Betriebsräte: 90 Jahre Burgfrieden

Im Jahr 2010 ist es nun neunzig Jahre her, dass in der Weimarer Republik das Betriebsräte­gesetz des Deutschen Reiches in Kraft trat. Nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg (1914-18) und der Novemberrevolution der Arbeiter- und Soldatenräte (1918/19) hatte sich die Sozialdemokratie als neue Herrschaftselite durchgesetzt. Eben jene SPD, die 1914 für die Kriegskredite des Kaisers gestimmt hatte, um von den reaktionären Kräften nicht als „vater­landslose Gesellen“ beschimpft zu werden.

Ebert und Noske wollten ihren Teil vom nationalistisch-kolonialistischen „Platz an der Sonne“ abhaben. Dafür waren sie und die sozialdemokratischen Gewerkschaften auch bereit gewesen, während des imperialistischen Krieges die Füße still und die Klappe geschlos­sen zu halten: Dieser Klassenkompromiss wurde als „Burgfrieden“ zum Symbol der Sozialdemokratie (lange bevor die National­sozialist/innen den Klassenkampf durch ihren „Rassenkampf“ zwangsweise abgeschafft und mit Betriebsführerprinzip die Arbeiterbewegung zerschlugen).

Im Stinnes-Legien-Abkommen zur Zentral­arbeitsgemeinschaft mit der Industrie zeigte sich 1918 erneut der Geist des gewerkschaftlichen Korporatismus. Im April 1920 liess die SPD-Regierung schließlich von Reichswehr und faschistischen Freicorps den Aufstand der Arbeiter/innen im Ruhrgebiet niederschießen und Verdächtige massakrieren. Und am Ersten Mai 1933 fordert der ADGB die „vollberechtigte Eingliederung der Arbeiterschaft in den Staat“ der nationalsozialistischen Parteidiktatur.

Die Teilhabe an der repräsentativen Macht, Mitbestimmung in den Konzernzentralen und Beschwichtigung der unzufriedenen Arbei­ter/innen sind bis heute zentrale Aufgabe des Deutschen Gewerkschaftsbundes.
Beim DGB klingt das heutzutage dann so:
„Besonders in Krisen bewähren sich Betriebs­räte als Teil der industriellen Demokratie. Demokratie im Betrieb schützt die Arbeit­nehmerInnen vor unternehmerischer Willkür, sichert den Betriebsfrieden und stärkt die Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen.“

Doch das reicht dem DGB noch nicht, er will noch mehr Co-Management und ist sich seiner Verschwiegenheitspflicht gegenüber der Belegschaft durchaus bewusst. So fordert er angesichts der aktuellen Wirtschaftskrise:
„Überall bewähren sich Betriebsräte als Krisenmanager. Allerdings fehlt es ihnen auch heute noch an gleichberechtigter Macht. Echte Teilhabe und wirksame demokra­tische Kontrolle der Unternehmensleitung durch die Beschäftigten gibt es nicht. (…) In der sich ändernden Arbeitsgesellschaft der Zukunft sind Beteiligung, Mitbestimmung und Mitverantwor­tung Voraussetzungen für Erfolg.“

Wenn im März 2010 wieder Betriebsratswahlen anstehen, sieht man die Betriebsräte große Sprüche klopfen und das Stimmvieh zu den Wahlurnen locken. Schließlich haben die freigestellten Funktionär/innen Geschmack daran gefunden, als bezahlte Stellvertretung im Namen der arbeitenden Belegschaft die Arbeits­kämpfe zu verwalten und notfalls auch Streik­bewegungen beliebig zu manipulieren.

Wie leicht diese Co-Manager/innen die Seite wechseln, wissen wir nicht erst seit dem Wechsel von Transnet-Chef Norbert Hansen (SPD) als Eisenbahner-Vertreter zum „Arbeits­direktor“ der Deutsche Bahn AG im Jahr 2008. Auch die mit Luxusreisen bestechlichen Betriebsräte in der Volkswagen-Affäre 2005 haben im Sinne der kapitalistischen Verwer­tungslogik nichts falsch gemacht. Ihre Funktion als Mitläufer und Hilfskräfe wurde nur eben mit illegalen Mitteln belohnt. Der SPD-Arbeitsmarkt­reformer Peter Hartz war vorsichtshalber mit einer Abfindung in der Tasche als VW-Manager zurückgetreten, bevor er 2007 wegen der „Son­derbonuszahlung“ an den damaligen Betriebs­ratsvorsitzenden gerichtlich verurteilt wurde.

Beim wilden Opel-Streik 2004 hingegen hatte der Betriebsrat die Rolle des Ausbremsers erfolgreich gespielt. Sechs Tage Arbeitsnieder­legung und Werksblockade hatten in Bochum die Produktion zum Stillstand gebracht. Die IG Metall versuchte mit allen Mitteln den Streik abzuwürgen und zu isolieren. Am Ende stimm­ten alle Betriebsräte für die Umstrukturierung.

Das zeigt, dass es nötig ist, Arbeitskämpfe über Vollversammlungen im Betrieb zu organisieren. Die Sprecher/innen sollen nichts weiter als diese Beschlüsse umsetzen, keine eigenen Verhand­lungen führen. Und dafür braucht es keine Betriebsräte, sondern kämpferische Kolleg/in­nen, die bereit sind ihre Solidarität über alle Grenzen – jenseits von Betrieb, Branche oder Nation – mit ihren eigenen Mitteln auszudrücken:

Direkte Aktionen ohne Chef und Staat!

Dieser Artikel ist gemeinfrei bei Nennung der Webseite http://anarchosyndikalismus.blogsport.de