Österreich: Wohnmobil-Verleih versuchte Kollegen auf zwei Monatsgehälter zu klagen

Das Wiener Arbeiter*innen-Syndikat (WAS-IAA) berichtet, dass die Klage mit ihrer Unterstützung eingestellt wurde:

Der Wiener Campingmobil-Verleih „Camperea“ wurde vor rund drei Jahren vom jetzigen Chef der Firma übernommen. Zusätzlich ist dieser Besitzer eines Tonstudios („Audiowien“) sowie einer Werbeagentur. Im Sommer 2021 hat unser Kollege für vier Monate dort geringfügig gearbeitet.

Während der Arbeitszeit kam es bei einer Fahrt zur Waschanlage leider zu einer Beschädigung eines Wohnmobils. Daraufhin versuchte der Firmenbesitzer einen Teil des Vollkasko-Selbstbehalts vom Kollegen zurückzufordern. Jedoch gilt in Österreich das sogenannte Dienstnehmerhaftpflichtgesetz (DHG).  Darin steht: „Für eine entschuldbare Fehlleistung haftet der Dienstnehmer nicht.“ Heißt: Chefs dürfen von Arbeiter:innen nichts verlangen, solange diese nicht fahrlässig gehandelt haben. Was in diesem Fall noch dazugekommen ist: Autofahren war kein Teil der Dienstverpflichtung. Erst nach rund einem Monat wurde dies auf einmal per Dienstanweisung doch zur Aufgabe erklärt.

Viel zu wenige Arbeiter:innen wissen, dass sie grundsätzlich nicht schadenersatzpflichtig sind, solange ein Schaden während der Arbeitszeit nicht fahrlässig oder gar mutwillig herbeigeführt worden ist! Chefs versuchen jedoch immer wieder Geld von Lohnabhängigen zu bekommen.

Für uns als WAS war dieser Fall besonders wichtig, da er so exemplarisch für die Einschüchterungsversuche und Geldforderungen an die finanziell Schwächsten steht. Chefitäten verlangen viel zu oft, entgegen dem geltenden Gesetz, einen Schadenersatz. Dabei versuchen sie sich oft noch als „gütig“ zu präsentieren, indem sie eh nicht den ganzen Schaden einfordern. Dies passierte in diesem Fall einem Menschen gegenüber, der unter der Geringfügigkeitsgrenze schuftet und nicht einmal über eine Sozialversicherung in Österreich verfügt (weshalb auch die Arbeiterkammer wieder `mal nicht helfen wollte). Der Firmenbesitzer „übergibt den Fall halt der Petra“. Petra ist vermutlich eine Partnerin in der vertretenden Kanzlei, einer größeren Rechtsanwaltskanzlei im 1. Bezirk, mit der er per Du ist.

Obwohl wir die ausführende Anwältin dieser Kanzlei über die falsche Anschuldigung von Fahrlässigkeit umfassend aufgeklärt haben, wurde beim Arbeitsgericht eine Mahnklage gegen unseren Kollegen eingebracht. Und zwar mit bewusst falschen Behauptungen. Mit Anwaltskosten für den Brief wollten sie auch gleich einmal fast zwei Monatsgehälter einklagen. Man kann‘s ja mal versuchen, nach dem Motto „der Durchschnittshackler knickt schon ein, wenn er einen Anwaltsbrief oder spätestens wenn er eine Mahnklage vom Gericht bekommt“ – oder wie sollen wir das verstehen?

Wir betrachten diesen Fall als richtig plakativ für die fortwährenden Angriffe auf die Arbeiter:innenklasse und haben uns entschlossen, uns gemeinsam dagegen zu wehren. Deshalb hat sich das WAS auch dazu entschieden drauf zuschauen, dass er jedenfalls vor Gericht, gegebenenfalls auch in höheren Instanzen, gewonnen wird. Wir haben auch vereinbart, uns nicht auf einem faulen Kompromiss einzulassen. Dies erreichen wir grundsätzlich, indem wir die finanzielle Gefahr auf möglichst viele Schultern verteilen. Durch solidarisches Geld zusammenwerfen entschärfen wir das Bedrohungspotenzial des „noch größeren finanziellem Schadens, wenn man versucht, sich zu wehren“, welches viele Unternehmer:innen bewusst einsetzen.

Im ersten Halbjahr 2022 kam es dann auch zur vorbereitenden Tagsatzung vor dem Arbeitsgericht. Das Verhalten der Anwältin von Camperea vor Gericht war dann jedoch dermaßen unprofessionell, dass wir so etwas grundsätzlich nicht für möglich gehalten hätten und uns ernsthaft gefragt haben, warum die Richterin sich so etwas bieten lässt. Hauptsächlich hat sie im Smartphone herum gewischt und im Internet den anzuwendenden Kollektivvertrag gesucht. Alle paar Minuten hat sie dann gerufen, dass sie ihn gefunden hätte und wurde von der Richterin immer wieder darauf hingewiesen, dass dies der Falsche sei, beispielsweise Jener vom Jahr 2020 und nicht `21, oder der für Angestellte und nicht für Arbeiter:innen, …

Der vorläufige Abschluss der Tagsatzung war dann, dass vermutlich die drei-monatige Frist für Klagseinbringungen gilt. Vor einiger Zeit kam dann auch die Information vom Gericht, dass dies tatsächlich zutrifft. Der Chef hätte die Klage innerhalb von drei Monaten einbringen müssen, hat sie aber erst kurz vor Ablauf der sonst gängigen Sechs-Monatsfrist eingebracht. Die Klage wurde daher endgültig eingestellt. Unser Kollege muss nichts bezahlen.

Wir vom WAS hätten uns in diesem Fall eigentlich ein Urteil gewünscht. Speziell da Camperea für die Kundschaft – um nur elf Euro täglich – auch Zusatzversicherungen verkauft, mit denen der Selbstbehalt bei Vollkaskoversicherungen auf null reduziert wird, diese aber zur Kostenminimierung selbst nicht nutzt. Obwohl Firmen eigentlich dazu „verpflichtet“ sind, den bestmöglichen Versicherungsschutz abzuschließen, hat dieser Chef versucht das unternehmerische Risiko auf einen Geringfügig Beschäftigten abzuwälzen.

Dass wir dafür sorgen werden, dass dieser Versuch nicht von Erfolg gekrönt sein wird, haben wir schon in unserer initialen Korrespondenz mit Camperea im Sommer 2021 artikuliert. Dass die Klage jetzt sogar komplett eingestellt wurde, zeigt wieder einmal sehr anschaulich, dass es immer sinnvoll ist, sich gemeinsam zu wehren!

Artikel veröffentlicht auf dem WAS-Blog am 15. 12. 2022
https://wiensyndikat.wordpress.com/2022/12/15/wohnmobil-verleih-versuchte-kollegen-auf-zwei-monatsgehalter-zu-klagen/