Die Solidarity Federation im britischen Calderdale hat eine Stellungnahme zur Wahlbeteiligung verfasst, in dem sie mit dem verbreiteten Vorwurf aufräumt, dass man sich über das Ergebnis nicht beschweren dürfe, wenn man sich vorher nicht an der Wahl beteiligt habe. Stattdessen formulieren sie es so: Wer immer nur wählen geht, darf sich danach nicht über das Ergebnis wundern.
Als verändernde Kraft in der Geschichte sehen sie eher die direkten Aktionen und die Organisierung an der sozialen Basis: Von Arbeitskämfen über Frauenrechte zu anständigen Löhnen und sogar das Wahlrecht selbst wurden gesellschaftliche Veränderungen auf der Straße und am Arbeitsplatz in Bewegung gebracht und nicht in den Parlamenten. Denn die Herrschenden versuchen den nötigen Wandel immer so lange wie möglich zu vermeiden, bis sie schließlich der rebellischen Bevölkerung ein paar Brotkrumen zur Beruhigung vorwerfen können.
Dafür gibt es in der Geschichte zahllose Beispiele, auch auf Seiten der Sozialdemokratie, und nicht erst seit infolge des Zweiten Weltkriegs die staatlichen Sozialleistungen in Westeuropa dazu dienten, den Klassenfrieden zu schließen und die Arbeiter*innen gegen den Kommunismus als gemeinsames Feindbild einzuschwören. So war zum Beispiel das britische Gesundheitssystem ein Zugeständnis gegenüber den damaligen Bestrebungen der Arbeiter*innen nach einem sozialen Wechesel mit revolutionärer Perspektive.
Wenn uns heute im Wahlkampf die Sozialdemokratie eine Befreiiung von der Unternehmensherrschaft verspricht und höhere Steuern für Kapitalist*innen ankündigt, so dient dies natürlich nicht nur ihrem eigenen Selbsterhaltungsinteresse als parlamentarische Parteien. Denn es gilt die die unzufriedene Bevölkerung ruhig zu stellen, damit sie bloß auf ihre Stellvertreter*innen vertraut, welche versprechen mit ein paar Gesetzesänderungen den globalen Krieg der marktwirtschaftlichen Profiteure gegen die zunehmende Enteignung von Großteilen der Menschheit in die passenden Bahnen zu lenken.
Stattdessen müssen wir die Hoffnung auf einen Wandel durch Stellvertretung zerstören und uns selbst organisieren, um diese Angriff auf unsere Selbstbestimmung zurück zu schlagen. Nicht den Mächtigen mehr Macht zu geben wird einen sozialen Fortschritt bringen, sondern eine starke Bewegung, die ihre gemeinsame Kraft dazu nutzt solche Institutionen überflüssig zu machen. Wenn wir die Betriebe selbst leiten, brauchen wir keine netteren Chefs. Wenn die Arbeitenden über alle ihre Belange selbst entscheiden können, wozu dann noch eine betriebliche Mitbestimmung im Management?
Warten wir also nicht darauf, dass uns eine Regierung Besserung breingt, sondern schaffen wir selbst Mittel und Wege die Gesellschaft und ihre nötigen Einrichtungen zu organisieren. Das haben schon viele Leute vor uns getan, wobei die soziale Revolution während des Spanischen Bürgerkriegs ein herausragendes Beispiel war: Selbstorganisierte Krankenhäuser wurden errichtet, Straßen gebaut, die lebenswichtige Infrastruktur aufrecht erhalten – und das alles unter der ständigen Bedrohung der faschistischen Angriffe, die zurückgeschlagen werden mussten.
Anarchosyndikalist*innen waren und sind in solchen selbstbestimmten gesellschaftlichen Bewegungen aktiv, führen erfolgreiche Arbeitskämpfe und setzen ausstehende Lohnzahlungen durch. Das einzige, was uns daran hindern kann mehr zu werden, sind wir selbst – fügt die SF-IAA Calderale selbstkritisch an.
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