden überraschen. Im Jahr 2016 wurde aufgedeckt, dass die Bank bei der Finanzierung einer neuen Generation von Kohlekraftwerken und anderen fossilen Energieprojekten in Bangladesch, Indien und auf den Philippinen geholfen hat. 2017 kam heraus, dass sie Investitionen zur Förderung von Kohle, Öl und Gas in Peru, Indonesien, Ägypten und Mosambik in die Wege geleitet hat.
„Oil Change International“ hat 2016 öffentlich gemacht, dass die „Multilaterale Investitions-Garantie-Agentur“ (MIGA) als Mitglied der Weltbank-Gruppe 1,9 Mrd. $ in Energie investiert hatte, von denen 900 Mio. an fossile Treibstoff-Projekte gingen, aber kein Cent für alternative Energieträger, wie Solar, Wind oder Geothermie, bereitgestellt wurde. Die restliche Million Dollar wurde ausgegeben für Projekte, wie große Wasserkraft-Staudämme, welche nicht länger als grüne Energie angesehen werden, wegen ihrer schädlichen Auswirkungen auf das Klima durch fortschreitende Entwaldung und Freisetzung von Kohlendioxid und Methan.
Doch damit endet noch nicht der negative Einfluss der Weltbank auf das Klima, denn sie hat eine lange Vorgeschichte der Unterstützung großangelegter Bauprojekte, die verheerende Auswirkungen auf die Umwelt und auf lokale Gemeinschaften haben können. Im vergangenen Jahrzehnt wurde schätzungesweise 3,4 Milliarden Menschen vertrieben durch Projekt, die von der Weltbank finanziert worden sind. Zum Beispiel wurden für den Bau des Bakun-Staudamms im Osten von Malaysia fast 10.000 Menschen vertrieben.
Das hat die Weltbank jedoch nicht davon abgehalten, sogenannte „Mega-Korridore“ zu unterstützen. Dabei handelt es sich um riesige Projekte im Bereich Transport, Wasserumleitung (Inter-basin water transfer), Häfen, Pipelines und Industriezonen. Teilweise dienen diese Projekte dazu, einen Zugang zur Erdöl- und Mineralien-Förderung in solchen Gebieten zu ermöglichen, die bisher als nicht-abbaubar angesehen wurden. Ein weiterer Grund für diese Projekte ist, dass das Kapital dorthin gehen kann, wo die Arbeitskraft am billigsten ist und am einfachsten ausgebeutet werden kann.
Im Dezember 2017 hatte die in Belgien ansässige Nicht-Regierungsorganisation „Counter Balance“ einen Bericht veröffentlicht, der den Schwerpunkt auf diese „Mega-Korridore“ legt. Dabei wurden die Widersprüche hervorgehoben, die sich zwischen dem Einsatz der Weltbank für eine neue Generation von „Mega-Infastruktur“ einerseits und wirksamem Klimaschutz andererseits auftut:
„Der Bau von geplanten Mega-Korridoren würde (…) bedeuten, das heutige Entwicklungsmodell auf Grundlage von Rohstoffabbau [Extraktivismus] festzuschreiben. Solche Pläne (…) beruhen weitgehend auf fossilen Energien, Bergbau und größflächiger Agrarwirtschaft. (…) was gundsätzlich nicht zu vereinbaren ist mit dem Kampf gegen den Klimawandel.“
Der Bericht führt weiter aus:
„Kein Kontinent (außer der Antarktis) ist davon ausgenommen. Von Afrika über Asien bis zur Arktis und nach Südamerika wurden Leitpläne erstellt, um ganze Landmassen (und die sie verbindenden Seegebiete) neu zu formen als ‚Produktions- und Verteilzentren‘, ‚Übergangsgebiete‘, ‚Entwicklungskorridore‘ oder ‚Exportzonen‘. Millionen Menschen werden davon betroffen sein, werden umgesiedelt um Platz zumachen für Straßen, Häfen, Eisenbahnen und Flughäfen. Oder sie werden verwandelt in haufenweise billige Arbeitskräfte für die Bergwerke, Plantagen und Fabriken.“
Angesichts dessen ist die Ankündigung der Weltbank, dass sie 200 Mrd. $ zur Investition in die Bekämpfung des Klimawandels zur Verfügung stellen will, vielleicht doch keine gute Nachricht!
