„Keine Herrschaft, keine Autorität“ (IAA)

„Keine Herrschaft, keine Autorität – am Ersten Mai kämpfen wir für mehr

Am Ersten Mai bekommen die Arbeiter*innen überall traditionell beste Grüße im Kampf von anderen Organisationen auf der ganzen Welt geschickt. Viele von ihnen erinnern an den Kampf für den 8-Stunden-Tag, die zu den tragischen Ereignissen [in Chicago] des Jahres 1886 führten. An diesem Ersten Mai möchte das Sekretariat der Internationalen Arbeiter*innen-Assoziation (IAA) jedoch außer den revolutionären Grüßen auch einige Worte darüber verlieren, wofür die Leute, die nach dem Haymarket-Massaker ihr Leben ließen, sonst noch gekämpft hatten.



Die Ansprachen der Haymarket-Märtyrer vor Gericht wurden aufgeschrieben und zeigen uns, dass diese Männer Ideale hatten, die weit über den bloßen Kampf für bessere Arbeitsbedingungen hinausgingen. So erklärte z.B. Louis Lingg: „Anarchie bedeutet keine Herrschaft oder Autorität eines Menschen über einen anderen“.

Dies ist eine sehr grundlegende Idee des Anarchismus: Das alle Menschen frei und gleich sein sollten. Aber die Gleicheit ist nicht die Pseudo-Gleicheit der bürgerlichen Klassen, welche das Wort üblicherweise als gleiches Wahlrecht für Stellvertreter*innen definieren. Wahre Gleichheit drückt sich in unserer Tradition aus durch die Vorstellung, dass alle Aufspaltungen nach Reichtum oder natürlichen Rohstoffen zerstört werden müssen und eine Umverteilung stattfinden muss.

Die Ethik dabei bedeutet „Alle nach ihren Fähigkeiten und allen nach ihren Bedürfnissen“ und nicht nach Marktgesetzen oder nach der Idee, dass jemand mehr verdient, weil er oder sie in eine bessere Stellung hineingeboren wurde. Wahre Gleichheit bedeutet also die Idee, dass es keine Hierarchien gibt und keine Person oder Gruppe andere Leute beherrscht.Geschichtlich wird die Herrschaft von mehreren Umständen gestützt, wie z.B. ererbter Wohlstand, Zugang zu Rohstoffen oder dem Leben in einer größeren und vorherrschenden Gruppe. Nach anarchistischer Vorstellung soll das alles umgekehrt werden. Daher erkennen wir die Lohik der bürgerlichen Demokratien nicht an und akzeptieren diese momentanen Herrschaftsformen nicht, denen wir uns widersetzen.

Der Anarchosyndikalismus ist eine Idee, die aus der anarchistischen Tradition entstanden ist. Er sieht die Notwendigkeit für Arbeiter*innen-Organisationen, die sich im Klassenkampf befinden. Aber diese Idee ist nicht darauf beschänkt. In der Geschichte und ebenso heute ist der Anarchosydikalismus auch ein Kampf für den freiheitlichen Kommunismus und eine selbstbestimmte Gesellschaft, die alle Hierarchien zerbricht und in eine neue Gesellschaft der Gleichen verwandelt.

Bevor der Begriff Anarchosyndikalismus benutzt wurde, war bereits lange zuvor die Idee solch einer revolutionären, syndikalistischen Bewegung auf Grundlage anarchistischer Ideale geboren. Der Versuch der Ersten Internationale [von 1864] mißlang, da die Anarchist*innen die Vorstellung ablehnten, der Staat solle in einen Arbeiter*innen-Staat umgewandelt werden und dass eine Partei in der revolutionären Bewegung der Arbeiter*innen eine Rolle spielen solle. Die stattgefundene Trennung zeigte einen andauernden Konflikt auf zwischen den Zielen unserer libertären Bewegung mit jenen der Staatsgläubigen.

