Polen: Keine Zeit für Angst! Es ist Zeit zu handeln!

Die Polnische Syndikalistische Gewerkschaft (ZSP-IAA) hat auf den Ausbruch der Coronavirus-Pandemie mit Aufrufen zu verschiedenen Arbeitskämpfen reagiert. Sie plant eine Mobilisierung, sobald es wieder möglich ist, sich öffentlich in Versammlungen zu treffen.

Zunächst legen sie Wert darauf, dass die Arbeiter*innen, die zuhause bleiben wollen (und es müssen), dies auch tun sollten. In Polen ist dies sogar vom Arbeitsgesetz geschützt, jedoch sind manche Arbeiter*innen nicht davon betroffen, da die Arbeitgeber*innen das Zivilrecht für ihre Verträge ausnutzen. Mit solchen Verträgen sind in Polen Millionen Arbeiter*innen von einem Schutz durch das Arbeitsrecht ausgeschlossen [z.B durch Scheinselbständigkeit, Werksverträge oder Auftragsarbeiten].

Darüber hinaus haben einige Arbeitgeber*innen ihre Untergebenen bedroht, die zuhause bleiben wollen oder über ihre Recht nicht Bescheid wussten. Eine weitverbreitete Drohung ist, dass bei ausbleibender Leistung die Firma wirschaftlichen Schaden nehmen würde und daher Personal abgebaut werden müsse. Das würde bedeuten, dass die Arbeiter*innen gefeuert werden, weil sie angesichts dieser Situation ihr Recht auf Leistungsverweigerung wahrgenommen haben.

Ein Bereich, in dem die ZSP seit einigen Jahren aktiv ist, ist die Postbehörde. Diese ist einer jener Betriebe, die nach Ansicht der Regierung auch während der Pandemie weiterlaufen müssen. Die ZSP hat daher die Postarbeiter*innen zu Aktionen aufgerufen und die Belegschaft über ihre Rechte informiert, da das Management ihnen sogar Falschinformationen gegeben hat. Darin war behauptet worden, dass man nur zuhause bleiben dürfe, wenn man für diese Zeit auf den Lohn verzichten oder Urlaubstage opfern würde (was ein Einverständnis erfordert). Momentan ist es schwer abzuschätzen, wieviele Leute tatsächlich die Arbeit verweigern und – ironischerweise – fühlen sich nun einige Arbeiter*innen dazu verpflichtet, aus einer Art gesellschaftlicher Verantwortung heraus der Allgemeinheit zu dienen.

Tatsächlich betätigen sich einige Gewerkschaftsmitglieder der ZSP an öffentlichen Hilfsmaßnahmen (unter Beachtung der sozialverantwortlichen Vorsichtsmaßnahmen), beispielsweise in der Gesundheitsversorgung oder mit Lebensmittellieferung für Leute in Selbstisolation bzw. verordneter Quarantäne, sowie durch Ausgabe von Masken an Arbeiter*innen oder durch Einflussnahme auf die städtischen Behörden.

Die Gewerkschaft in Warschau versucht auch an einem nächstmöglichen Termin eine Kundgebung zu organisieren, um ihre Forderungen an die Regierung zu stellen. Diese hat außer hohlen Versprechungen an die Arbeiter*bewegung bisher nichts dafür getan hat, um dem Phänomen der „Schrottverträge“ etwas entgegen zu sezten. Sobald die Situation eine größere Veranstaltung zulässt, wird die ZSP die prekären Arbeiter*innen zu einem Protest gegen ihre Lage aufrufen.

Einige der lokalen Gewerkschaftsmitglieder sind auch in Mieter*innen-Vereinigungen aktiv, die jetzt von der Stadt fordern, die Mieten für jene auszusetzen, die von der Situation am schlimmsten betroffen sind (Der Stadtpräsident von Warschau hatte die Leute gegen sich aufgebracht, indem er als erstes einigen Arbeiter*innen Hilfe versprach, aber für die Haushalte nichts übrig hat.) Obwohl die Regierung einigen Arbeiter*innen – auch denen mit Werksverträgen – ihre Unterstützung zugesagt hat, betont die Gewerkschaft, dass viele Leute für diese Hilfe nicht anspruchsberechtigt sein werden. Und dass zahlreiche Arbeiter*innen mit zivilrechtlichen Verträgen ohne Garantien oder Kündigungsfristen bereits ihre Jobs verloren haben und noch monatelang unter darunter werden leiden müssen.

