Marokko: Solidarität mit der Besetzung der Mine in Touissit

Das Wiener Arbeiter*innen-Syndikat (https://wiensyndikat.wordpress.com) hat den folgenden Aufruf übersetzt und auf seinem Blog veröffentlicht:


Solidarität mit den Bergarbeitern in Touissit/Marokko, die ihre Mine besetzen!

Schickt Emails an den Geschäftsführer, um die BergarbeiterInnen in ihren Forderungen zu unterstützen.

Für Respekt und Würde ergreifen die Bergarbeiter von Touissit Direkte Aktionen und besetzen ihre Mine: Solidarität!

Über unsere französische Schwestergewerkschaft CNT-AIT besteht ein Kontakt zu den kämpfenden KollegInnen in Marokko, welche vor Ort von FreundInnen der CNT-AIT unterstützt werden. Es handelt sich um normale HacklerInnen [= Malocher*innen, Anm. ASN], die bis zum 21. Dezember ihre Mine besetzt haben und von der dortigen Systemgewerkschaft im Stich gelassen, sogar verarscht, werden. Daher brauchen sie unser aller Solidarität, um ihre Interessen (Forderungen) der Firmenleitung gegenüber durchsetzen zu können.


Gruppe streikender Bergleute unter Tage

Dem Minister für Energie, Bergbau und Umwelt Aziz Rebbah zufolge, ist „der Bergbausektor eine Säule der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung des Landes“. Mit der wirtschaftlichen Entwicklung hat er vielleicht recht, mit der sozialen sicher nicht. Die Arbeitsbedingungen in den Minen sind oft primitiv – ob in Bezug auf Löhne, Gesundheit oder Sicherheit.

Ein Beispiel dafür ist die Mine Mont Aouâm (Jbel Aouâm) in Mrirt, der zweiten Gemeinde in der Provinz Khenifra, im marokkanischen Mittleren Atlas. Sie gehört zur Bergbaugesellschaft Compagnie Miniere de Touissit (CMT), der marokkanischen Marktführerin in der Produktion von Silber-Blei-Konzentraten. Es ist an der Börse von Casablanca notiert, zu ihren Hauptaktionären gehört das Unternehmen OSEAD MAROC MINING, selbst eine Tochtergesellschaft des OSEAD FUND, sowie der CIMR (Pensionsfond für Privatangestellte). Man könnte also erwarten, dass ein Unternehmen mit einem Aktionär, der aus einem Pensionsfonds besteht, seine ArbeiterInnen gut behandeln würde. Aber weit gefehlt!

Bereits 2019 mussten die BergarbeiterInnen dieser Mine eine Protestbewegung aufgrund grundlegender Ansprüche starten: die Verbesserung der Arbeitsbedingungen und ihrer sozialen Situation sowie die Gewährleistung der für die Arbeit in den Minen unerlässlichen Sicherheitsmaßnahmen. Die Gewerkschaften hatten sich beeilt, die Bewegung zu begleiten, und hatten mit der Geschäftsführung ausgehandelt, dass zumindest endlich die Arbeitsbedingungen und Gesundheit der minderjährigen BergarbeiterInnen berücksichtigt werden sollen.

Um die Wichtigkeit und Ernsthaftigkeit dieser Vereinbarung zu betonen, reiste sogar ein Vertreter des Bergbauministers an, um die Unterschrift zu beglaubigen und damit zu signalisieren, dass der Minister, welcher auch Mitglied der PJD (Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung, Islamistisch) ist, auf die Umsetzung achten würde. Im Gegenzug mussten sich die ArbeiterInnen – natürlich – dazu verpflichten ihre Produktivität zu steigern und höhere Produktionsziele zu erreichen. ArbeitgeberInnen geben nie etwas umsonst her und versuchen immer, ihren Profit und damit unsere Ausbeutung zu steigern …

Ein Jahr nach der Vereinbarung zwischen Gewerkschaft und Chef haben die ArbeiterInnen folgende Bilanz gezogen: Sie haben ihr Wort gehalten und trotz eines schweren Jahres aufgrund der Covid-Krise 98% der im Protokoll festgelegten Produktionsziele erreicht. Die Bilanz des Chefs sieht dagegen mager aus. Er hat keine seiner Versprechen umgesetzt …

Am 10. Dezember 2020 haben die Bergarbeiter genug gehabt und eine Direkte Aktion gestartet. Sie haben die Produktionsmittel besetzt, um Druck auf den Chef auszuüben: 100 streikende BergarbeiterInnen haben die Mine gehalten, 700 Meter unter der Erde. 200 andere blieben an der Oberfläche und wechselten zwischen Demonstrationen und Solidaritäts-Sitzblockaden, um den Streik öffentlich zu machen und die Logistik sowie Versorgung der Besetzer zu organisieren. Die Sturheit und Tyrannei der Verwaltung ging nämlich so weit, dass den Streikenden in der Mine die Versorgung mit Lebensmitteln untersagt wurde.

