Der Erste Mai ist der Tag der Arbeit und der Tag an dem wir des Haymarket-Aufstands von 1886 in Chicago, sowie dem folgenden Blutbad gedenken. An diesem Tag gedenken und erneuern wir den Kanpf gegen die elenden Arbeits- und Lebensumstände. An diesem Tag kämpfen wir mit besondere Kraft gegen Staat und Kapital, für eine bessere Welt auf Grundlage von Selbstbestimmung, Solidarität und freiem Zusammenschluss.
Letztes Jahr wurde die Demonstration zum Ersten Mai in Utrecht von heftiger Repression betroffen, wobei der Bürgermeister Wolfsen (von der sozialdemokratischen PDVA) ein wachsames Auge auf uns hatte. Dieser Trend wurde in diesem Jahr in Amsterdam mit aller Härte fortgesetzt durch den Bürgermeister Van der Laan (ebenfalls PVDA). Van der Laan hatte nämlich schon lange vorher angekündigt, dass es sich um eine “Hausbesetzerdemo” handeln würde und dass Leute vom “Schwarzen Block” erwartet werden würden. Diese beiden Bezeichnungen wurden benutzt, um alle Anwesenden zu stigmatisieren und dem Polizeiapparat von vorne herein einen Freibrief für grenzenlose Gewalt zu geben.
Durch diese Rahmenbedingungen und die Vorverurteilung, welche bestimmte Vorurteile aus jahrelangen Medienkampagnen schürten, war jede Form von Rechtfertigung nicht mehr nötig. Die Leute wurden gewarnt: “Schließ dich nicht dieser Demonstration an, hier wird nämlich Gewalt angewendet.” Dass, wie Peter Storm dargelegt hat, der “Schwarze Block” überhaupt keine Organisation, sondern eine Taktik ist, und dass hier eine Erste-Mai-Demonstration und keine “Hausbesetzerdemo” betroffen war, blieb in Folge dessen unwichtig, denn die Worte des Bürgermeisters und des Polizeichefs wurden von den Massenmedien kritiklos übernommen.
Trotzdem hatten sich rund zweihundert Menschen auf der Demonstration versammelt, die mit einer aufmunternden Ansprache auf dem Mercatorplein begann, die ihr euch *hier* ansehen könnt. In diesem Moment war es eher ruhig auf dem Platz und es gab auch keine Anzeichen dafür, dass die Sache “aus dem Ruder” laufen würde, wie Bürgermeister und Polizeichef es der Welt weismachen wollten. Aber als der Demonstrationszug noch keine 220 Meter gelaufen war, wurde die Jan Evertsenstraat abgesperrt durch eine Reihe Einsatzkräfte auf Polizeipferden mit Unterstützung eines Wasserwerfers.
Als die Demonstration rechts abbog kamen aus allen Ecken und Ritzen Polizist/innen der Mobilen Einheit (ME) hervor und umstellten die Leute, drückten sie gegeneinander und zwischen Fahrradständer und geparkte Autos. Dabei konnten die wohlbekannten “Stillen” (Zivilpolizisten) ihre Kokainabhängigkeit zur Schau stellen, indem sie wie verrückt auf ungeschütze Demonstrant/innen einprügelten und mehrere Genoss/innen mit Gewalt festnahmen. Selbstverständlich wurde die Rechtsinformation “Widerstand ist gefährlich” noch schnell zwischendurch eingeflochten und die festgenommenen Demonstranten mal eben misshandelt, was *hier* deutlich zu sehen ist.
Nach gut einer Stunde ließ uns der Staat uns wieder gehen, nachdem das Wort “Gewaltmonopol” praktisch aufgezeigt wurde, und die verbliebenen Demonstrant/innen durften weitergehen. Weil aber fast alle Transparente und Fahnen beschlagnahmt worden waren, konnte die Aussage der Demonstration nicht mehr vermittelt werden. Die Demo zog schließlich in Richtung des Platzes De Hallen nahe dem Bellamyplein weiter, wo sie dann beendet wurde. Die Anwohner/innen rund um den Mercartorplein und entlang der gesamten Route waren deutlich geschockt von dem Auftreten der Polizei und einige hatten sich der Demonstration angeschlossen, nachdem die Trupps der Mobilen Einheit sich zurückgezogen hatten.
Der “Rechtssaat” in vollem Glanz
Diese Ereignisse sind jedoch kein Einzelfall, sondern eine strukturelle Entwicklung der zunehmenden Staatsgewalt in den Niederlanden. Ob nun die Demonstrationen gegen das Hausbesetzungsverbot 2010 in Amsterdam und Nijmegen oder die Studierenen-Demonstrationen im Januar 2011 in Den Haag oder der Erste Mai letztes Jahr in Utrecht – Stück für Stück wird die Polizei in fast militärischer Art gegen jede Opposition eingesetzt, um ihr im wörtlichen und im übertragenen Sinn den Kopf einzuschlagen. Gleichzeitig kann Bürgermeister Van der Laan sich am Tag der Befreiung [von der Nazibesatzung am 05. Mai] nur vier Tage später freuen, wie privilegiert wir hier in den Niederlanden mit unserem Rechtsstaat und unserer Meinungsfreiheit sind. Er selbst könne berichten, dass der Bürgermeister von Peking kürzlich anmerkte, welch eine “offene und freie Stadt” Amsterdam doch sei. Dass sich der Bürgermeister von Peking und Van der Laan jedoch auf einer Linie befinden, war am Ersten Mai deutlich zu sehen als der Rechtsstaat in vollem Glanz anschaulich geworden war.
Gleichzeitig ist es wichtig, dass wir als Bewegung über solche Ereignisse nachdenken, darüber reflektieren und daraus unsere Schlüsse für die Zukunft ziehen, wie etwa das Erste-Mai-Kommittee jetzt einen Versuch dazu gemacht hat. Noch wichiger aber ist, dass wir es nicht auf einer Erste-Mai-Demonstration beruhen lassen. Der Kampf gegen Staat und Kapital, aber auch für die Kontrolle über unser eigenes Leben, muss auch im Alltag praktisch werden, um den Aufbau einer kämpferischen Bewegung und starken Widerstandskultur in der heutigen Arbeiter/innen-Klasse aufzubauen – bei Hafenarbeiter/innen und Studierenden ebenso wie bei Arbeitslosen, Zeitarbeiter/innen und illegalen Migrant/innen.
Es lebe die soziale Revolution!
La lotta continua!
Anarcho-Syndicalistische Bond (ASB)
Quelle:
http://anarcho-syndicalisme.nl/wp/?p=1609
Übersetzung: Anarchosyndikat Köln/Bonn
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