Österreich: Lockdown und Protest

Kommentar vom Wiener Arbeiter*innen-Syndikat zum neuen Lockdown und Aufruf zur Demonstration am 18. November:

„Oops! … I Did It Again“ oder „Hit Me Baby One More Time“?
Zum neuen Lockdown & Demonstration am 18. November

Hier ist er also, der neuerliche Lockdown in Österreich. Vor wenigen Wochen noch „undenkbar“ wurde er nun bis Anfang Dezember verhängt. Neben der Tatsache, daß wir selbstredend – während wir alle privaten Kontakte auf ein absolutes Minimum beschränken sollen – weiter brav hackeln gehen sollen, und dem Goodwill der Chefitäten ausgesetzt sind was das Infektionsrisiko in der Produktion oder dem Großraumbüro betrifft, sind einge weitere Punkte dieses neuerlichen Lockdowns so bemerkenswert wie dilletantisch, daß wir uns ihnen hier kurz widmen wollen.

Als erstes ist die Tatsache hervorzuheben, daß die COVID-19-Notmaßnahmenverordnung handwerklich wieder einmal sehr schlecht gemacht ist. Die rechtlichen Begündungen des Ministeriums, weichen teilweise vom Verordnungstext selber ab. Als wirklich peinliches Beispiel sei die Erläuterung zu „Einzelne“ genannt. Im Erläuterungstext, der eigentlich die Intentionen und Stoßrichtung von Gesetzen oder in diesem Fall Verordnungen erläutern sollte, setzt das Ministerium tatsächlich einen Link auf den Duden um „mehrere Einzelne“ zu präzisieren. Der Duden definiert aber „Einzelne“ als „einige, wenige Personen“. Also sind laut Sozialministerium „mehrere Einzelne“, „mehrere, einige, wenige Personen“. Wegen solcher Dinge wurde der Text dann auch „on the fly“ nach der Veröffentlichung (mehrfach?) geändert. Was sich Frau Julia Rauscher (die Verfasserin des PDFs) und Co. dabei denken, sei dahingestellt.

Wirklich erbärmlich wird es aber wenn [Bundeskanzler] Kurz sich schon wieder hinstellt und Ideen/Empfehlungen oder Wünsche als gültige Gesetze präsentiert.

Einerseits ist er gar nicht für Verordnungen des Gesundheitsministerium zuständig. Daß es mittelmäßig bizarr ist, daß er dennoch dauernd Pressekonferenzen dazu abhält, fällt mittlerweile auch den bürgerlichen Massenmedien schon auf, und sie bezeichnen diese Art wie Verordnungen Ressort-unzuständig entstehen (und präsentiert werden) als monokratisch und bedenklich.

Andererseits macht es die Regierung, speziell das „Virulogische Quartett“, schon wieder: Der neue Lockdown und die dazugehörige Verordnung wird per Pressekonferenzen und Erläuterungen auf Homepages auf eine Weise „interpretiert“, die durch deren Wortlaut eindeutig nicht gedeckt ist! Prägnant formuliert, fabulieren sie einfach irgendwas daher, um die Menschen im Endeffekt fehlzuinformieren und in Verunsicherung zurückzulassen. Natürlich hätten sie gerne auch die komplette Deutungshoheit selbst über die privaten Bereiche wie Wohnungen usw. was sich aber mit der Verfassung (noch?) nicht machen lässt. Daher stellen sie sich dann dreist hin und lügen irgendwas von „nur ein Einziger Mensch darf Andere besuchen“ usw. Die Medien sind, wie allermeistens, keine Hilfe und reproduzieren sogar das dümmliche Wording, wie daß „der Kanzler einen Lockdown verkündet“ uvm. als wäre er messias-ähnlich.

Fakt bleibt, die Regierung ist minimal vorbereitet gewesen auf das was Österreich gerade Pandemietechnisch überrollt. Man kommt letzte Woche drauf, daß man vielleicht noch Menschen zum Contacttracing einstellen könnte (will Diese aber teilweise weiterhin für Fulltime nur mit 1100,- Brutto bezahlen wie in Oberösterreich). Die Intensivkapazitäten werden jetzt, nicht vor zehn Monaten, behelfsmäßig aufgestockt.