Diese Situation war für die Gewerkschaften nicht tragbar: Die Nichteinhaltung der Vereinbarung durch den Chef – während der Produktivitätssteigerung der ArbeiterInnen –zeigt deutlich die Nutzlosigkeit (und sogar Verderbtheit) der Verhandlungen zwischen Gewerkschaften und Chef. Die Tatsache, dass sich die ArbeiterInnen für eine Direkte Aktion entschlossen haben, um Druck auf den Chef auszuüben, könnte einen Einfluss auf andere ArbeiterInnen haben, falls ihr Kampf erfolgreich ist, und ihnen die Vorteile von Selbstorganisation gegenüber reformistischen Gewerkschaften zeigen … die UMT (Marokkanische Gewerkschaft) und ihre internationale Organisation (Industriall Global Union) haben sich daher dringend an den Premierminister gewandt, um ihn auf die Gefahr der Situation hinzuweisen und sie durch die Aufnahme weiterer Verhandlungen zu entschärfen.

Die Botschaft fruchtete und Miloudi Moukharik, der Generalsekretär der UMT, kam persönlich für ein Gespräch mit dem Direktor der Mine … Natürlich war das erste, was die Gewerkschaft von den Streikenden vor der Aufnahme von Verhandlungen verlangte, ihren Sitzstreik zu beenden. Sie haben daher am 21. Dezember, nach zehn schwierigen Tagen der Besetzung, das Bergwerk verlassen.

Der Vorsitzende der Industriall Global Union hat daraufhin der UMT und den ArbeiterInnen seine Glückwünsche zu „den erzielten Fortschritten“ gesendet: „Wir begrüßen die wichtigen Schritte zur Aufnahme von Verhandlungen. Wir fordern das Unternehmen auf, die Gelegenheit zu nutzen, um einen echten Dialog mit der Gewerkschaft für eine nachhaltige Produktion und die Achtung der legitimen Rechte der Arbeiter zu führen.“. Er fordert das Unternehmen also auf, die Gelegenheit für einen Dialog zu nutzen. Mit anderen Worten: Die Gewerkschaft fleht den Chef um ein Gespräch an, ohne jedoch bis jetzt etwas bekommen zu haben.

Es wird erwartet, dass am 24. Dezember ein neues Treffen zur Wiederaufnahme der Verhandlungen stattfinden wird, bei dem die Forderungen nach Lohnerhöhungen, verbesserten Arbeitsbedingungen in der Mine, die Frage der Leih- und Zeitarbeiter sowie die Zusage der Geschäftsführung, das Recht der freien Vereinigung zu respektieren und die Streikenden nicht zu entlassen, diskutiert werden sollen.

Die BergarbeiterInnen haben beispielhaften Mut und Stärke bewiesen, indem sie ihre Mine 700 Meter unter der Erde besetzt haben – unter Bedingungen, die für ihre Gesundheit gefährlich sind. Hoffentlich werden sie bei den Verhandlungen nicht erneut von den Gewerkschaften verraten.

In der Zwischenzeit sollten wir ihnen so viel Unterstützung wie möglich geben. Zum Beispiel, indem wir E-Mails an die CMT-Geschäftsführung mit folgenden Forderungen schicken:

  • Respekt und Würde für die BergarbeiterInnen, welche die alleinigen SchöpferInnen des Wohlstands in der CMT sind.
  • Angemessene Löhne, die allen ArbeiterInnen – unabhängig von ihrem Status – einen Lebensunterhalt ermöglichen.
  • Würdige Arbeitsbedingungen, unter Einhaltung internationaler Standards für Arbeitssicherheit und Umwelt.
  • Respekt für das Vereinigungs- sowie das Streikrecht und die Meinungsfreiheit.

Zur Kontaktaufnahme mit der Geschäftsführung des Unternehmens:

Fax Generaldirektion: + 212 5 22 78 68 71
E-Mail: siege.cmt@cmt.ma
Telefon: +212 6 61 31 32 95 / +212 5 22 78 68 61


Quelle:
https://wiensyndikat.wordpress.com/2020/12/29/solidaritaet-mit-den-bergarbeitern-in-touissit-marokko-die-ihre-mine-besetzen/