Das Wiener Arbeiter*innen-Syndikat berichtet über ihre Teilnahme an einer Warnstreik-Kundgebung des Österreichischen Gewerkschaftsbundes (ÖGB) Ende Februar anlässlich einer Betriebsversammlung in der Branche „Gesundheit & Soziales“.
Denn die Belegschaften in der katholischen Sozialwirtschaft kämpfen derzeit um die Einführung einer 35-Stunden-Woche und hatten daher einen Teil des Tages die Arbeit niedergelegt. Bei einer anschließenden Spontanblockade einer Hauptverkehrsstraße wurden zahlreiche Arbeiter*innen jedoch von Funktionär*innen der reformistischen ÖGB-Gewerkschaft GPA als Unruhestifter*innen angefeindet:
„[…] Nach Abschluß der Kundgebung, die trotz allem von motivierten KollegInnen getragen wurde, auch welchen, die beim WAS organisiert sind, haben viele Caritas-KollegInnen noch Lust gehabt, weiter zu demonstrieren. Dazu gingen rund 100 Menschen auf den Zebrastreifen, verließen diesen aber nicht mehr und begannen eine spontane Kundgebung und Blockade am Gürtel, um dieser etwas mauen Kundgebung noch ein wenig kämpferische Stimmung folgen zu lassen. Nicht zuletzt auch um die ganze Aktion wenigstens minimal von der appellativen Ebene wegzubringen und – neben dem Streik – ein wenig Druck zu erzeugen und dem Gefühl „daß es rumort“, Ausdruck zu verleihen.
Was anschließend passierte, ist genauso unglaublich wie letztendlich entlarvend für die derzeit etablierten vertretungsdemokratischen und gesetzlich vorgegebenen Stukturen, … da stehen also 100 motivierte KollegInnen am Gürtel (Anm.: einer der größten Straßen Wiens) nahe dem Hauptbahnhof, blockieren diesen und fangen mit einer Spontankundgebung an. Unverzüglich, zucken etliche Wichtigmenschen der unterschiedlichen Caritas-Betriebsräte und der GPA komplett aus und stellen sich offensiv gegen die eigenen KollegInnen! Der Eine entblößte sich per lauthals geschrienem ’schleichts euch da – aber sofort‘, eine Andere per ‚das ist nicht mehr demokratisch, das ist ja Anarchie was ihr da machts‘. Eine GPA-Checkerin ist zu einem Genossen und hat diesem ein GPA-Schild demonstrativ aus der Hand gerissen, ganz so als ob sie eine militärische Degradierung vollziehen würde. Am genialsten jedoch jener GPA-Regionalsekretär, der mit hochrotem Kopf, schreiend auf die KollegInnen zugestürzt gekommen ist, mit den sich überschlagenden Worten ‚es Oarschlecha, des woar so ned ausgmocht‘.
Was hier passiert ist, ist symptomatisch für eine Gesellschaft, die vergessen hat, wie die sozialen Errungenschaften erkämpft worden sind. Nicht nur daß es von Betriebsrats- und ÖGB-Seite keinerlei Bewußtsein für Kampfmaßnahmen und Druckaufbau gibt – nein – auch ist die Kontrolle über jegliche Aktivität der HacklerInnen das Wichtigste. Sobald eine Belegschaft tatsächlich selber Schritte setzten möchte, werden unverzüglich alle Methoden angewandt, um Einfluß auf die Kämpfe auszuüben. Diese Entgleisung und das offensive Handeln gegen die eigenen KollegInnen zeigt uns einmal mehr, daß ‚unsere VertreterInnen‘ nur dazu da sind, unsere Wut zu kanalysieren, keinen aufrichtigen Protest aufkommen zu lassen und uns strukturell lediglich zu befrieden. Bei den kleinsten Anzeichen für selbständiges Handeln der ArbeiterInnen werden alle Masken fallengelassen und es wird panisch herumgeschrien. Das gelingt freilich nur solange die ArbeiterInnen sich auch beherrschen lassen. […]“
Quelle:
„Caritas-Betriebsrat und GPA-FunktionärInnen zucken aus – Eklat bei der Warnstreik-Kundgebung und offensives Handeln gegen die eigenen KollegInnen“, https://wiensyndikat.wordpress.com/2020/02/27/caritas-betriebsrat-und-gpa-zucken-aus/
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