Die ZSP hatte Mitte März zwei Erklärungen herausgegeben: Eine davon war eine gezielte Antwort auf das geplante Krisenpaket der Regierung.[1] Dieses sieht vor, dass den Unternehmen auf vielfältige Weise geholfen wird und gleichzeitig Millionen Arbeiter*innen, die Werkverträge abgeschlossen haben, eine geringe Einmalzahlung bekommen [in Höhe von 80% des MIndestlohns, also ca. 328 EUR]. Wie die Gewerkschaft von Anfang an mehrfach betont hat, ist der Abschluss von Werkverträgen [nach bürgerlichem Recht] ein betrügerischer Weg, um die Verpflichtungen eines Arbeitsvertages zu umgehen. Solches Verhalten wird von staatlichen Einrichtungen passiv unterstützt, die das eigentlich unterbinden sollten. Die Staatliche Arbeitsaufsicht trifft keine wirksamen Maßnahmen und schaut bei Ausbeutung durch die Arbeitgeber*innen oft darüber hinweg. Auch die Gerichte haben offenkundig ignoriert Gesetze zu erlassen und schützen damit die Gewinne der Unternehmen.

Die Gewerkschaft ruft die Regierung daher bei dieser öffentlichen Rettungsmaßnahme zum Handeln auf, denn wenn sie Anträge auf Hilfszahlungen erhält, sollte sie Informationen darüber sammeln, welche Arbeitgeber*innen solche betrügerischen Werksverträge abschließen. Dabei vertritt die ZSP die Ansicht, dass all diesen Arbeiter*innen zwar jetzt geholfen helfen muss, aber dass solche hinterhältigen Unternehmen keine Steuergelder mehr bekommen sollten. Wenn diese ihre Belegschaften nicht entschädigen wollen, welche sie fälschlicherweise nicht als ihre Mitarbeiter*innen ansehen, dann sollten solche Firmen dafür mit Geldbußen belegt werden und diese Einnahmen sollten dafür verwendet werden, die Arbeiter*innen zu bezahlen.

Aber dazu ist der Staat nicht bereit, denn er hat ja die Ausbeutung durch Arbeitgeber*innen mittels Werkverträgen in den letzten drei Jahrzehnten unterstützt. Die anarchosyndikalistische Gewerkschaft hat stets darauf hingewiesen, daß der Staat damit zum Mittäter in einem System des organiserten Diebstahls wird. Und daher muss weiterhin Druck aufgebaut werden, um nennenswerte Fortschritte zu erzielen und mehr Sicherheit für die prekären Arbeiter*innen zu gewährleisten, die sich nun in einer sehr schwierigen Lage befinden. […]

In ihrer ersten Stellungnahme hatte die ZSP versucht die Öffentlichkeit darauf hinzuweisen, dass Millionen von Arbeiter*innen nun Probleme haben, weil sie nicht unter das Arbeitsrecht fallen und daher angesichts der erzwungenen Untätigkeit keine Ansprüche auf Entschädigung haben. Das Gesetz sieht vor, dass in so einer Situation die Erwerbstätigen mit normalen Arbeitsverträgen sogar Geld bekommen ohne zu arbeiten, aber die Werksvertrag-Arbeiter*innen komplett leer ausgehen. Dieses Thema wurde in Polen breit diskutiert und die Regierung hat inzwischen darauf geantwortet, indem sie geringe Einmalzahlungen für manche – aber nicht alle – dieser Werktätigen angeboten hat. Aber wer unter der Hand informell arbeitet oder erwerbslos ist, bekommt diese Unterstützung nicht.

Związek Syndykalistów Polski (ZSP-IAA)

[1] Beide Stellungnahmen sind in dem vollständigen Artikel auf Englisch oder Spanisch enthalten, siehe https://iwa-ait.org/content/zsp-no-time-fear-its-time-action (bzw. https://iwa-ait.org/node/812, im Original unter https://zsp.net.pl/kryzys-smieciowego-zatrudnienia-potrzebne-stanowcze-dzialania)

Quelle: https://iwa-ait.org/content/zsp-no-time-fear-its-time-action

Übersetzung: Anarcho-Syndikalistisches Netzwerk – ASN Köln, https://asnkoeln.wordpress.com (CC:BY-NC)