Bangladesch: Textilarbeiter*innen erkämpfen Mindestlohn-Erhöhung

Die Bekleidungsindustrie der bengalischen Volksrepublik exportiert für einige der weltweit größten Markenunternehmen (Aldi, H&M, Primark, Tesco, Walmart, Zara) jedes Jahr Waren im Wert von rund 30 Milliarden Dollar und macht damit 80% des Außenhandels des südasiatischen Landes aus.

Bereits im Juli 2018 hatten die Arbeiter*innen der Bekleidungsindustrie in Bangladesch gestreikt, demonstriert und den Verkehr aufgehalten, da ihnen Lohn vorenthalten worden war (siehe „Solidarität mit dem Kampf der Textilarbeiter*innen“).

Textilarbeiter*innen-Straßenblockade, Dhaka 2019

Im September 2018 hatte die Regierung angekündigt, den Mindestlohn zum ersten Mal seit 2013 um bis zu 51% auf 8.000 Taka (83 Euro) im Monat anzuheben. Doch die Textilarbeiter*innen mussten feststellen, dass die stufenweise Erhöhung überhaupt nur einem kleinen Teil der fast 4 Millionen Lohnabhängigen in der Branche zugute kommt. Die von der Regierung vor den Parlamentswahlen Ende 2018 versprochenen Änderungen seien jedoch auch nach zwei Monaten noch nicht angemessen umgesetzt worden, was aktuell zu einer Woche andauernder Proteste und zahlreichen direkten Aktionen führte.

Am Dienstag 08.01.2019 hatten tausende Textilarbeiter*innen in zahlreichen Fabriken die Arbeit niedergelegt und stundenlang eine zentrale Autobahn in der Millionenmetropole Dhaka blockiert, um ihrer Forderung nach einer Erhöhung des Mindestlohns Nachdruck zu verleihen. In den nördlichen Vororten war dadurch der Verkehr auf einer wichtigen Verbindungsroute zum Erliegen gekommen.

Die Arbeiter*innen forderen unter anderem eine Anhebung des monatlichen Mindestlohns in der Textilindustrie von 10.000 Taka (104 Euro) auf 16.000 Taka (16 Euro), berichtete die Anarchosyndikalistische Föderation Bangladesch (BASF). Darüber hinaus kämpfen sie für die Einführung eines Kündigungsschutzes und für 51% Lohnerhöhung für die älteren Kolleg*innen, die in den Fabriken als Aushilfen arbeiten.

Foto: Mona Mijthab, 2011, https://commons.wikimedia.org)

Ihnen gegenüber steht auf der Arbeitgeber*seite Fazlul Haque, der Firmenchef von „Versatile Apparel Private Ltd“, der den Medien mitteilte, diese Themen im Industrieverband „Bangladesh Garment Manufacturers and Exporters Association“ (BGMEA) besprechen zu wollen. Nach dieser Zusage und angesichts eines massiven Polizeieinsatzes war die Straßenblockade vorerst beendet worden.

Daraufhin verkündete die Regierung von Bangladesch, dem weltweit zweitgrößten Textilexporteur nach China, daß sie über die Forderungen zur Erhöhung des Mindesteinkommens nachdenken werde. Zuvor war es zu Auseinandersetzungen zwischen der Polizei und protestierenden Arbeiter*innen gekommen, bei denen dutzende Kolleg*innen verletzt wurden.

Doch bereits am folgenden Mittwoch gingen in dem nordwestlich der Hauptstadt gelegenen Industriegebiet Savar die Straßenproteste mit Verkehrsblockaden weiter, auch Barrikaden aus Autoreifen wurden angezündet. Nach Angaben von Polizei und Gewerkschaftsbürokratie wurden bei den Ausschreitungen mehr als 24 Leute verletzt, darunter auch Sicherheitskräfte. Der 22-jährige Textilarbeiter Sumon Miah wurde dabei durch Polizeigewalt getötet.

Die Staatsmacht habe angeblich zunächst versucht die Arbeiter*innen zu überreden, die Straßen wieder frei zu machen, doch sie wurde stattdessen mit Steinen beworfen, weshalb sie die Versammlung brutal aufgelöst habe. Gewerkschafter*innen berichteten, dass die Polizei an mehreren Stellen die versammelten Arbeiter*innen mit Schlagstöcken, Tränengas, Gummigeschossen und Wasserwerfern angegriffen haben. Ähnliche Proteste fanden zudem im nordöstlichen Stadtbezirk Mirpur statt, doch diese verliefen nach Polizeiangaben wohl gewaltfrei.

Polizei bei Demonstration von Textilarbeiter*innen, Dhaka 2019

Auf Betreiben der Regierung haben sich daraufhin die Fabrikbesitzer*innen mit Vertreter*innen von Gewerkschaften und Behörden zusammengesetzt, um über die Forderungen zu verhandeln, berichtete Handelsminister Tipu Munshi von der muslimisch-nationalistischen Regierungspartei „Awami League“. Auch die anarchosyndikalistische Basisgewerkschaft BASF fordert eine baldige Lösung des Konfliktes, da der Arbeitskampf ansonsten weitergehen werde.

Auch die folgenden Tage wurden die Demonstrationen fortgesetzt, doch nachdem am Wochenende einerseits mit massenhafter Aussperrung gedroht wurde und andererseits den Protestierenden von der Regierung erneut Zusagen über eine sechsstufige Lohnerhöhung gemacht wurden, haben einige Textilarbeiter*innen ihren Streik beendet und die Straßenblockaden in Dhakas Stadtbezirk Mirpur aufgelöst.

Der Präsident der reformistischen „National Garment Workers Federation“ (NGWF), die dem internationalen Gewerkschaftsverband IndustriALL angeschlossen ist und die Textilarbeiter*innen in der trilateralen Verhandlungskommission repräsentiert, erklärte jedenfalls gegenüber der Presse, dass er zwar dem Verhandlungsergebnis zustimme, aber mit der „Anarchie“ der vergangenen Tage nicht einverstanden sei: „Als Gewerkschaften haben wir ein Recht auf Protest, aber das bedeutet nicht Vandalismus und Straßenblockaden.“

Ob auch die rund 50.000 Textilarbeiter*innen auf der Straße mit dem Abkommen, das einige Gewerkschaftsführer*innen abgeschlossen hat, einverstanden sind und wie lange die Proteste andauern werden, ist noch unklar. Auch eine Woche nach Beginn der Arbeitsniederlegungen demonstrierten am Montag 14.01. weiterhin Tausende für gerechte Mindesteinkommen, aber auch gegen aktuelle Lohnkürzungen für Streikende und gegen die massive Polizeigewalt.

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