Frankreich: Gegen rassistische Polizeigewalt

Die bewaffneten Polizeikontrollen in den von Armut und Ausgrenzung betroffenen Vorstadt-Siedlungen Frankreichs sind oft willkürlich, meist gewaltsam und erniedrigend, wobei sie mitunter stundenlang dauern können. Nicht selten enden solche Einsätze mit tödlicher Brutalität durch die Staatsgewalt – auch in Deutschland. Die französische CNT-IAA hatte bereits anlässlich der wochenlangen landesweiten Krawalle nach dem Tod zweier Vorstadt-Jugendlicher in Paris-Clichy 2005 einen Text veröffentlicht, der leider an Aktualität nicht verloren hat. Nun hat Ende Juni 2023 erneut ein spektakulärer Fall in unserem Nachbarland zu überregionalen Protesten geführt.

Nachdem bei einer Straßenkontrolle in Paris-Nanterre der Jugendliche Nahel Merzouk von Streifenbeamten erschossen wurde, fanden landesweit wütende Demonstrationen gegen den alltäglichen Rassismus der staatlichen Repressionsorgane statt. In vielen Städten waren diese tagelangen Proteste auch von Feuerwerk, Brandstiftungen und Plünderungen begleitet. Außer in Frankreich gab es auch im Übersee-Département Französisch-Guayana, sowie in Belgien und der Schweiz vereinzelte Straßenschlachten. Hunderte Geschäfte wurden zerstört, Polizeistationen angegriffen und Autos angezündet – die Sachschäden werden auf Dutzende Millionen Euro geschätzt.

Der von der neoliberal-konservativen Regierung Macron hochgerüstete Polizeiapparat reagierte auf die Straßenunruhen wie immer mit Gummigeschossen und Tränengas. Räumpanzer und Wasserwerfer sind im Dauereinsatz – tausende Jugendliche wurden in Gewahrsam genommen. Nun wurde Anfang Juli in Marseille am Rande der Proteste ein 27-jähriger Kurierfahrer von einem Flashball-Geschoss (LBD 40) am Brustkorb getroffen, woraufhin er einen Herzstillstand erlitt und tot neben seinem Roller aufgefunden wurde. Diese angeblich „nicht-tödlichen“ Projektile werden von der Polizei bei Sozialprotesten (wie kürzlich gegen die Rentenreform) regelmäßig auch auf Kopfhöhe verschossen, was auch während der Gelbwesten-Unruhen 2019 zu zahlreichen schwer verletzten Demonstrant*innen geführt hatte.

Die Anarchosyndikalist*innen der Confédération Nationale du Travail (CNT-IAA) stellen in diesem Zusammenhang die Frage nach der von Medien und Politik angeprangerten Gewaltförmigkeit der Proteste und ihren Ursachen:

„Die wahre Gewalt sind Massenentlassungen, welche die Arbeiter*innen ins Elend stürzen. Die Gewalt sind andauernd steigende Mieten. Es sind die Lebenshaltungskosten, die uns daran hindern, unsere Grundbedürfnisse zu befriedigen (Gaspreise…). Gewalt bedeutet Vertreibung von Frauen und Kindern aus ihren Häusern. Wenn die Polizei in die Schulen kommt, um Kinder ohne Papiere abzuschieben. Die Gewalt ist die staatliche und wirtschaftliche Unterdrückung.

In einer Situation der Krise, des wirtschaftlichen und sozialen Elends, sowie der staatlichen Repression, die uns alle überwältigt, können die rebellierenden jungen Menschen, der Funke sein um diese grundlegend ungerechte Gesellschaft in Frage zu stellen. Es ist höchste Zeit, dass wir die wahren Ursachen der Gewalt, der wir ausgesetzt sind, bekämpfen. Der Kampf muss überall solidarisch ausgeweitet werden. Organisieren wir, wo immer es möglich ist, Versammlungen, Demonstrationen und Streiks gegen die Gewalt von Staat und Kapital.“

Die CNT-IAA analysiert diese gesellschaftliche Lage aus gewerkschaftlicher Sicht:
„Der Kampf in den Wohnvierteln steht dem Arbeitskampf nicht entgegen. Beide sind Ausdruck oder Verlängerung dessen, was sie gemeinsam haben: Unterdrückung, Ausbeutung, Ausgrenzung, Verarmung, Unsicherheit usw. Denn all dies ist Ausdruck eines Gesellschaftssystems, welches auf der Existenz von sozialen Klassen beruht.
(…)
Dabei wird deutlich, dass der Anarcho-Syndikalismus der CNT-IAA sich nicht auf die Betriebe beschränkt, sondern das gesamte soziale Feld im Blick hat – in der Überzeugung, dass ein allgemeiner gesellschaftlicher Wandel unerlässlich ist!“

„Armut, Erwerbslosigkeit, Umwelt- und Atom-Katastrophen, Kriege – Der Staat und der Kapitalismus bedeuten Gewalt! Anarchie ist der höchste Ausdruck der Ordnung! CNT-IAA – Solidarität, Freiheit, Revolution“