Rezension: copy-and-paste-Syndikalismusforschung

Unter der Überschrift „copy-and-paste-Syndikalismusforschung“ enthält die neue Ausgabe der anarcho-pazifistischen Zeitschrift „Graswurzelrevolution“ (Oktober 2011, Nr. 362) auf ihren „Libertären Buchseiten“ eine Rezension des Historikers Dieter Nelles zu dem „bedenklichen Umgang mit Quellen“ in den Neuerscheinungen von Helge Döhring.

Der international als Syndikalismusforscher auftretende Döhring firmiert als Autor zweier 2011 erschienener Schriften, nämlich der von Syndikat A publizierten Edition Syfo Nr.1: „Die Presse der syndikalistischen Arbeiterbewegung in Deutschland 1918 bis 1933“, sowie des von Edition AV herausgegebenen Textes „Schwarze Scharen. Anarcho-Syndikalistische Arbeiterwehr (1929-1933)“.

Der anarchistische Historker Dieter Nelles kommt nach einer Analyse der vorliegende Texte mit dem zugrundeliegenden Quellenmaterial zu der folgenschweren Einschätzung:
„Bescheidenheit und wissenschaftliche Redlichkeit sind keine Tugenden Döhrings, denn sonst hätte er erwähnt, daß es diese ausführliche Bibliographie zum deutschen Syndikalismus schon längst gibt.“

Der Wuppertaler Wissenschaftler bezieht sich dabei vor allem auf Hartmut Rübners Klassiker „Freiheit und Brot“ (S.279-294), sowie um die umfangreiche und detaillierte „Datenbank des deutschsprachigen Anarchismus (DadA)“, die seit Jahren von Günter Hörig und Jochen Schmück aufgebaut und ergänzt wird (http://dadaweb.de).

Doch, wie Dieter Nelles über die verkürzte und selektive Quellennutzung von Döhring weiter ausführt, „hätte Döhring kenntlich gemacht, daß es sich bei seiner Bibliographie um eine erweiterte Printfassung der DadA-Datenbank handelt, wäre nichts dagegen einzuwenden, sofern ein Einverständnis bestanden hätte. Denn jedes der von ihm aufgeführten Blätter war und ist dort bereits zu finden. Aber daß die genannten Autoren in seiner im copy-und-paste-Verfahren hergestellten Arbeit überhaupt keine Erwähnung finden, kann man nur als dreist bezeichnen.“

Schließlich beschreibt Nelles an mehreren Beispielen, wie im „Institut für Syndikalismusforschung“ ohne eine eigene Analyse oder historische Befunde lediglich ausführliche Zitate kommentiert werden, um das Ergebnis dann als ein „Gesamtbild mit generellen Aussagen“ zu verkaufen. Das vernichtende Fazit von Dieter Nelles lautet daher auch:

„Durch beide Arbeiten zieht sich ein höchst nachlässiger Umgang mit den Quellen. Infolge der Ausblendung der wichtigsten Sekundärliteratur entsteht der Eindruck, der Verfasser könne eigene Rechercheergebnisse präsentieren.“

Stattdessen habe Döhring seine Befunde ohne jedwede Verweise im Wesentlichen aus den von ihm so konsequent ausgeblendeten Studien übernommen und deshalb könnten beide Arbeiten nicht zur Lektüre empfehlen werden.

k-asn

Siehe auch:
Graswurzelrevolution, Oktober 2011, Nr. 362, Libertäre Buchseiten, S.5
http://www.graswurzel.net

Literaturtipps:
Hartmut Rübner: „Freiheit und Brot. Die Freie Arbeiter-Union Deutschlands. Eine Studie zur Geschichte des Anarcho-Syndikalismus“, Berlin/Köln 1994
sowie (ders.):
„Freie Arbeiter Union Deutschlands (Anarcho-Syndikalisten)“, in: „Lexikon der Anarchie“,
http://www.dadaweb.de/wiki/Freie_Arbeiter_Union_Deutschlands_%28Anarcho-Syndikalisten%29