Eine Verpflichtung zu Homeoffice, wo dies möglich wäre, gibt es weiterhin nicht. „Es kann aber vom Chef freiwillig erlaubt werden“, wird dann von der zuständigen ÖVP-Ministerin vollmundig erklärt. Wie wär’s mit freiwilligem Krankenstand wenn’s der Chef erlaubt, oder mit freiwilligem 12-Stunden-Tag, … Oops!

Aber Hauptsache vor wenigen Tagen noch, wehren sich die Unternehmerverbände gegen die telefonische Krankmeldung. In Pandemiezeiten sollten gefälligst alle HacklerInnen – auch jene mit Corona – in die Arztpraxen pilgern, … damit nur ja die Chefs alle ArbeiterInnen maximal unter Kontrolle haben. Und das während im ersten Lockdown die Krankenstände stark gesunken sind, und es keinen einzigen nachgewiesenen Fall von „Blaumachen“ gegeben hat!

„… Not That Innocent“

Das was hier passiert ist wieder einmal Klassenkampf von Oben! Wir sollen brav weiterhackeln, ganz egal wie hoch das tägliche Ansteckungs-Risiko in den Öffis oder den Firmen auch ist. Entscheiden darüber dürfen die Chefs. Privat sollen wir am Besten überhaupt nichts mehr tun, außer vereinzelt vor der Glotze abhängen. Die Regierung hat einfach keine Konzepte außer „Messagecontrol“ und der Idee daß die Menschen eine steuerbare Masse sind, die Befehle empfängt und mit Druck zu Dingen gezwungen werden muß.

Die dumpfen Versuche das „Weihnachtsgeschäft“ per jetzigem Lockdown, genauso wie die „Wintersaison“ noch irgendwie zu retten, werden über unsere Leben gestellt. Unser Aller Gesundheit verkommt zu einer reinen Kosten- Nutzen-Rechnung.

Das WAS empfiehlt die Verordnung  zu lesen und zu verstehen, und nicht irgendwelchem Politikerblabla zuzuhören. Wir empfehlen ebenfalls, wie schon im ersten Lockdown auch, etwaige Strafen – besonders Strafmandate – nicht zu bezahlen, sondern Einsprüche zu erheben. Es besteht wiederum die gute Möglichkeit, daß der Verfassungsgerichtshof einige Dinge im Nachhinein aufhebt.

All das natürlich bei Abstand halten, Hygiene beachten und sinnvollen Kontakteinschränkungen. Aber ohne sich vereinzeln zu lassen und dem kapitalistischem Treiben Vorschub zu leisten. Im Zweifelsfall ist unsere Gesundheit und Unversehrtheit immer wichtiger! Nicht vergessen werden sollte auch, daß jegliche Arbeitssicherheit, Krankenversicherungen usw. historisch von uns ArbeiterInnen, teils blutig, erkämpft worden ist! Die KapitalistInnen geben keinen Zentimeter freiwillig her, und würde es nach ihnen gehen, stünden wir immer noch 80 Stunden die Woche in den Fabriken ohne jedem Arbeitsschutz, oder Sozialversicherungen.

Wir rufen daher [am 18.11.] auch zur Demonstration mit auf:

NEIN zur Notstandsgesetzgebung – Für eine solidarische Gesellschaft!

Wut, Solidarität und Klassenkampf – Stop the Virus of control – Kapitalismus abschaffen!

17 Uhr/ Westbahnhof (Christian-Broda-Platz), mit anschließender Route durch Fünfhaus und Meidling

Kommt mit Maske und achtet auf den physischen Abstand!

Veröffentlicht am 18.11.2020 auf dem WAS-Blog
https://wiensyndikat.wordpress.com/2020/11/18/oops-i-did-it-again-oder-hit-me-baby-one-more-time/