Teil 2: Weitere schlechte Nachrichten von der Weltbank
Im Weltentwicklungsbericht 2019, dem Aushängeschild der Weltbank, wurde unter dem Titel „Die Natur der Arbeit verändern“ ein weitreichender Regelabbau in der Arbeitswelt gefordert. Damit sollen die Staaten auf die anscheinend nötigen Veränderungen der Arbeitsbedingungen eingestimmt werden. Der Bericht verspricht dem Kapitalismus eine rosige Zukunft, in der die Unternehmen von ihrer Last ihrer Beteiligung an der Sozialversicherung befreit werden und den eigenen Vorstellungen entsprechend flexible Niedriglöhne zahlen dürfen, sowie die Macht bekommen ihre Leute willkürlich zu feuern.
Daher wird im Weltbankbericht natürlich der weltweite Rückgang des Anteils der Arbeitseinkommen am Nationaleinkommen nicht erwähnt. Auch auf das absichtliche Unterlaufen der Arbeitsbedingungen durch Unternehmensstrategien, wie Auslagerung (outsourcing) oder Scheinselbständigkeit, eingegangen. Stattdessen unterstützt der Bericht solche Unternehmen wie Uber darin, indem behauptet wird, dass deren Arbeiter*innen keine Angestellten sind, sondern „als eigenständige Kategorie von Arbeit entstehen“ würden.
Indem er sich für eine noch weiter gehende Entregelung ausspricht, behauptet der Weltbankbericht, dass die Regulierung „die Wenigen beschützt, die formelle Jobs haben, aber die meisten Arbeiter*innen ausschließt“. Daher schlägt der Bericht in einer beachtlichen Geste des Egalitarismus vor, dass alle Arbeitsvorschriften abgebaut werden sollten, damit jede*r gleich [schlecht] behandelt wird. Darüber hinaus wird betont, dass im Zeitalter der Automation „belastende Vorschriften den Firmen höhere Kosten durch die Neuordnung ihrer Arbeitskräfte bei der Anpassung an veränderte Technologien“ auferlegen würden.
Diesem neoliberalen Unsinn fehlt jeder Bezug zur Realität. Die Vorstellung, dass je mehr Regelungen auf dem Arbeitsmarkt abgebaut werden, umso eher – auf wundersame Weise – eine Hightech-Wirtschaft voll von hochqualifizierten und bestbezahlten Arbeitskräften entsteht, ist ein Witz.
An dem „grandiosen“ Zustand der eigenen Wirtschaft [im Vereinigten Königreich] ist nämlich erkennbar, dass eine Ausweitung unsicherer Arbeitsverhältnisse eher dazu führt, dass Unternehmen ihre Investitionen in Hochtechnologie zurückhalten, da wegen der niedrigen Lohnkosten nur noch wenig Einsparungen zu erwarten wären. Das hat dazu geführt, dass die Wirtschaft in Britannien durch Niedriglöhne, Unterqualifizierung und schwache Produktivität festgefahren ist. Die Löhne müssen sogar staatlich gefördert werden und die Arbeiter*innen versuchen ihre Einkommensverluste durch immer höhere Schulden auszugleichen.
Seit der Veröffentlichung des Berichtentwurfes gab es zunehmend Kritik an der Weltbank. Zum Beispiel hat [die entwicklungspolitische NGO] Oxfam hervorgehoben, dass deren Sichtweise auf den Sozialschutz die Kosten für die unterstützten Arbeiter*innen und armen Haushalte nur den Regierungen zurechnet, aber die Arbeitgeber*innen außen vor lässt. Dazu führten sie aus: „Der Weltentwicklungsbericht lässt schwere Zweifel aufkommen, dass die Weltbank die Absicht hat, die Schere zwischen Arm und Reich zu schließen.“
Noch erschreckender als die Tatsache, dass die Weltbank Großunternehmen unterstützt, ist jedoch die Frage, warum Organisationen wie Oxfam und die „Internationale Arbeitsorganisation“ [ILO] darüber erstaunt sind. Diese Bank wurde vom westlichen Kapitalismus direkt nach dem Zweiten Weltkrieg gegründet, um dessen Interessen zu vertreten. Seitdem hat die Weltbank als Werkzeug des Kalten Krieges gedient und dabei geholfen, die Macht des westlichen Kapitalismus über die [sogenannten] Entwicklungsländer aufrecht zu erhalten und diesen Ländern im Austausch für Kredite eine Freihandelspolitik aufzuzwängen.
