Frankreich: Airbus-Arbeiter*innen sollen wieder ans Werk

Arbeiter*innen der französischen CNT-IAA, die in der Luftfahrtproduktion tätig sind, haben folgendes Flugblatt verfasst:

Arbeiter*innen in der Luftfahrt:
Weiterproduzieren? Ja, aber für wen und warum?

Die Pandemie wütet auf der ganzen Welt weiter. Alle sind betroffen – Alte, Junge, Kassierer*innen, Ärzt*innen. Sogar die jetzigen Abgeordneten und ehemalige Minister*innen… Der Präsident der Französischen Republik hat deutlich gemacht: Wir sind im Krieg und um diesen Krieg zu gewinnen müssen wir zuhause bleiben. Der Staat werde alle voll entlohnen, die Schutz suchen.

Ja, aber erneut zeigt sich, dass die Versprechen von Politiker*innen nur heiße Luft sind. Uns wird gesagt, dass Regieren bedeutet Voraussicht walten zu lassen: Doch sie waren nicht in der Lage genug Vorräte anzulegen für Masken, Tests und Medikamente, die uns jetzt helfen könnten die Ausbreitung dieser Krankheit zu bewältigen. Als Präsident Macron allen Arbeiter*innen versprochen hat, daß sie bei Arbeitsausfall ohne Rücksicht auf die Kosten entlohnt würden, hat er die Folgen davon nicht vorhergesehen.

Das Ergebnis ist nun, dass sie nachgerechnet haben und jetzt nicht länger für die Kosten ihrer Improvisation aufkommen wollen. Und dass sie nun uns bitten, für die Risiken ihrer Dummheit zu mit unserer Gesundheit und vielleicht sogar mit unserem Leben zu bezahlen, wenn wir wieder zurück an die Arbeit gehen.

Als Mitarbeiter*innen der Luftfahrt-Industrie in „Okzitanien“ [Südfrankreich] haben wir daher E-Mails von unserer Personalabteilung bekommen, in der wir gebeten werden wieder an die Arbeitsplätze zurückzukehen, um das Unternehmen zu retten. Ihr Hauptargument? Hier ein Auszug der empfangenen Mail:

„Obwohl der Staat mitgeteilt hat, dass Ihre Einkommen während der vorübergehenden Arbeitslosigkeit gesichert sind, muss das Unternehmen die Löhne weiterhin zahlen und es nicht klar, ob wir diese vom Staat ersetzt bekommen.“

Mit anderen Worten: Weil die Chefs dem Staat nicht zutrauen sein Versprechen zu halten, werden wir angefragt einzuspringen. Um das Loch in der Unternehmenskasse zu füllen, welches die Kurzarbeit gerissen hat. Und wir sollen alle Risiken dabei tragen!

Um uns zu beruhigen, haben die Chefs nun Kreide gefressen und sie schwärmen uns von all den tollen Maßnahmen vor, die sie uns anbieten wollen: Desinfektionsmittel, Alkoholgel, tägliche Reinigung der Sanitäranlagen, kleine Arbeitsgruppen, Vorschriften für sicheres Abstandhalten, Maskentragen bei Bedarf…

So viele Nettigkeiten, bloß damit wir wieder schuften gehen. Aber es ist keine Rede davon, kontaktlose Handwaschbecken einzubauen, obwohl nur diese verhindern würden, dass die Wasserhähne weiterhin Übertragungswege bleiben…

Als Unterstützung für ihre Anfrage hat das Management einen Brief beigelegt, der von drei Minister*innen unterschrieben war: Lemaire [Wirtschaft], Pénicaud [Arbeit] und Véran [Gesundheit]. Darin jammern sie: „Es ist wichtig, dass die Herstellerfabriken weiter auf französischem Staatsgebiet produzieren können.“ Dieser Brief stammt von Minister*innen des selben Staates, von dem unser Chef uns selbst gesagt hat, dass er ihm nicht zutraut, seine Versprechen zu halten…

#STAAT=MÖRDER #GEWERKSCHAFT=VERRÄTER

Da das Personalmanagement nicht komplett dumm ist, weiß es daß wir nur mäßiges Vertrauen in das Versprechen des Staates und seiner Vertreter*innen haben. Also haben sie, um uns endgültig zu überzeugen, ein Schreiben von den Gewerkschaften (CFE-CGC, CFDT und FO Metall) unterzeichnen lassen. Diese bestätigen, dass ein „außerordentliches Gemeinsames Beratungskomitee (CSE) es befürwortet, daß unter den zusammen vereinbarten Bedingungen an den Arbeitsplatz zurückgekehrt werden soll.“

Mit anderen Worten: Die Gewerkschaften haben sich mit den Chefs darauf geeinigt, wie wir weiter ausgebeutet werden sollen. Damit zeigt sich mal wieder, was wir schon länger sagen, daß die Gewerkschaften bloß dazu da sind, über die Länge unserer Ketten zu verhandeln – oder nun die Dichte unserer Masken!

Eines sollte klar sein: Wir sind nicht gegen das Herstellung oder Verarbeitung von Gütern und auch das Risiko macht uns keine Angst. Aber wenn es bedeutet, daß wir unsere Gesundheit und die unserer Familien auf’s Spiel setzen sollen, dann möchten wir, dass dies etwas NÜTZLICHES für alle ist. Angesichts der jetzigen Pandemie und der zum Stillstand gekommenen Weltwirtschaft, was ist da noch die Bedeutung und Nützlichkeit eines Arbeitsalltags?

Wir würden einer Rückkehr an den Arbeitsplatz zustimmen, auch angesichts der Risiken, aber nur um medizinische Ausrüstungen, Beatmungsgeräte, Krankenhausbetten, Masken und Desinfektionsmittel herzustellen – kurz: alle Dinge, die wirklich benötigt werden und einen gesellschaftlichen Nutzen bringen. Wird AIRBUS und seine Vertragspartner*innen weiterhin militärisches Gerät herstellen und montieren?

Es sind wir Arbeiter*innen, die den gesamten Reichtum produzieren. Und wir haben gemeinsam die Macht diesen Wahnsinn zu stoppen, vor allem durch unsere Arbeitsverweigerung oder einen Generalstreik. Dann können wir alle Produktionsmittel selbst übernehmen und weiter für einen gemeinsamen Nutzen arbeiten.

UNSER LEBEN IST MEHR WERT ALS IHRE PROFITE!

Luftfahrt-Arbeiter*innen der CNT-IAA, 29.03.2020

contact [at] cntaittoulouse.lautre.net
http://cntaittoulouse.lautre.net
Facebook: @ cnt.ait.toulouse / @ chats.noirs.turbulents

Übersetzung: Anarcho-Syndikalistisches Netzwerk – ASN Köln, https://asnkoeln.wordpress.com/

(CC:BY-NC)