Aufruhr am Mittelmeer

In vielen Staaten rund um das Mittelmeer geht zur Zeit die Bevölkerung auf die Straße und kämpft für ihre Rechte: Ägypten, Griechenland, Italien, Spanien, Tunesien…

Generalstreik in Griechenland

In Griechenland hatte Ende 20110 ein weiterer Generalstreik gegen die Sparprogamme der Regierung stattgefunden. Bei den Protesten am 15.12. war eine wütende Menge auf den ehemaligen Entwicklungsminister Chatzidakis losgegangen. Es gab Straßenschlachten mit der Polizei und das Finanzministerium wurde angegriffen. Der reformistische Gewerkschaftsverband GSEE berichtete, dass Schwerindustrie, Verkehr und Dienstleistungen an dem Tag fast total bestreikt wurden.

Mit dem Jahreswechsel sind durch die Mehrwertsteuererhöhung auch die Preise für die Grundversorgung angehoben worden, während die Sozialleistungen gekürzt werden. Dies ist auf die Sparmaßnahmen der Europäischen Union und des Internationalen Währungsfonds zurückzuführen, die die griechische Krisenwirtschaft vor dem Zusammenbruch retten sollen. Neben den höheren Preisen müssen die Arbeiter/innen nun auch gegen Lohnkürzungen, Entlassungen und eine hohe Arbeitslosigkeit kämpfen.

Bei den Massenprotesten sind zudem in den letzten zwei Jahren tausende Demonstrant/innen festgenommen und hunderte vor Gericht gestellt worden. Die andauernden gewaltsamen Angriffe von Polizei und bewaffneten Nazischlägern haben wiederholt zu Straßenschlachten mit brennenden Barrikaden geführt.

Trotzdem entlädt sich die Wut der Bervölkerung immer wieder an verschiedenen Punkten, ob gegen den Bau einer Müllverbrennungsanlage bei Athen oder dem Boykott von Mautgebühren und Fahrkarten im Öffentlichen Nahverkehr.

Tunesien im Umbruch

Im Januar folgten dann in Nordafrika Aufstände, die nicht nur die arabische Welt aufhorchen lassen. In Tunesien hat die Bevölkerung seit Ende Dezember gegen das das korrupte und gewaltsame Regime der Präsidentenfamilie Ben Ali protestiert. Spontane Proteste nach der Selbstverbrennung eines arbeitslosen Gemüsehändlers wurden mit Hilfe von Handys und Internet koordiniert. Aus den dezentralen Demonstrationen wurde innerhalb weniger Tage ein Volksaufstand gegen den seit 23 Jahren regierenden Präsidenten, seine Klanherrschaft und die staatssozialistische Einheitspartei RCD.

Ben Ali flüchtete Mitte Januar nach Saudi-Arabien und der ehemalige Minister Mohammed Ghannouchi führt seitdem eine „Regierung der Nationalen Einheit“ zusammen mit drei Oppositionsparteien in den Demokratisierungsprozess, der in Neuwahlen münden soll. Doch Armut, hohe Nahrungmittel­spreise und vor allem die Arbeitslosigkeit unter den zahlreichen gebildeten Jugendlichen haben eine Generation ohne wirtschaftliche Perspektiven hervorgebracht. Mit Neuwahlen werden diese Probleme nicht zu lösen sein. Außerdem gehen Spezialeinheiten der Polizei weiterhin gegen Demonstrationen mit äußerster Brutalität vor. Bisher sind rund 80 Menschen während des revolutionären Umbruchs getötet worden. Gleichzeitig versuchen islamistische Oppositionspolitiker aus dem Volksaufstand politisches Kapital zu schlagen und sich als reformistische Alternative darzustellen.

Aufstand in Ägypten

Doch die aufständische Bewegung ist nicht auf Tunesien beschränkt, sondern auch in anderen Ländern Nordafrikas wurde sich daran ein Beispiel genommen. In Ägypten sind seit Ende Januar hunderttausende (meist männliche) Demonstranten auf den Straßen und fordern den Rücktritt des seit 1981 im Ausnahmezustand regierenden General Mubarak. Nach Massendemonstrationen und Straßenschlachten reagierten die Sicherheitskräfte mit der Freilassung von Strafgefangenen, die zu Plünderungen angestiftet wurden. Damit soll die allgemeine Unsicherheit verstärkt und der starke Staat herbeigesehnt werden. Spontan gegründete Nachbarschaftskomittees haben nun begonnen Polizisten festzunehmen und die öffentliche Ordnung selbst in die Hand genommen.

Es gibt vermehrt Berichte über Fabrikbesetzungen und erste Aufrufe zum Generalstreik. Doch die Ausgangssperren und angedrohte Militäreinsätze konnten die Aufstandsbewegung nicht stoppen. Viele sind von dem gesamten politischen System in Ägypten enttäuscht und wollen nicht nur eine Reform oder Neuwahlen, sondern einen grundlegenden Wandel. Doch eine parlamentarische Alternative zu Mubarak ist momentan nicht in Sicht und die islamistische Muslimbruderschaft hat sich bisher größtenteils während des Aufstands zurückgehalten. In welche Richtung sich die Sozialproteste angesichts von Massenarbeitslosigkeit, Hungerlöhnen und gestiegenen Lebensmittelpreisen entwickeln, ist noch nicht abzusehen…

Und auch aus anderen arabischen Staaten, wie Algerien, Jordanien und Yemen werden Unruhen gemeldet, die sich gegen die herrschende Klasse richten. Währenddessen gehen die Protetste gegen die Sparmaßnahmen wegen der Wirtschaftskrise in den südeuropäsichen Staaten Italien und Spanien weiter. Am 28. Januar fand in Italien ein landesweiter Generalstreik der Basisgewerkschaften statt und einen Tag zuvor wurde in einigen Regionen Spaniens ebenfalls ein Generalstreik organisiert (siehe Artikel). Die Sparmaßnahmen angesichts der aktuellen Wirtschaftskrise und die zunehmend prekären Arbeitsbedingungen treiben immer wieder die Leute auf die Straße.

Auch wenn es in Europa nur vereinzelt zu organisierten Gegenmaßnahmen kommt und die Aufstände in Nordafrika einen ungewissen Ausgang haben, drückt sich darin jedoch die zunehmende Unzufriedenheit der Arbeiter/innen und Arbeitslosen aus. Die aktive Solidarität gegen Unterdrückung und Ausbeu­tung ist über alle Grenzen und Sprachbarrieren hinweg nun das Gebot der Stunde!

Anarchosyndikat Köln/Bonn

Dieser Artikel ist gemeinfrei bei nennung der Autor/innen und der Webseite http://anarchosyndikalismus.blogsport.de