Die erste Leihgabe der Weltbank ging an das Nachkriegsfrankreich mit der klaren Auflage, dass dessen öffentliche Ausgaben gekürzt werden und die Rückzahlungen oberste Priorität haben. Der Kredit erfolgte nur unter der Bedingung, dass die Unterstützer*innen des [Staats-]Kommunismus aus der Französischen Regierung entfernt werden.
Nach der Einführung des „Marshallplans“ [US-Wirtschaftshilfe zum Wiederaufbau Westeuropas] in der unmittelbaren Nachkriegszeit richtete die Weltbank ihr „fürsorgliches“ Interesse auf die Entwicklungsländer. Dort wurden von den Regierungen allerdings viel höhere Zinsen verlangt als die Handelsbanken berechneten. Das führte zu Forderungen nach einer Reform der Weltbank, wobei einige dieser Länder sogar vorschlugen eine eigene Bank zu gründen, die ihre Interessen vertritt.
Ungehindert begann die Weltbank damit, Kredite an Projekte zu vergeben, welche dazu dienen sollten, den Export von Rohstoffen aus Ländern der sogenannten „Dritten Welt“ zu erhöhen. Gleichzeitig weigerte sie sich, Projekte zu fördern, die den dortigen Inlandsbedarf decken könnten. All das diente dazu, die Abhängigkeit der Entwicklungsländer von westlichen Produkten zu erhöhen. Um dies noch weiter abzusichern, führte die Weltbank dann Kredite ein, welche die an die Bedingung geknüpft waren, dass diese Länder dafür Waren und Dienstleistungen aus der „entwickelten“ Welt kaufen müssen. Das führte dazu, dass in den ersten fünfzehn Jahren nach Gründung der Weltbank jedes Jahr mehr als 93% der verliehenen Gelder in Form von Einkäufen in die Industrieländer zurückflossen.
In den 1980er Jahren diente die Weltbank – und der „Internationale Währungsfonds“ [IWF] als ihr Komplize – dazu, das Dogma des „freien Marktes“ in Form von Strukturanpassungsprogrammen durchzusetzen. Im Gegenzug für Kredite sollten diese Reformen die Staaten dazu bringen, die öffentlichen Ausgaben zu kürzen und den Arbeitsmarkt zu entregeln, sowie Löhne, Renten und Sozialleistungen zu kürzen. Auch die staatliche Unterstützung für Lebensmittel, Mieten und Brennstoffe musste abgebaut werden, zudem wurde eine weitläufige Privatisierung [öffentlicher Einrichtungen] und die Zerschlagung der organisierten Arbeiter*schaft gefordert.
Nach diesem Vorbild wurde von der Weltbank eine „wirtschaftliche Schocktherapie“ gegen ehemalige Länder der Sowjetunion angewendet [bei der nach dem Zusammenbruch des Staatssozialismus die Zentralverwaltungswirtschaften marktförmig umgebaut wurden]. Und auch die Europäische Union war nicht länger unantastbar geworden als solche Maßnahmen in Griechenland während der Eurokrise [2010] umgesetzt wurden.
Und diese Weltbank-Strategie des „freien Marktes“ wird auch heute noch angewendet. Beim Verfassen dieser Zeilen erreiche die Autor*innen die Nachricht von der Schwestergewerkschaft ZSP-IAA aus Polen, dass die Weltbank aktuell die polnische Regierung dabei berät, wie sie die staatlichen Wohnungen privatisieren kann.
Denn tatsächlich ist die Weltbank trotz all der hohlen Versprechen über Gleichheit und Armutsbekämpfung eine kapitalistische Institution, deren Hauptaufgabe es ist, die Interessen des Kapitalismus zu vertreten. Und als solche muss sich ihr widersetzt werden, ebenso wie dem System, das sie geschaffen hat.
Solidarity Federation Manchester (SF-IAA)
Quellen:
http://www.solfed.org.uk/manchester/more-bad-news-from-the-world-bank
Übersetzung und Anmerkungen: ASN Köln
(CC: BY-NC, http://asn.blogsport.de)