Das Experiment der Ersten Internationale hat klar gezeigt, dass wir eine Föderation von Organisation brauchen, deren Revolutionsvorstellung nicht die einer Partei oder eines Arbeiter*innen-Staates ist, sondern wo die Arbeiter*nnen für ihre eigene Selbstverwaltung im Rahmen einer freiheitlich-kommunistischen Gesellschaft kämpfen. Aus diesem Grund hatten sich Anfang der 1920er Jahre eine Reihe von Gewerkschaften geweigert sich den Sowjets und den Anhänger*innen des marxistisch-leninistischen Modells anzuschließen und stattdessen 1922 die Internationale Arbeiter*innen-Assoziation gegründet.

Die revolutionären Ideen dieser vereinigung sind auch heute noch lebendig: Die IAA strebt ein Gesellschaftsmodell ohne den Staat an. Die Statuten der IAA besagen Folgendes:

„Das Ziel der revolutionäre Gewerkschaftsbewegung ist nicht die Eroberung der politischen Macht, sondern die Abschaffung aller staatlichen Funktionen im gesellschaftlichen Leben. Die revolutionäre Gewerkschaftsbewegung geht davon aus, dass mit dem Verschwinden des Eigentumsmonopols auch das Verschwinden des Herrschaftsmonopols kommen muss. Und dass keine Art Staat, wie auch immer er sich tarnt, jemals ein Hilfsmittel für die menschliche Befreiung sein kann. Sondern im Gegenteil, dass er immer der Verursacher neuer Monopole und neuer Privilegien sein wird.“ (…)

„Die revolutionäre Gewerkschaftsbewegung hat eine zweifache Funktion: Einerseits den alltäglichen Kampf um die wirtschaftliche, gesellschaftliche und intellektuelle Entwicklung der arbeitenden Klasse innerhalb der Grenzen der heutigen Gesellschaft weiter zu entwickeln. Und andererseits die Massen zu befähigen, dass sie in der Lage sind, den Prozess von Produktion und Verteilung unabhängig zu verwalten, wenn es an der Zeit ist von allen Elementen des gesellschaftlichen Lebens Besitz zu ergreifen.“

In den Jahren, seitdem Anarchist*innen für diese Ideale gekämpft haben, waren wir Ziel zahlreicher Angriffe, aber auch Vieles andere hat unsere Überzeugungen herausgefordert. Die Haymarket-Märtyrer waren ihrem Tod voller Widerstand entgegengetreten und haben ihre Ideale bis zum Schluss verteidigt.Ebenso taten es tausende Genoss*innen, die im Kampf oder in den unterdrückerischen Händen der Bolschewist*innen, Faschist*innen oder des Staates starben.wir dürfen niemals die Leidenschaft vergessen, mit der diese Held*innen für ein Leben in einer Gesellschaft freier und gleicher Personen gekämpft haben.

Ebenso müssen wir uns daran erinnern, dass wir auf unserem Weg viele Male den Versuchungen gegenüberstanden, uns in „Realpolitik“ oder possibilistische Methoden zu verstricken. Manche Organisationen haben die Grundsätze unserer Föderation verworfen, um in eine andere Richtung zu gehen. Es gab ebenso Vorfälle, bei denen einige die Notwendigkeit gesehen haben im Staat mitzuarbeiten und einige Organisationen haben sich über diese Frage mehrmals gespalten. Doch trotz dieser Versuche und Zerwürfnisse hat die Internationale Arbeiter*innen-Assoziation ihren revolutionären, anti-autoritären Charakter behalten.

Das IAA-Sekretariat wünscht allen arbeitenden Menschen, die diese Ideale in ihren Herzen und Händen tragen, einen frohen Ersten Mai!“

Quelle: Allgemeines Syndikat Köln (FAU-IAA),
http://allgemeinessyndikatkoeln.blogsport.de
Weitere Infos:
„The History of May Day is also part of the History of Immigrant Labour Struggles“
/ La Historia del Primero de Mayo forma también parte de las Luchas de los Trabajadores Inmigrantes